Römische Geschichte. Livius Titus

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Römische Geschichte - Livius Titus


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großer Dinge, vor der Versammlung auf. 6 Heute, ihr Quiriten, sprach er, mit dem anbrechenden Tageslicht schwebte Romulus, der Vater unserer Stadt, plötzlich vom Himmel herab und stand vor mir. Als ich, von Schauder und Ehrfurcht durchdrungen, dastand und ihn betend anflehte, es möge mir vergönnt sein, meinen Blick zu ihm zu erheben, sprach er: 7 ,Geh, verkündige den Römern, es sei der Himmlischen Wille, dass mein Rom das Oberhaupt des Erdkreises werde. Darum möchten sie sich der Kriegskunst weihen und der Überzeugung leben und sie auf ihre Nachkommen bringen, dass keine menschliche Macht den römischen Waffen widerstehen könne.7 So sprach er und verschwand in den Lüften!

      8 Es ist zu bewundern, wie viel Glauben der Mann mit dieser Erzählung fand, und wie sehr bei den Bürgern und dem Heer die Sehnsucht nach Romulus durch diese Beglaubigung seiner Gottheit gemildert wurde.

      (17) Die Väter setzte indes der Wettstreit um den Thron und der Wunsch, ihn zu besitzen, in Tätigkeit. Freilich gab es noch keine Parteien für einen Einzelnen, weil in einem neuen Volk keiner so sehr über die anderen hervorragte; nur die Stämme führten diesen Streit.

      2 Die von sabinischer Abkunft wollten einen König aus ihrer Mitte gewählt wissen, damit sie nicht Gefahr liefen, weil nach des Tatius Tod von ihrer Seite kein König gewesen war, selbst bei gleichen Bundesrechten die Besetzung des Throns zu verlieren. Die ursprünglichen Römer hatten eine Abneigung gegen jeden fremden König. 3 Bei so verschiedenen Gesinnungen wollten doch alle von einem König beherrscht sein, weil sie die Süßigkeit der Freiheit noch nicht gekostet hatten. 4 Endlich fingen die Väter an zu fürchten, es möchte bei der gereizten Stimmung der vielen umliegenden Städte irgendeine auswärtige Macht den Staat ohne Oberhaupt, das Heer ohne Führer, angreifen. Man wollte also ein Oberhaupt haben; und doch konnte keiner sich entschließen, dem andern nachzustehen. 5 Also einigten sich die hundert Väter dahingehend, dass sie sich in zehn Dekurien teilten und für jede Dekurie einen wählten, der dem Ganzen vorstehen sollte. 6 Es regierten also immer zehn; die Zeichen der höchsten Würde und die Beilträger (Liktoren) hatte einer. Auf fünf Tage war diese Regentschaft beschränkt und kam der Reihe nach an jeden; und diese Zwischenzeit ohne König dauerte ein ganzes Jahr, sie bekam den jetzt noch üblichen Namen Zwischenregierung von der Sache selbst her.

      7 Darauf murrten die Bürger: Ihre Sklaverei sei vervielfältigt; man habe ihnen statt eines hundert Herren gegeben. Und sie schienen keinen länger über sich dulden zu wollen, außer einen König, und zwar einen von ihnen selbst gewählten. 8 Als die Väter sahen, dass dies im Gang sei, machten sie sich, in der Überzeugung, dass sie das freiwillig anbieten müssten, was sie doch verloren haben würden, die Bürgerschaft noch dadurch verbindlich, dass sie ihnen die höchste Verfügung in der Sache überließen, ohne doch im Mindesten von ihren Rechten mehr wegzugeben, als sie selbst für sich behielten; 9 sie verordneten nämlich, dass, wenn das Volk einen König ernannt habe, dies alsdann gültig sein sollte, wenn die Väter es bestätigten. Und noch jetzt üben sie dieses Recht bei vorgeschlagenen Gesetzen und obrigkeitlichen Wahlen, wiewohl ihm alle Kraft genommen ist. Denn ehe noch das Volk zum Stimmengeben schreitet, geben die Väter auf den noch ungewissen Ausgang des Volkstages ihre Bestätigung schon im Voraus. Damals aber sprach der Zwischenkönig zu der von ihm berufenen Versammlung: 10 Glück, Heil und Segen zu eurem heutigen Werk, ihr Quiriten! Wählt einen König! So haben es die Väter für gut erachtet. Wählt ihr einen, der würdig ist, für den Zweiten nach Romulus zu gelten, dann werden die Väter ihn bestätigen. 11 Dies fand unter den Bürgern so großen Beifall, dass sie, um den Vätern im Beweis des Wohlwollens nicht nachzustehen, bloß auf den Beschluss und die Erklärung sich beschränkten: Der Senat solle durch seinen Beschluss Rom einen König geben.

