Allgemeine Staatslehre. Alexander Thiele
Читать онлайн книгу.interdisziplinäre Ansatz, bei dem normative und sozialwissenschaftliche Vorstellungen und Kontexte zusammenkommen, grenzt die Allgemeine Staatslehre vom (vergleichenden) Staatsrecht und dem (vergleichenden) Verfassungsrecht ab, denen die normativ-dogmatisch (rechtliche) Analyse einer bestimmten Staats- und Verfassungsordnung repektive der normative (rechtliche) Vergleich mehrerer Staats- und Verfassungsordnungen obliegt.[64] Die Allgemeine Staatslehre geht in diesen normativen Verfassungsvergleichswissenschaften nicht auf, die daher auch nicht an ihre Stelle treten können. Vergleichbar ist sie im anglo-amerikanischen Raum am ehesten mit der unter anderem von Ran Hirschl wiederbelebten Disziplin „Comparative Constitutionalism“,[65] die im anglo-amerikanischen Raum auch (aber nicht ausschließlich)[66] von RechtswissenschaftlerInnen betrieben wird.
Fußnoten
Vgl. auch T. Vesting, Staatstheorie, Rn. 16ff.
H.H. von Arnim, Ist Staatslehre möglich?, JZ 1989, 157 (158).
Vgl. C. Möllers, Staat als Argument, S. 419.
Vgl. auch C. Möllers, Staat als Argument, S. 419.
H.H. von Arnim, Staatslehre der Bundesrepublik Deutschland, S. 10.
C. Möllers, Staat als Argument, S. 419.
Dass die Zusammenführung gegenwärtig mehr oder weniger methodenfrei abläuft ist allerdings ein Kritikpunkt, der nicht von der Hand zu weisen ist. Siehe dazu sogleich.
C. Möllers, Staat als Argument, S. 419.
Vgl. M. Payandeh, Allgemeine Staatslehre, in: J. Krüper (Hrsg.), Grundlagen des Rechts, § 4, Rn. 2.
In zahlreichen Lehrbüchern kommen ökonomische Aspekte, nicht zuletzt die Frage nach der Finanzierung des Staates, allerdings nur sehr verkürzt oder überhaupt nicht vor. Hier besteht insofern zweifellos Forschungsbedarf aus der Perspektive der Allgemeinen Staatslehre. Vor allem aktuelle wirtschaftswissenschaftliche Entwicklungen – etwa zur Bewertung der Staatsverschuldung – werden allenfalls rudimentär zur Kenntnis genommen.
Zur Methodenkritik auch gleich noch unten.
Vgl. T. Vesting, Staatstheorie, Rn. 36.
Siehe auch R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 1.
H.H. von Arnim, Staatslehre der Bundesrepublik Deutschland, S. 5.
Einführend dazu E. Özmen, Politische Philosophie, 2013.
Speziell zum historischen Staatsverständnis zuletzt auch G. Metzler, Der Staat der Historiker, 2019.
E. Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit, S. 24ff. Friedell spricht der Geschichtswissenschaft dabei im Ergebnis jede Wissenschaftlichkeit ab, aaO, S. 26: „Wir gelangen demnach zu dem Resultat: sobald die referierende Geschichtsschreibung versucht, eine Wissenschaft zu sein, hört sie auf objektiv zu sein, und sobald sie versucht, objektiv zu sein, hört sie auf, eine Wissenschaft zu sein.“ Diese Einschätzung wird hier nicht geteilt, sie sei aber zur nicht ernstgemeinten Provokation befreundeter HistorikerInnen gleichwohl zitiert.
„Staatswissenschaften“ bildet dann den Oberbegriff für alle wissenschaftlichen Disziplinen, die sich mit dem Staat befassen.
Vgl. R. Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 16ff.
Überblick dazu bei A. Thiele, Der gefräßige Leviathan, S. 236ff.
Vgl. auch C. Starck, Allgemeine Staatslehre in Zeiten der Europäischen Union, in: ders. (Hrsg.), Woher kommt das Recht, S. 353 (358).
So etwa der Untertitel der Allgemeinen Staatslehre von Reinhard Zippelius, der allerdings nicht näher erläutert wird.
H.H. von Arnim, Ist Staatslehre möglich?, JZ 1989, 157 (157).
Siehe beispielhaft etwa A. Weber, Europäische Verfassungsvergleichung, 2010. Allerdings wird diese Entkontextualisierung und Fokussierung auf die (nationale) Dogmatik, die sich auch in der Zitierweise höchstrichterlicher Entscheidungen spiegelt, auch in der deutschen Rechtswissenschaft mittlerweile kritisch gesehen, vgl. O. Lepsius, Kontextualisierung als Aufgabe der Rechtswissenschaft, JZ 2019, 793ff. Darauf kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden.
R. Hirschl, Comparative Matters, 2014.
Ran Hirschl ist Politik- und kein Rechtswissenschaftler.
|11|III. Über einen bestimmten Staat hinausreichendes Erkenntnisinteresse
Reicht das interdisziplinäre Erkenntnisinteresse einer „Staatslehre“ über das Wesen und die Struktur eines einzelnen Staates hinaus, handelt es sich drittens um eine Allgemeine Staatslehre; soll hingegen das Wesen eines bestimmten Staates oder einer sehr kleinen Staatengruppe