Römische Geschichte. Livius Titus

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Römische Geschichte - Livius Titus


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der Schlacht mit Romulus zuerst den Göttern versprochen, nachher geheiligt und auf Geheiß der Vögel geweiht waren, die Zustimmung des Vogelfluges einzuholen. 3 Da sollen gleich bei dem angefangenen Bau dieses Werkes die Götter einen Wink gegeben haben, der auf das unerschütterliche Riesengebäude des so großen Reiches deuten sollte. Denn während die Vögel die Entweihung aller übrigen Kapellen genehmigten, versagten sie bei dem Heiligtum des (Grenzgottes) Terminus ihre Zustimmung. 4 Diese Vorbedeutung und Anzeige durch die Vögel wurde so aufgenommen: Die Unmöglichkeit, den Sitz des Terminus zu verrücken, und dass unter allen Göttern er allein sich aus den ihm geweihten Grenzen nicht habe wegrufen lassen, verkündige Festigkeit und Unerschütterlichkeit des Ganzen. 5 Diesem Wink für die bleibende Dauer folgte ein anderes Wunderzeichen, die Größe der Oberherrschaft zu verkündigen. Als sie den Boden zur Grundlegung des Tempels öffneten, soll ein Menschenkopf mit unversehrtem Antlitz zum Vorschein gekommen sein. 6 Die Erscheinung erklärte mit leicht zu enträtselnder Deutung diese Burg für den Sitz der künftigen Oberherrschaft und für das Haupt der Welt; und so verkündigten es auch die Wahrsager, sowohl die in Rom als auch die, die man, um sich über die Sache zu beraten, aus Etrurien berufen hatte.

      7 Dies machte dem König Mut, keine Kosten zu scheuen. Und so reichte die Beute von Pometia, die zur Vollendung des Werkes bis zum Gipfel bestimmt war, kaum zur Grundlegung aus. 8 Deshalb möchte ich dem Fabius eher glauben, der ohnehin der ältere Schriftsteller ist, dass es nur 40 Talente gewesen sind, 9 als dem Piso,19 nach dessen Angabe 40 000 Pfund Silber hierzu zurückgelegt wären, eine Geldsumme, die teils aus der Beute einer einzigen Stadt, damals wenigstens, sich nicht erwarten ließ, teils für die bloße Grundlage jedes noch so prächtigen Gebäudes, selbst der jetzigen, viel zu groß sein musste.

      (56) Um die Vollendung des Tempelbaues betreiben zu können, zu dem er aus allen Gegenden Etruriens Werkleute hatte kommen lassen, nahm er nicht allein die öffentlichen Gelder zur Hilfe, sondern auch Arbeiter aus dem Volk, wurde nun gleich diese ebenfalls nicht leichte Arbeit noch eine Zugabe zu den Beschwerden des Kriegsdienstes, so fand es doch der Bürger so drückend nicht, seine Hände zum Bau der Göttertempel herzugeben. Allein er wurde nachher auch bei anderen, minder ehrwürdigen, 2 aber noch weit mühsameren Bauarbeiten angestellt, die Sitzreihen nämlich im Zirkus anzulegen und den Großen Ableitungsgraben (Cloaca maxima), diesen Behälter aller aus der Stadt abzuführenden Unreinigkeiten, unter der Erde zu ziehen, zwei Werke, denen diese Pracht der neueren Zeit kaum ein Gegenstück geben konnte.

      3 Nachdem er den Bürgern mit solchen Arbeiten zur Genüge zu tun gegeben hatte, schickte er, teils damit die Volksmenge, wenn er sie nicht weiter gebrauchte, der Stadt nicht zur Last falle, teils um durch ausgesandte Siedler die Grenzen seiner Herrschaft zu erweitern, Kolonien nach Signia und Circei, die einst, jenes von der Landseite, dies von der See her, die Hauptstadt decken sollten.

      4 Bei diesen seinen Beschäftigungen ereignete es sich, dass vor einer furchtbaren Wundererscheinung, vor einer Schlange, die aus einer hölzernen Säule hervorschlüpfte, die erschrockenen Augenzeugen in die Königsburg flüchteten; und dies erschütterte den König lange nicht so sehr durch den plötzlichen Schrecken, als es ihn mit ängstlichen Besorgnissen erfüllte. 5 Da er also bei solchen Vorzeichen, die den Staat betrafen, gewöhnlich nur etruskische Wahrsager zu Rate zog, so beschloss er, über dieses als ein seinem Haus geltendes Vorzeichen das berühmteste Orakel auf Erden, das Delphische, zu befragen; 6 und weil er es für bedenklich hielt, die Antwort des Götterspruchs irgendeinem andern anzuvertrauen, so sandte er zwei seiner Söhne durch damals unbekannte Länder und noch unbekanntere Meere nach Griechenland.

      Titus und Arruns reisten dahin. 7 Als Begleiter wurde ihnen Lucius Junius Brutus mitgegeben, ein Schwestersohn des Königs, ein junger Mann von einem ganz andern Geist, als dessen Rolle zu spielen er sich auferlegt hatte, weil er gehört hatte, die Häupter des Staates, und unter ihnen auch sein Bruder, seien von seinem Onkel ums Leben gebracht, so wollte er weder in seiner Gesinnung dem König Anlass zur Furcht, noch in seinen äußeren Verhältnissen einen Gegenstand des Wunsches lassen und durch Geringschätzung sich sichern, wo das Recht keinen Schutz gewährte. 8 Vorsätzlich also spielte er den Dummen, gab sich und das Seine dem König zum Raub hin und ließ sich auch den Beinamen Brutus (der Dumme) gefallen, wenn nur jener Geist – demnächst des römischen Volkes Befreier – unter dem Deckmantel dieses Beinamens versteckt, seine Zeit abwarten könnte. 9 Wie ihn damals die beiden Tarquinier mehr zum Spott als zur Gesellschaft mit nach Delphi nahmen, soll er dem Apollo einen goldenen Stab, der in einen dazu ausgehöhlten Stab von Kornelholz eingeschlossen war, als Geschenk dargebracht haben, ein verstecktes Sinnbild seines Geistes.