      (18) Die Gerechtigkeit und Gottesfurcht des Numa Pompilius stand damals in großem Ansehen. Er wohnte in der sabinischen Stadt Cures und war in allen göttlichen und menschlichen Rechten so erfahren, wie es in jenem Zeitalter irgendjemand sein konnte. 2 Als seinen Lehrer gibt man, weil sich kein anderer findet, fälschlich den Samier Pythagoras an, von dem es doch gewiss ist, dass er mehr als hundert Jahre später als Zeitgenosse des römischen Königs Servius Tullius unten an Italiens Küste, etwa zu Metapontum, Heraklea und Kroton, Zulauf von jungen lernbegierigen Zuhörern gehabt habe. 3 Und gesetzt, er wäre Numas Zeitgenosse gewesen, wie hätte sein Ruf, der von jenen Gegenden bis zu den Sabinern hätte durchdringen müssen, oder vermittels welcher Sprache, jemanden bewegen können, sich aufzumachen, um von ihm zu lernen? Oder womit hätte dieser Einzelne sich schützen sollen, um durch so viele in Sprache und Sitten verschiedene Völker hierher zu gelangen? 4 Ich halte es für wahrscheinlicher, dass er sich aus eigener Stimmung der Leitung der Tugend hingegeben habe und nicht auch durch Wissenschaften des Auslandes gebildet worden sei, als in der düstern und strengen Zucht der alten Sabiner, eines Volkes, das ehemals zu den unverdorbensten gehörte. 5 Als die Väter den Numa nennen hörten, wagte es keiner von ihnen, obgleich die Sabiner ein Übergewicht zu bekommen schienen, wenn man den König aus ihnen nahm, weder sich noch einen andern seines Anhanges, oder sonst einen der Väter oder Mitbürger einem solchen Manne vorzuziehen. Einstimmig beschlossen sie, dem Numa Pompilius den Thron anzubieten. 6 Als man ihn nach Rom berufen hatte, ließ er, so wie Romulus bei Erbauung der Stadt durch den Vogelflug zur Regierung gelangt war, auch über sich die Götter befragen. Er wurde also von einem Seher (Augur, Beobachter des Vogelflugs), zu dessen Ehre man nachher das Augurenamt zu einem öffentlichen und bleibenden Priestertum erhob, auf die Burg geführt und setzte sich, gegen Mittag gewandt, auf einen Stein. 7 Der Vogelschauer setzte sich mit verhülltem Haupt ihm zur Linken, in der Rechten einen krummen Stab ohne Knoten; ein solcher Augurstab wurde Lituus (Seherstab) genannt. Er nahm die Aussicht über die Stadt und über das Feld, und wie er nach Anrufung der Götter die Himmelsgegenden von Morgen bis Abend bezeichnet hatte, nannte er Mittag die rechte, Mitternacht die linke Seite. 8 Als Grenze zwischen beiden steckte er in Gedanken ein Ziel, sich gegenüber, so weit seine Augen reichten. Darauf nahm er den Seherstab aus der rechten in die linke Hand, legte die Rechte auf Numas Haupt und betete so: 9 Vater Jupiter, wenn es dein heiliger Wille ist, dass dieser Numa Pompilius, dessen Haupt ich jetzt berühre, König von Rom werde, so wollest du uns untrügliche Zeichen innerhalb der Grenzen offenbaren, die ich bezeichnet habe. 10 Dann drückte er mit Worten die himmlischen Zeichen aus, die er gesendet haben wollte; und als sie erschienen waren, stieg Numa als erklärter König von dem heiligen Ort herab.

      (19) So auf den Thron erhoben, nahm er sich vor, an der neuen, durch Gewalt und Waffen begründeten Stadt durch einzuführende Rechte, Gesetze und Sitten ein zweiter Stifter zu werden. 2 Als er aber einsah, dass die im Waffendienst verwilderten bei ferneren Kriegen sich hieran nicht würden gewöhnen können, baute er ihnen, in der Überzeugung, den Trotz seines Volkes durch Entwöhnung von den Waffen besänftigen zu müssen, unten an der Gasse Argiletum einen Janustempel, als Merkmal des Friedens und Krieges. Geöffnet sollte er anzeigen, der Staat sei in Waffen, geschlossen, man habe mit allen umliegenden Völkern Frieden. 3 Zweimal ist er später seit Numas Regierung geschlossen gewesen; einmal, als unter dem Konsulat des Titus Manlius der erste Punische Krieg beendigt war, zum zweiten Mal – und dies zu erleben, hatten die Götter unserm Zeitalter vorbehalten – nach der Schlacht bei Actium durch den von Cäsar Augustus als Oberfeldherrn zu Lande und zu Wasser erworbenen Frieden.

      4 Als nun Numa, der sich die Freundschaft aller benachbarten Völker durch Bündnisse und Verträge gesichert hatte, diesen Tempel schloss, war für die Römer jede von außen zu befürchtende Gefahr beseitigt. Damit nun ihr Mut, welchen bisher Furcht vor den Feinden und Kriegszucht in Ordnung gehalten hatte, sich dieser Ruhe nicht überheben möchte, ließ er es seine erste Sorge sein, ihnen Furcht vor den Göttern einzuflößen, ein Mittel, das auf eine unerfahrene und in jenen Zeiten noch rohe Menge die kräftigste Wirkung haben musste. 5 Weil sie aber ohne Erdichtung irgendeines Wunders keine Wurzel in den Gemütern fassen würde, gab er vor, er habe nächtliche Zusammenkünfte mit der Göttin Egeria; von ihr beraten, könne er die gottesdienstlichen Einrichtungen so treffen, wie sie den Göttern am angenehmsten wären, und für jede Gottheit die geeignetsten Priester anstellen.

      6 Auch teilte er gleich anfangs das Jahr nach dem Lauf des Mondes in zwölf Monate; und weil der Mond keinen vollen Monat von dreißig Tagen gibt, sein Jahr also gegen ein volles Jahr, dessen Ablauf sich nach der Sonnenbahn richtet, in einem Rückstand von mehreren Tagen bleibt, so glich er diesen durch eingeschobene Schaltmonate aus, so dass jedes Mal nach 24 Jahren


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