Römische Geschichte. Livius Titus
Читать онлайн книгу.Und bei der vielen Nachfrage, wem sie diese zuführten, riefen sie, damit sich keiner an ihr vergriffe, zu wiederholten Malen: Dem Talassius! und dadurch sei dies Wort der hochzeitliche Zuruf geworden.6
13 Traurig ergriffen die Eltern der Mädchen nach dieser schreckenvollen Unterbrechung des Schauspiels die Flucht, klagten laut über die Verletzung der Gastfreundschaft und riefen zu dem Gott um Rache, zu dessen Fest und Spielen erheuchelte Gottesfeier und Redlichkeit sie gelockt habe.
14 Auch bei den Geraubten waren die Aussichten nicht froher, der Unmut nicht kleiner. Aber Romulus ging selbst in die Häuser und belehrte sie: An dieser Tat sei bloß der Übermut ihrer Väter schuld, die das Recht gegenseitiger Ehen Nachbarn verweigert hätten. Gleichwohl sollten sie rechtmäßige Gattinnen, sollten Mitgenossinnen des gesamten Vermögens, des Bürgerrechtes, ja des Liebsten, was Menschen hätten, der künftigen Kinder sein. 15 Sie möchten ihren Zorn besänftigen und denen, welchen die Fügung ihren Leib gegeben hätte, auch ihre Herzen geben. Schon oft habe eine Beleidigung Freundschaft zur Folge gehabt: Und sie würden um so viel bessere Männer haben, weil jeder von seiner Seite sich bemühen werde, nach allen Beweisen der Liebe, die sich von ihm als Gatten erwarten ließen, ihnen auch für Eltern und Vaterland Ersatz zu geben. 16 Dazu kamen die Liebkosungen der Männer, welche ihrer Tat Leidenschaft und Liebe zu Fürsprecherinnen gaben, eine bittende Entschuldigung, die ihre Wirkung auf das weibliche Herz nicht leicht verfehlt.
(10) Schon hatten die Entführten sich bedeutend beruhigt. Aber gerade jetzt war der Zeitpunkt, in welchem die Eltern am dringendsten durch ihren Aufzug in Trauerkleidern, durch Tränen und Klagen ihre Mitbürger aufregten. Auch beschränkten sie die Ausbrüche ihres Unwillens nicht bloß auf ihre Heimat, sie strömten sogar von allen Orten zu Titus Tatius, dem König der Sabiner; und bei ihm – denn des Tatius Name stand in der ganzen Gegend in hoher Achtung – trafen ihre Gesandtschaften zusammen.
2 Zu den Beleidigten gehörten auch die Caeniner, Crustuminer und Antemnaten. Nach ihrer Meinung verfuhren Tatius und die Sabiner viel zu langsam. Also vereinten sich nur diese drei Völker zur gemeinschaftlichen Führung des Krieges. 3 Ja den eifrigen und erbitterten Caeninern waren auch die Crustuminer und Antemnaten nicht rührig genug. Aus eigener Kraft unternahmen sie den Einfall ins römische Gebiet. 4 Sie hatten sich auf Plünderungen zerstreut, als Romulus mit seinem Heer ihnen begegnete und in einem unbedeutenden Gefecht die Nichtigkeit eines ohnmächtigen Zornes bewies. Er schlug ihr Heer in die Flucht, verfolgte die Fliehenden, erlegte im Treffen ihren König, zog ihm die Rüstung ab, und nach dem Tod des Anführers eroberte er ihre Stadt beim ersten Angriff.
5 Der Held, den seine Taten verherrlichten, der aber auch mit diesen Taten zu glänzen verstand, zog bei seiner Rückkehr mit dem siegreichen Heer, die erbeuteten Waffen des erlegten feindlichen Heerführers an einer eigens dazu verfertigten Tragstange emporhaltend, auf das Kapitol. Hier legte er sie bei der den Hirten heiligen Eiche nieder, bestimmte zugleich mit diesem Geschenk dem Jupiter einen Platz zum Tempel und betete den Gott unter einem neuen Zunamen an. 6 Jupiter Feretrius (Darbringejupiter), sprach er, dir bringe ich, König Romulus, diese königlichen Waffen als Sieger dar, und weihe dir auf dem Bezirk, den ich jetzt in Gedanken abmaß, einen Tempel, zum Sitz der Fürstenbeute (spolia opima), welche die Nachkommen nach Erlegung feindlicher Könige und Heerführer meiner Stiftung zufolge dir darbringen werden. 7 Dies ist der Ursprung des ersten zu Rom geweihten Tempels. Durch die Vorsorge der Götter blieb die Verheißung des Erbauers, dass hier seine Nachkommen solche Beute darbringen würden, nicht unerfüllt; aber die Ehre dieser Darbringung sollte zugleich nicht durch die Menge derer, die sie erstreben möchten, gemein werden. Nur zweimal wurde später, im Laufe so vieler Jahre, in so vielen Kriegen, eine Fürstenbeute errungen. So selten war das Glück dieser Ehre.