      10 Als sie anlangten und die Aufträge des Vaters ausgerichtet hatten, kam sie die Lust an zu fragen, auf wen von ihnen die römische Regierung fallen werde. Tief aus der Höhle soll die Antwort erschollen sein: Die höchste Herrschaft zu Rom wird der haben, der zuerst von euch, ihr Jünglinge, seine Mutter küssen wird. 11 Die Tarquinier geboten das tiefste Schweigen über die Sache, damit Sextus, den sie zu Rom gelassen hatten, mit dem Orakel unbekannt, von der Regierung ausgeschlossen bliebe. Sie selbst überließen es dem Schicksal, wer von ihnen beiden, wenn sie nach Rom zurückgekommen wären, die Mutter zuerst küssen würde. 12 Brutus, nach dessen Auslegung der Spruch der Pythia einen ganz andern Sinn hatte, fiel zum Schein stolpernd nieder und küsste die Erde, die gemeinschaftliche Mutter aller Sterblichen. 13 Als sie nach Rom zurückkamen, rüstete man sich schon mit aller Macht zu einem Krieg gegen die Rutuler.

      (57) Den Rutulern gehörte die Stadt Ardea, einem Volk, das für jene Gegenden und Zeiten sehr großen Reichtum besaß; und gerade dies war dem römischen König ein Grund zum Krieg, weil er teils selbst, durch die öffentlichen Prachtgebäude erschöpft, sich bereichern, teils durch Zuwendung der Beute den Unwillen seiner Bürger besänftigen wollte, 2 die außer seiner sonstigen Härte auch deshalb gegen seine Regierung erbittert waren, weil sie es unter ihrer Würde hielten, so lange vom Könige als Werkleute und zu Sklavenarbeiten gebraucht zu sein.

      3 Man machte den Versuch, Ardea im ersten Sturm zu erobern. Als dies misslang, setzte man dem Feind durch Einschließung und Belagerungswerke zu. 4 Wie gewöhnlich wurde in einem mehr langwierigen als hitzigen Krieg leicht Urlaub bewilligt, jedoch noch eher den Vornehmeren als den Gemeinen. 5 Die jungen Prinzen verkürzten sich öfters die Langeweile durch gegenseitige Gastgebote und Nachtschwärmereien. 6 Einst zechten sie bei Sextus Tarquinius, wo auch Tarquinius von Collatia, des Egerius Sohn, zu Abend aß, und das Gespräch kam auf ihre Frauen. Jeder pries die seine außerordentlich; 7 der Streit wurde hitziger, und Collatinus sagte, der Worte bedürfe es nicht, in wenigen Stunden könne man sich davon überzeugen, wie weit seine Lucretia den übrigen vorzuziehen sei. Fühlen wir noch Jugendkraft in uns, warum steigen wir nicht zu Pferde und sehen mit eigenen Augen, was an unseren Frauen ist? Das sei für jeden das Bewährteste, was sich bei der unerwarteten Ankunft des Mannes darbietet. 8 Sie waren vom Wein erhitzt. Es gilt! riefen sie alle, und auf gespornten Rossen flogen sie nach Rom. Von hier, wo sie mit der ersten Abenddämmerung eingetroffen waren, ging es fort nach Collatia, 9 wo sie Lucretia ganz anders als die königlichen Schwiegertöchter, sich nicht durch üppige Gasterei im Kreis ihrer Gespielen die Zeit verkürzen, sondern in später Nacht bei ihrer Wollarbeit mit ihren noch bei Licht fleißigen Mägden in ihrem Wohnzimmer sitzen sahen. 10 Der Preis des weiblichen Wettstreits wurde Lucretia zuerkannt. Freundlich empfing sie den ankommenden Mann und die Tarquinier. Der Mann als Sieger bat die Prinzen höflich zu Gast.

      Da erwachte in Sextus Tarquinius die schnöde Lust, Lucretia gewaltsam zu entehren; ihre Schönheit und ihre anerkannte Keuschheit reizten ihn.

      11 Für jetzt aber kehrten sie von ihrer jugendlichen Nachtlust zurück ins Lager.

      (58) Nach Verlauf weniger Tage kam Sextus Tarquinius ohne Wissen des Collatinus, nur von einem Sklaven begleitet, nach Collatia. 2 Er wurde freundlich aufgenommen – wer kannte seinen Plan? Als er nach dem Abendessen in die Gaststube geführt wurde, ging er, sobald er es umher sicher und alle im tiefen Schlaf glaubte, von Liebe glühend, mit gezogenem Schwert zur schlafenden Lucretia, hielt sie, die linke Hand ihr auf die Brust gesetzt, nieder, und sprach: Still, Lucretia, ich bin Sextus Tarquinius, das Schwert habe ich in der Hand. Du bist des Todes, wenn du einen Laut von dir gibst. 3 Als die aus dem Schlaf Auffahrende nirgends Hilfe, nur den Tod vor Augen sah, bekannte Tarquinius seine Liebe, flehte, wechselte mit


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