Carl Maria von Weber in seiner Zeit. Christoph Schwandt

Читать онлайн книгу.

Carl Maria von Weber in seiner Zeit - Christoph  Schwandt


Скачать книгу
Variante.)

      Im gleichen Konzert trat der Dresdner Johann Friedrich Kaufmann mit seinem Harmonichord auf. Auch für ihn und sein kurioses Instrument hatte Weber, ganz nebenbei, etwas geschrieben, nämlich ein Adagio und Rondo mit Begleitung des Orchesters. Das von Kaufmann und seinem Vater ersonnene Harmonichord war einer der vielen Versuche, ein »Sostenente piano« zu konstruieren, das einen andauernden Klavierton, statt des nur einmal angeschlagenen erzeugen sollte. Bei den Kaufmanns geschah dies durch einen rotierenden Zylinder, gegen den die Saiten gedrückt wurden.

      Schon bald nahm Weber auch das zweite vom Hof für Baermann bestellte Konzert in Angriff. Hier steht auch der dritte Satz in der Haupttonart Es-Dur; er ist eine Art Weiterentwicklung des erfolgreichen Finales des ersten Konzerts, eine reizvoll synkopierte Polonaise im Dreivierteltakt. Die drei orchesterbegleiteten Stücke für Baermann entstanden in unmittelbarem zeitlichen Kontext, gleichwohl bekam das Concertino wegen seiner früheren Drucklegung die Opuszahl 26, während die beiden Konzerte Nr. 73 und 74 wurden. Das Jähns-Verzeichnis rückte sie später als Nr. 109, 114 und 118 wieder zusammen. Da hatten sie schon die – abgesehen von demjenigen Mozarts – zu Jahrhundertbeginn wichtigsten Klarinettenkonzerte von Carl Stamitz, Krommer und Franz Anton Hoffmeister in den Hintergrund gedrängt.

image

      Johann Nepomuk Freiherr von Poißl (1783-1865)

      Das einst verehrte Fräulein von Arnhard, dem er damals die Douze allemandes widmete, hatte er bereits im April wiedergetroffen, nun war es aber mit einem Freiherrn von Maderny verheiratet. An Gottfried schreibt er am 3. Juli 1811: »Zur Abwechslung will ich dir auch erzählen, daß es mir an Liebes Geschichten auch nicht fehlt, es sind wirklich einige intereßante Bekanntschaften die ich gemacht habe, aber im Grunde langweilen sie mich doch alle, denn dieses ewige Einerley von – Böse werden, um sich wieder zu versöhnen. pp pp rührt mich nicht, inzwischen laße ich mich freundlich davon unterhalten. und denke mein Theil.« Sein Tagebuch zeugt von häufigen Treffen mit einer »alten Liebe« namens Elise und einer wohl neueren, Maximiliane. Dazu kommen noch einige andere. »Ein einziges Haus habe ich,« schreibt er weiter nach Mannheim, »in dem es mir recht wohl ist, und das ist bey dem bekannten Geh: Rath Wiebeking. Seine Tochter ist meine Schülerinn, mit vielem Genie und großem Fleiße, so daß ich recht viele Freude an ihr habe, und die Mutter ist eine höchst liebenswürdige gebildete Frau.«156 Wiebekings Bekanntschaft hatte Weber in den beiden Münchner Kulturvereinen gemacht. Auch hier gab es ein »Museum« für die Männer und eine »Harmonie«, bei der auch Frauen dabei sein durften. Das Haus Carl Friedrich von Wiebekings war sicherlich eines der interessantesten im München dieser Tage. Als Generaldirektor des Wasser-, Brücken- und Straßenbauwesens leistete Wiebeking im Auftrag des Ministers Graf von Montgelas einen wesentlichen Beitrag zur Entstehung des modernen Bayerns. »Alle Thürme weg pp«157 hatte Weber nach seiner Ankunft über das veränderte Stadtbild Münchens notiert. Als er im Herbst 1798 zum ersten Mal dort gewesen war, war die Stadt noch mittelalterlich geprägt.

      Die Anerkennung, die Weber in München erfuhr, machte ihn selbstbewusster und anspruchsvoller, auch finanziell – nicht zuletzt wegen seiner Schulden. Er hatte gehört, dass man in Wiesbaden für das neu installierte ständige Theater einen Musikdirektor suchte, und dem Intendanten Wilhelm Heilwig von Ungern-Sternberg wohl ziemlich ehrerbietig seine Dienste angetragen, indem er als »den schönsten Lohn des Künstlers, – die Zufriedenheit seines Fürsten«158 gepriesen hatte. Doch dann heißt es in einem Brief an Meyer Beer, der immer noch in Darmstadt war, dass Ungern-Sternberg ihm nur tausend Gulden jährlich biete: »Und dafür gehe ich nicht in das Nest«159. An Gottfried schreibt er, dass er reichlich Urlaub und den Titel eines Großherzoglichen Kapellmeisters verlangt habe. Wiesbaden war ein Kurort von nicht gerade herausragender Bedeutung, einen Großherzog gab es dort gar nicht. (Ja nicht einmal ein Schloss – nur im nahen Biebrich am Rhein, wo der alte Herzog von Nassau-Usingen wohnte.) Schließlich bewarb sich Fridolin von Weber erfolgreich um die Stelle. Er akzeptierte das Salär, das Carl Maria trotz guter Worte des Intendanten entschieden zu niedrig war. Unter 1600 Gulden per annum wollte er nicht an ein Kurtheater im Aufbaustadium gehen.