(11) Während die Römer hier beschäftigt waren, benutzte ein Heer der Antemnaten die Gelegenheit, die römischen Grenzen unbesetzt zu finden, zu einem feindlichen Einfall. Schnell wurde das römische Heer auch gegen sie geführt und überfiel sie, wie sie auf dem Lande herumschweiften. 2 Beim ersten Angriff und Feldgeschrei waren die Feinde geschlagen. Ihre Stadt wurde erobert. Bei seiner Einzugsfeier nach diesem Doppelsieg bat den Romulus seine Gemahlin Hersilia, gerührt durch das Flehen der Geraubten, er möge ihren Eltern verzeihen und sie in die Stadt aufnehmen. Diese Vereinigung werde den Staat durch ein neues Band befestigen. Gern gewährte er die Bitte 3 und zog nun gegen die anrückenden Crustuminer. Hier war noch weniger Widerstand: Die Niederlagen der anderen hatten sie mutlos gemacht. 4 Nach beiden Orten wurden Ansiedler geschickt; doch meldeten sich mehrere wegen der Fruchtbarkeit des Bodens zum Crustuminischen. Auch zogen von dort viele nach Rom, namentlich die Eltern und Verwandten der Geraubten.
5 Zuletzt griffen auch die Sabiner zu den Waffen; und dieser Krieg war bei Weitem der bedeutendste. Sie ließen sich von keinem Zorn, keiner Übereilung leiten und zeigten den Krieg nicht eher, als bis sie losbrachen; ja sie nahmen bei ihrer Kaltblütigkeit die List zu Hilfe. 6 An der Spitze der Besatzung auf der römischen Burg stand Spurius Tarpeius. Seine unverheiratete Tochter wurde, als sie eben außerhalb der Mauer Wasser zum Opfer holen wollte, durch das Gold des Tatius gewonnen, Bewaffnete in die Burg einzulassen. 7 Die Eingelassenen töteten sie durch die Last der auf sie geworfenen Schilde, entweder, um sich den Schein zu geben, als hätten sie die Burg erstürmt, oder in diesem Beispiel die Lehre aufzustellen, dass ein Verräter nie auf Treue rechnen dürfe. 8 Man fügt der Sage bei, weil die Sabiner meistens schwere goldene Armbänder und herrliche Ringe mit Edelsteinen am linken Arm getragen hätten, habe sich die Römerin ausbedungen, was sie an der linken Hand trügen, und deshalb hätten jene statt der goldenen Geschenke ihre Schilde auf sie geworfen. 9 Andere meinen, sie habe laut der Zusage, ihr zu geben, was sie an der Linken hätten, geradezu diese Waffen verlangt, und weil man dies für eine List gehalten, durch den von ihr selbst bestimmten Lohn ihren Tod gefunden.
(12) Genug, die Sabiner blieben im Besitz der Burg und zogen, als tags darauf das römische Heer in Schlachtordnung die ganze Fläche zwischen dem Palatinischen und Kapitolinischen Hügel ausfüllte, nicht eher in die Ebene, als bis die Römer, von Zorn und Begierde angetrieben, die Burg wiederzugewinnen, gegen sie anrückten. 2 Auf beiden Seiten feuerten Männer von Rang die Kämpfenden an; die Sabiner Mettius Curtius, die Römer Hostius Hostilius. Dieser, an der Spitze des Heeres, hielt die Sache Roms auf ungünstigem Kampfboden durch Mut und Unerschrockenheit aufrecht. 3 Als aber Hostius fiel, verlor sogleich die römische Linie ihre Haltung und wurde bis zum alten Tor des Palatinus zurückgeworfen. Auch Romulus wurde vom Strudel der Fliehenden mit fortgerissen. Da hob er die Waffen zum Himmel und sprach: 4 Jupiter, von dir waren die Vögel gesandt, die mich hier auf dem Palatium den ersten Grund zu einer Stadt legen hießen. Schon ist die Burg, durch Frevel erkauft, in der Sabiner Gewalt, von dort stürzen sie – die Waffen in der Hand, das dazwischenliegende Tal schon im Rücken – hierher. 5 Du aber, Vater der Götter und Menschen, hier wenigstens halte den Feind ab; nimm meinen Römern den Schrecken und hemme die schimpfliche Flucht. 6 Hier gelobe ich dir, als Jupiter Stator (Standgeber) einen Tempel, der Nachwelt ein Denkmal, dass deine Hilfe die Stadt gerettet hat.
7 So betete er. Und gleich als hätte er die Zusage der Erfüllung gehört, rief er aus: Auf dieser Stelle, ihr Römer, heißt uns der allmächtige Jupiter standhalten und den Kampf erneuern. Und die Römer hielten stand, wie von himmlischer Stimme aufgefordert. Romulus selbst eilt vor in die vorderste Reihe.
8 Mettius Curtius war, den Sabinern voran, von der Burg herabgejagt und hatte die geschlagenen Römer auf dem ganzen Platz, so groß das Forum ist, vor sich hergetrieben. Jetzt war er schon nahe am Tor des Palatin und rief: Wir haben sie besiegt, die treulosen Gastfreunde, die feigen Feinde. Schon kennen sie den Unterschied zwischen Mädchenraub und Männerkampf! 9 So frohlockte er noch, als Romulus mit einer geschlossenen Schar seiner kühnsten Krieger auf ihn eindrang. Mettius focht vom Pferde herab, umso leichter war er vom Platz zu treiben. Die Römer verfolgten ihn. Auch das übrige römische Heer, von der Tapferkeit seines Königs begeistert, brachte die Sabiner zum Weichen. 10 Mettius setzte mit seinem Pferd, das vom Geschrei seiner Verfolger scheu geworden war, in einen Sumpf, ein Vorfall, der die Aufmerksamkeit auch der Sabiner, bei der Gefahr eines so großen Mannes, hierher zog. Doch er arbeitete sich, da ihm die Seinigen zuriefen und ermunterten, und der Beweis der Liebe von so vielen seine Kraft erhöhte, glücklich heraus. Römer und Sabiner erneuerten in dem Tal zwischen den beiden Bergen den Kampf; das