Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.beim Einbruche der Nacht die Blumenmädchen besucht habe, bis zum grauenden Morgen bei Stephanion geblieben und dann auf die Straße getreten sei. Kaum hatte er die Hausthür geschlossen, als er von mehreren jungen Leuten angegriffen wurde, die ihm aller Wahrscheinlichkeit nach aufgelauert hatten. Mit Einem von ihnen, welcher sich Stephanion’s Bräutigam nannte, war er schon am Morgen in Streit gerathen. Die Dirne hatte den lästigen Bewerber von ihren Blumen fortgewiesen und Zopyrus gedankt, als er den Aufdringlichen mit Schlägen bedrohte. Sobald sich der Achämenide überfallen sah, zog er sein Schwert und schlug die nur mit Stöcken bewaffneten Angreifer leicht zurück, hatte aber das Unglück, den Eifersüchtigen, welcher ungestüm auf ihn eindrang, so schwer zu verwunden, daß er niedersank. Indessen war die Schaarwache herbeigekommen und wollte Zopyrus, dessen Opfer kläglich »Mörder und Räuber« schrie, festnehmen; dieser aber zeigte sich keineswegs gewillt, seine Freiheit so leichten Kaufes hinzugeben. Angestachelt von der ihn umgebenden Gefahr, stürzte der kampflustige Perser mit erhobenem Schwerte auf die Häscher los und hatte sich schon Bahn durch sie gebrochen, als eine zweite Wache herbeikam und ihn, vereint mit der ersten, angriff. Wieder schwang er sein Schwert, das diesmal den Schädel eines Aegypters spaltete. Ein zweiter Schlag verwundete einen Soldaten am Arme; als er aber zum dritten Hiebe ausholte, fühlte er plötzlich, wie sich eine Schlinge um seinen Hals legte und sich fester und fester zusammenzog. Schnell verging ihm Besinnung und Athem. Als er wieder zu sich kam, war er gebunden und mußte, trotz seines Passes und seiner Berufung auf Theopompus, den Häschern folgen.
Nachdem er seine Erzählung beendet hatte, gab der Milesier dem Jüngling seine Mißbilligung zu erkennen und versicherte ihn, daß seine unzeitige Kampflust die traurigsten Folgen haben könnte. Darauf wandte er sich noch einmal an den Hauptmann und bat ihn, seine Bürgschaft für den Gefangenen anzunehmen; dieser aber wies jede Vermittlung ernst zurück und versicherte, daß er sein eigenes Leben durch Nachsicht gegen den Mörder verwirken werde; galt doch in Ägypten ein Gesetz, das selbst den Hehler eines Mordes mit der Todesstrafe bedrohte508. Er müsse, so versicherte der Hauptmann, den Verbrecher sofort nach Sais bringen und dort dem Nomarchen509 zur Bestrafung überantworten. »Er hat,« so schloß er seine Rede, »einen Aegypter gemordet und muß darum von einem ägyptischen Obergerichte verurtheilt werden. In jedem andern Falle steh’ ich Dir gern zu Diensten.«
Während dieser Rede sprach Zopyrus mit den Freunden und bat sie, unbesorgt um ihn zu sein. »Ich schwöre euch beim Mithra,« rief er aus, als Bartja ihm versprechen wollte, sich zu erkennen zu geben, um seine Freiheit zu erwirken, »daß ich mir ohne Besinnen mein Schwert in’s Herz stoße, wenn ihr euch um meinetwillen diesen ägyptischen Hunden in die Hand gebt. Schon ist das Gerücht von dem nahenden Kriege in der ganzen Stadt verbreitet. Sobald Psamtik erfährt, was für kostbare Vögel in seinem Garn sitzen, wird er sich nicht lange besinnen und das Netz zuschlagen510, um euch als Geiseln zu behalten. Auramazda schenke euch Heil und Segen und Reinheit! Lebt wohl, ihre Freunde, und denkt manchmal des heiteren Zopyrus, der für Kampf und Liebe gelebt hat und für Liebe und Kampf in den Tod geht!« –
Der Hauptmann hatte sich unterdessen wieder an die Spitze des Zuges gestellt und seinen Leuten den Befehl zum Aufbruche gegeben.
Wenige Minuten später war Zopyrus den Freunden entschwunden.
Fünftes Kapitel
Nach dem ägyptischen Gesetze mußte Zopyrus zum Tode verurtheilt werden.