      Franz Danzi kam im Sommer 1811 auf einen längeren Besuch in die Stadt seines früheren Wirkens und machte mit seinem Bruder Anton, der nun Bratscher in der Hofkapelle war, Weber, Baermann und seinem – und Voglers – Schüler Johann Nepomuk von Poißl einen Ausflug an den Starnberger (damals noch »Starhemberger«) See, wo sie »4 höchst vergnügte Tage«160 hatten. Damals war man von München im Wagen etwa fünf Stunden dorthin unterwegs, sodass sich der Ausflug bloß für eine Maß Bier und eine Bootspartie kaum gelohnt hätte. Poißl, 28 Jahre alt, war ein echter Freiherr und auch auf einem niederbayrischen Schloss geboren. Er hatte schon zwei deutsche Opern nach italienischem Vorbild komponiert, die am Münchner Hoftheater erfolgreich aufgeführt worden waren: die heitere Opernprobe, für die Danzi ihm ein italienisches Libretto eingerichtet hatte, und Antigonus nach einem von Poißl selbst adaptierten Metastasio-Text. Die Männer blieben nicht unter sich; gleichwohl schaffte Weber es, noch am See das zweite Klarinettenkonzert fertigzustellen. Er schlief aber sehr schlecht, »weil wir den Weibern unsere Betten gaben.«161 Mit einer ersten Aufführung des zweiten großen Konzerts für Baermann sollte es jedoch noch dauern.

image

      Jacob Herz Beer (1769-1825)

      Auf lange Sicht konnte Weber nicht in München bleiben. Geld war nur vor neuem Publikum, das heißt, anderswo zu verdienen. Zwar spielte Baermann in einem Hofkonzert aufs Neue und unter königlichem Beifall das f-Moll-Konzert, und die Königin machte ihm gewisse Hoffnung auf eine mögliche Anstellung, als der König und sie ihn am 6. August empfingen. Aber Weber wollte in die Schweiz, wo in Schaffhausen ein großes Musikfest stattfinden sollte.

      Gedankenlos oder schlecht beraten wählte er den für ihn ungünstigsten Reiseweg. Hätte er bei Lindau (Bayern) über den Konstanzer See, wie der Bodensee damals genannt wurde, gesetzt, wäre wohl nichts passiert. Er hätte auch bis zum vorarlbergischen Feldkirch auf bayrischem Territorium bleiben können, denn bis dorthin war seit 1808 der Rhein Bayerns Westgrenze zur Schweiz. Stattdessen fuhr er schnurstracks den üblichen Postweg nach Ravensburg, ohne zu bedenken, dass die Stadt nach einem Gebietstausch im Vorjahr zum Königreich Württemberg gehörte. Die Ravensburger Vertreter der Stuttgarter Obrigkeit machten denn auch Schwierigkeiten. Zufällig war ein Beamter in der Grenzstadt, der den Fall und die Person Webers kannte, und sie hielten ihn am 11. August 1811 bei der Einreise fest. Er musste in einem Wirtshaus absteigen und warten, weil man seine Papiere zur Prüfung und Stellungnahme nach Stuttgart schickte. Von dort kam die Order, den unerwünschten Reisenden auf seinem geplanten Wege schnellstmöglich wieder aus dem Lande zu befördern. Dass sie bereits nach drei Tagen in Ravensburg eintraf, legt nahe, dass der Vorgang nicht mit der gewöhnlichen Dienstpost im Kutschentempo bearbeitet, sondern per königlichem Kurier zu Pferde in die Hauptstadt geschickt worden war. So wurde Weber nun nach Meersburg geleitet, und am Abend des 15. August 1811 war er auf der anderen Seite des Sees, in Konstanz, wieder auf ungefährlichem, badischen Territorium. Jetzt brauchte er nur noch über den Seerhein, da gab es eine Brücke, und er war in der Schweiz. Im Kanton Thurgau der Eidgenossenschaft, die mittlerweile fast wieder so hergestellt war, wie vor Napoleons Versuch, aus der Schweiz eine zentralistische Helvetische Republik zu machen. Es hatte eine Art Restauration gegeben, Adel und Klerus hatten alte Rechte wiederbekommen. Allerdings hatten die Franzosen 1810 das Wallis annektiert.

      Webers erste Schweizer Station war Schloss Wolfsberg bei Ermatingen, wo der Baron von Högger lebte. Er war Bankier und Kaufmann. Schweizer, aber in Amsterdam geboren, von schwedischem Adel, aber auch in München tätig. Carl Maria hatte ihn schon in Baden-Baden kurz getroffen, sicherlich von Franz Danzi arrangiert, für den der Baron in dessen Münchner Zeit sogar Operntexte geschrieben hatte. Höggers Töchter waren in Frankreich zur Welt gekommen, wo er in Abbeville den niederländischen Handel vertreten hatte und deshalb auch als Jean Jacques d’Hogguer und davon irrtümlich


Скачать книгу

<p>156</p>

Brief an Gottfried Weber, 3. Juli 1811.

<p>157</p>

Tagebuch, 14. März 1811.

<p>158</p>

19. Juli 1811.

<p>159</p>

12. August 1811.

<p>160</p>

Ebd.

<p>161</p>

Tagebuch, 17. Juli 1811.