Römische Geschichte. Livius Titus

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Römische Geschichte - Livius Titus


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sah, ließ er mit der Furcht die Schande zugleich wirken. Wenn er sie ermordet habe, sagte er, wolle er einen erwürgten Sklaven nackt zu ihr legen, damit es heißen solle, er habe sie in diesem schmutzigen Ehebruch getötet. 5 Als die Begierde, in ihrem Wahn Siegerin, den Widerstand der Tugend durch diese Drohung bezwungen hatte, und Tarquinius, stolz über seinen auf die weibliche Ehre gelungenen Sturm, wieder abgereist war, schickte Lucretia, voll tiefen Grams über ihr schweres Unglück, denselben Boten nach Rom an ihren Vater und nach Ardea an ihren Mann: Sie möchten jeder mit einem treuen Freund kommen. Dies sei nötig, sofort nötig; es habe sich ein schrecklicher Vorfall ereignet. 6 Spurius Lucretius kam mit Publius Valerius, dem Sohn des Volesus; Collatinus mit Lucius Junius Brutus, mit dem er gerade nach Rom zurückging, als ihm der Bote seiner Frau begegnete. Lucretia fanden sie tief betrübt in ihrem Schlafzimmer sitzen. 7 Bei der Ankunft der Ihrigen brach sie in Tränen aus, und als ihr Gatte sie fragte, ob nicht alles gut stehe, sprach sie: Durchaus nicht; wie kann es gut um eine Frau stehen, die ihre Ehre verloren hat? Die Spuren eines fremden Mannes sind in deinem Bett, Collatinus. Doch nur der Körper ist entweiht, die Seele ist rein: Das soll mein Tod bezeugen. Gebt mir aber eure Hand und euer Wort, dass der Ehebrecher nicht ungestraft bleiben soll. 8 Sextus Tarquinius ist es, der – statt eines Gastfreundes ein Feind – in voriger Nacht mit Gewalt und Waffen von hier einen Genuss mit sich nahm – mir zum Verderben, und, seid ihr Männer, ihr es ihm. 9 Alle gaben nach der Reihe ihr Wort. Sie trösteten die Tiefbetrübte, indem sie ihr, als einer Gezwungenen, alle Schuld abnahmen und sie dem Täter zusprachen. Der Geist, sagten sie, sei der Sündigende, nicht der Körper; und wo kein Wille gewesen sei, da sei auch keine Sträflichkeit. – 10 Ihr werdet dafür sorgen, erwiderte sie, dass ihm sein Recht geschehe. Ich aber, spreche ich mich gleich von der Sünde rein, entziehe mich der Strafe nicht, und keine nach mir soll auf Lucretia sich berufend bei Unkeuschheit das Leben behalten wollen. 11 Sie stieß sich den unter dem Kleid versteckt gehaltenen Dolch ins Herz, neigte sich nach der Wunde hin und fiel sterbend zur Erde. 12 Lautes Wehklagen erheben Gatte und Vater.

      (59) Während sie sich ihrem Schmerz überließen, hielt Brutus den von Blut triefenden Dolch, so wie er ihn aus Lucretias Wunde gezogen hatte, vor sich in die Höhe und sprach: Bei diesem vor dem königlichen Frevel heiligreinen Blut schwöre ich und nehme euch, ihr Götter, zu Zeugen, dass ich den Despoten Lucius Tarquinius mit seiner gottlosen Frau und allen Kindern seines Stammes mit Feuer und Schwert und aller hinfort mir möglichen Gewalt verfolgen und nicht leiden will, dass weder er noch sonst jemand über Rom König sei. 2 Dann reichte er den Dolch dem Collatinus und dann dem Lucretius und Valerius, die über die unerwartete Erscheinung staunten, wie aus dem Inneren eines Brutus ein neuer Geist hervorgehe. Sie schworen, wie er es ihnen vorsagte, und ganz aus ihrem Schmerz zur Rache umgestimmt, schlossen sie sich Brutus an, der gleich auf der Stelle sie zum Sturz des Königtums aufforderte. 3 Sie trugen die Leiche der Lucretia aus dem Haus, legten sie auf den Markt und brachten durch das Auffallende und Empörende der unerhörten Begebenheit die Menschen zusammen; und alle stimmten ein in die Klage über den königlichen Frevel und die Gewalttat. 4 Erschütternd war auf der einen Seite des Vaters tiefer Gram, auf der andern Brutus, der ihre Tränen und unnützen Klagen schalt und sie aufforderte, wie es Männern, wie es Römern gezieme, gegen die, die sich Feindestaten erlaubt hätten, die Waffen zu ergreifen. 5 Freiwillig erscheinen die beherztesten Jünglinge in Waffen; die übrige Jugend folgt ihnen. Sie ließen an den Toren von Collatia eine angemessene Besatzung, stellten Wachen auf, damit niemand die königliche Familie von dem Aufstand benachrichtigen könne, und die Übrigen zogen, von Brutus geführt, bewaffnet nach Rom. 6 Wie sie ankamen, erregte die bewaffnete Schar, wohin sie zog, Bestürzung und Auflauf. Doch ließ der Umstand, dass man die Ersten der Stadt an ihrer Spitze sah, vermuten, was es auch sei, es müsse von Bedeutung sein. 7 Und nun bewirkte die Abscheulichkeit der Tat zu Rom eine ebenso allgemeine Teilnahme wie vorher zu Collatia. Aus allen Gegenden der Stadt strömten die Menschen dem Markt zu. Hier fanden sie einen Herold, der das Volk vor den Obersten der Leibwache berief, welche Stelle gerade Brutus damals bekleidete. 8 Und er hielt vor ihnen eine Rede, aus welcher ganz andere Gesinnungen und ein ganz anderer Geist sprachen, als den er bis dahin geheuchelt hatte; von der Gewalttat und frechen Unzucht des Sextus Tarquinius, von der schändlichen Entehrung der Lucretia und ihrem beweinenswerten Tod; von der Kinderlosigkeit des (Lucretius) Tricipitinus, für den der Tod seiner Tochter nicht so empörend und schmerzhaft sein könne als diese Ursache ihres Todes. 9 Dann kam er auf den Despotismus des Königs selbst, auf das Elend und die Mühseligkeiten des zur Anlegung von Gräben und Kloaken missbrauchten Volkes. Die Männer Roms, die Besieger aller Völker umher, habe er aus Kriegern zu Handwerkern und Steinbrechern gemacht. 10 Er erinnerte an die traurige Ermordung des Königs Servius Tullius, an die Tochter, die auf ihrem verfluchten Wagen über des Vaters Leiche fuhr, und wandte sich auffordernd an die den Elternmord rächenden Gottheiten. 11 Seine erbitternden Beziehungen auf diese und andere, wie ich glaube, noch schrecklichere Dinge, die der Unwille über die vorliegende Tat an die Hand gibt, kann sie gleich der Geschichtsschreiber so leicht nicht wiedergeben, veranlassten das Volk zu dem Beschluss, dem König die Regierung abzusprechen und den Lucius Tarquinius mit seiner Gemahlin und seinen Kindern für Landesverwiesene zu erklären. 12 Nachdem er die Dienstfähigen, die sich freiwillig meldeten, eingestellt und bewaffnet hatte, zog er selbst mit ihnen zum Lager nach Ardea, um auch dort das Heer gegen den König aufzuwiegeln; den Oberbefehl in der Stadt ließ er dem Lucretius, der schon vorher vom König zum Statthalter in Rom ernannt war. 13 Während dieses Getümmels flüchtete Tullia aus dem Palast, verfolgt, wo sie durchkam, von den Flüchen der Männer und Frauen, welche die Göttinnen der Rache gegen die Familienmörderin aufriefen.20