Sobald die Freunde dies erfahren hatten, stand ihr Entschluß fest, sogleich nach Sais zu reisen und dort zu versuchen, den Gefangenen mit List zu befreien. Syloson, welcher in der Residenz bekannt und der ägyptischen Sprache mächtig war, bot sich freiwillig an, ihnen hülfreiche Hand zu leisten.
Durch Färbung der Haare und Augenbrauen, sowie durch breitkrämpige Filzhüte511 selbst für Freunde unkenntlich, und von Theopompus mit ganz einfachen hellenischen Anzügen ausgestattet, trafen Bartja und Darius mit dem reichgekleideten Syloson, eine Stunde nach der Verhaftung des Zopyrus, am Nilufer zusammen, bestiegen ein dem neuen Freunde gehörendes und von dessen Sklaven gerudertes Boot und langten nach kurzer, vom Winde begünstigter Fahrt, ehe das Tagesgestirn die Mittagshöhe erreicht hatte, zu Sais an, welches, einer Insel gleich, aus den überschwemmten Fluren hervortauchte.
An einer entlegenen Stelle stiegen sie aus und kamen zunächst in das Viertel der Handwerker, die, trotz der großen Mittagshitze, ihre Hantirungen fleißig verrichteten.
In dem offenen Hofe eines Bäckerhauses sah man Gesellen, die den groben Teig mit den Füßen, den feinen mit den Händen kneteten. Brode in allen Gestalten wurden aus den Oefen gezogen, kreisrunde und ovale Backwerke, Semmeln in Gestalt von Schafen, Schnecken und Herzen in Körbe gelegt. Flinke Bursche stellten drei, vier und fünf derselben auf ihre Köpfe, und trugen sie rasch und sicher zu den in anderen Stadttheilen wohnenden Kunden512. Ein Fleischermeister schlachtete vor seinem Hause einen Ochsen, dessen Beine zusammengeknebelt waren, während seine Gesellen ihre Messer an Schleifsteinen schärften, um die Glieder einer wilden Ziege zu zerlegen513. Lustige Schuster514 riefen aus ihren Buden die Vorbeieilenden an, und Zimmerleute, Schneider, Tischler und Weber515 waren in voller Arbeit.
Handwerkerfrauen traten; mit nackten Kindern an der Hand, aus den Häusern, um Einkäufe zu besorgen, während einige Soldaten sich dem Wein- und Bierschenker, der seine berauschende Waare516 an offener Straße feilhielt, näherten.
Unsere Freunde bemerkten nur wenig von diesem Treiben und folgten schweigend dem Syloson, der sie bei der Wache der hellenischen Söldner ersuchte, auf ihn zu warten.
Der Samier kannte zufälligerweise den dienstthuenden Taxiarchen und erkundigte sich bei ihm, ob er von einem Mörder gehört habe, der von Naukratis nach Sais gebracht worden sei.
»Freilich!« rief der Hellene, »vor kaum einer halben Stunde ist er hier eingetroffen. Man fand an seinem Gürtel einen vollen Beutel und hält ihn für einen persischen Spion. Du weißt doch, daß Kambyses gegen Ägypten rüstet?«
»Es ist nicht möglich!«
»Ganz gewiß! Der Pharao ist auch schon unterrichtet. Arabische Kaufleute, deren Karawane gestern in Pelusium eintraf, brachten diese Nachricht mit.«
»Die ebenso falsch sein wird, wie der Verdacht gegen den Lyder. Den kenne ich recht gut und beklage den armen Jungen. Er stammt aus einem der reichsten Häuser von Sardes, ist aber von dort entflohen, weil er einen Streit mit dem persischen Satrapen Oroetes hatte und von dessen allmächtiger Feindschaft verfolgt wurde. Ich will Dir die ganze Geschichte ausführlich erzählen, wenn Du mich nächstens zu Naukratis besuchst. Natürlich bleibst Du einige Tage in meinem Hause und bringst mehrere Freunde mit. Mein Bruder hat mir einen Wein von Samos geschickt, der Alles übertrifft, was Du jemals gekostet hast. Nur einer feinen Zunge, wie der Deinen, gönne ich diesen Göttertrank!«
Das Angesicht des Taxiarchen verklärte sich, während er, Syloson’s Hand ergreifend, ausrief: »Beim Hunde517, Freund, wir werden nicht auf uns warten lassen und Deinen Schläuchen hart zusetzen! Wie wär’s, wenn Du Archidice518, die drei Blumenschwestern und ein paar Flötenspielerinnen zum Imbiß