      (60) Als die Nachricht von diesen Ereignissen im Lager einlief und der König, in Bestürzung über das unerwartete Ereignis, sich nach Rom aufmachte, um die Unruhen zu dämpfen, nahm Brutus, sobald er dessen Annäherung merkte, um ihm nicht zu begegnen, einen Seitenweg, und in entgegengesetzten Richtungen kamen sie fast zu gleicher Zeit, Brutus vor Ardea, Tarquinius vor Rom an. Tarquinius fand die Tore verschlossen, und seine Verbannung wurde ihm angekündigt; 2 den Befreier der Stadt empfing das Lager frohlockend; auch hier wurden des Königs Söhne vertrieben. Zwei folgten dem Vater und zogen als Verbannte nach Caere ins Etruskerland. Sextus Tarquinius, der sich nach Gabii, gleichsam wie in sein eigenes Königreich, begab, fand hier von der Rache derjenigen, deren Feindschaft er sich selbst durch seine früheren Mordtaten und Räubereien zugezogen hatte, seinen Tod.

      3 Lucius Tarquinius der Stolze hat 25 Jahre regiert. Könige waren in Rom von Erbauung der Stadt bis zu ihrer Befreiung seit 244 Jahren gewesen. 4 Nunwurden nach der schriftlichen Verordnung des Servius Tullius von dem Stadtpräfekten auf einer nach Zenturien angestellten Wahlversammlung zwei Konsuln gewählt, Lucius Junius Brutus und Lucius Tarquinius Collatinus.

      Zweites Buch

      Inhalt

      Brutus verpflichtet das Volk durch einen Eid, keinen König über Rom zu dulden. Seinen Mitkonsul Tarquinius Collatinus, den die Verwandtschaft mit den Tarquiniern verdächtig machte, nötigt er, sein Konsulat niederzulegen und die Stadt zu verlassen. Die Güter der königlichen Familie lässt er plündern. Dem Mars weiht er ihren Acker, welcher den Namen das Marsfeld bekommt. Er lässt einige junge Adlige, und unter ihnen auch seine und seiner Schwester Söhne, weil sie sich zur Wiederaufnahme der königlichen Familie verschworen hatten, enthaupten. Dem Sklaven, der die Anzeige machte und Vindicius hieß, schenkte er die Freiheit. Nach dem Namen desselben wurde die vindicta benannt. Als Feldherr in der Schlacht gegen den König und dessen Söhne, welche mit vereinigten Heeren der Vejenter und Tarquinier gegen Rom anrückten, fiel er zugleich mit Arruns, dem Sohn des Stolzen, im Zweikampf. Die Frauen betrauerten ihn ein ganzes Jahr. Der Konsul Publius Valerius führt durch ein Gesetz die Ansprache an das Volk ein. Das Capitolium wird eingeweiht. Als der König der Clusiner, Porsenna, der den Krieg für die Tarquinier übernahm, in das Janiculum vorgedrungen war, wurde er beim Übergang über den Tiber durch die Tapferkeit des Horatius Cocles gehindert. Dieser hält, während andere die Balkenbrücke abbrechen, ganz allein die Etrusker auf, und als die Brücke abgerissen war, stürzt er sich mit seinen Waffen in den Strom und schwimmt zu den Seinen hinüber. Das zweite Beispiel der Tapferkeit gab Mucius. Er geht, den Porsenna zu ermorden, ins feindliche Lager, tötet den Schreiber, den er für den König hält, wird ergriffen, legt seine Hand auf einen Altar, auf welchem


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