Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.ihr, daß sie eine Braut verschließt; seht ihr einen Oelzweig an einem Hause hängen, so ward in demselben ein Knabe geboren; erblickt ihr dagegen eine wollene Binde über der Pforte, so hat ein Mägdlein hinter ihr die Welt erblickt. Ein Gefäß mit Wasser vor der Thür bedeutet, daß ihr einem Sterbehause nahe seid502. Doch die Stunde des Marktes naht, meine Freunde! Ich muß euch verlassen, denn mich rufen wichtige Geschäfte.«
»Ich begleite Dich,« rief Zopyrus, »und bestelle Kränze für das Haus der Sappho.«
»Ahaha!« lachte der Milesier. »Du sehnst Dich nach den Blumenmädchen! O, Dein Leugnen hilft Dir nichts! Wenn Du wünschest, so kannst Du mich immerhin begleiten; ich bitte Dich aber, weniger freigebig zu sein als gestern, und Dich an Deine Verkleidung, die leicht gefährlich werden könnte, wenn sichere Nachrichten von dem drohenden Kriege eintreffen sollten, zu erinnern!«
Der Hellene ließ sich von einem Sklaven die Sandalen an die Füße binden und begab sich in Begleitung des Zopyrus auf den Markt, um wenige Stunden später heimzukehren. Wichtige Dinge mußten sich zugetragen haben, denn der sonst so heitere Mann schien außergewöhnlich ernst, als er zu den zurückgebliebenen Freunden trat.
»Ich fand die ganze Stadt in großer Aufregung,« begann er zu erzählen, »denn ein Gerücht verkündete, Amasis sei tödtlich erkrankt. Als wir nun eben, um Geschäfte abzuschließen, auf der Börse503 beisammen standen, und ich im Begriff war, durch den schnellen Verkauf all’ meiner hoch im Preise stehenden Vorräthe große Summen zu sammeln, die ich, wenn durch die sichere Aussicht auf einen großen Krieg der Werth der Waaren gefallen sein wird, zum Ankauf neuer Handelsgüter anzuwenden gedachte (die frühere Kenntniß von den Rüstungen Deines erhabenen Bruders kann mir großen Nutzen bringen), erschien der Doparch in unserer Mitte und brachte die Nachricht, daß Amasis nicht nur erkrankt sei, sondern, von allen Aerzten aufgegeben, seine letzte Stunde erwarte. Jeden Augenblick müssen wir auf das Ableben des Königs und auf ernste Wendungen der Dinge gefaßt sein. Der Tod dieses Monarchen ist der schwerste Verlust, welcher uns Hellenen treffen kann, denn er war uns stets mit Freundschaft zugethan und begünstigte uns, wo er konnte, während sein Sohn, ein erklärter Griechenfeind, Alles aufbieten wird, um uns womöglich aus Aegypten zu verdrängen. Naukratis mit unseren Tempeln haßt er. Hätte sein Vater ihn nicht verhindert, und bedürfte er nicht der hellenischen Söldner nothwendig, so würde er uns, die verabscheuten Fremden, schon lange aus seinem Reiche vertrieben haben. Wenn Amasis todt ist, so wird ganz Naukratis den Heeren des Kambyses entgegenjubeln; wissen wir doch von meiner Heimath her, daß ihr auch Nichtperser zu ehren und in ihren Rechten zu schützen pflegt.«
»Ich werde dafür sorgen,« sagte Bartja, »daß mein Bruder all’ eure alten Freiheiten bestätigt und ihnen neue hinzufügt.«
»Möge er schnell in Aegypten eindringen!« rief der Hellene. »Wir wissen, daß uns Psamtik, sobald er nur irgend kann, befehlen wird, unsere Tempel, die ihm ein Greuel sind, niederzureißen; der Bau einer hellenischen Opferstätte zu Memphis ist schon längst verboten worden.«
»Hier aber,« sagte Darius, »haben wir stattliche Tempel gesehen, als wir vom Hafen kamen.«
»Wir besitzen deren mehrere504. Doch da kommt Zopyrus mit meinen Sklaven, die ihm einen Wald von Kränzen nachtragen. Er lacht mit dem ganzen Gesichte und muß sich mit den Blumenmädchen außerordentlich gut unterhalten haben. Fröhlichen Morgen, Freund! Dich scheint die trübe Botschaft, welche Naukratis erfüllt, nicht eben zu bekümmern!«
»Ich gönne dem Amasis noch hundert Jahre!« rief Zopyrus. »Aber man wird, wenn er stirbt, mehr zu thun bekommen, als auf uns Acht zu haben. Wann werdet ihr zu Rhodopis fahren, ihr Freunde?«
»Sobald es dunkelt.«
»Dann bietet der edlen Frau diese Blumen, als Geschenk von mir! Ich dachte nie, daß eine Greisin mich so bezaubern könnte! Jedes ihrer Worte klingt wie Musik, und ob es auch ernst und weise ist, schmeichelt es sich doch wie ein Scherz in unser Ohr. Ich mag Dich diesmal nicht begleiten, Bartja, denn ich würde Dich doch nur stören! Was hast Du beschlossen, Darius?«
»Ich möchte kein Gespräch mit Rhodopis versäumen.«
»Das verdenke ich Dir nicht! Du mußt eben Alles wissen und erlernen, während ich bestrebt bin, Alles zu genießen! Wollt ihr mir auf heut’ Abend Urlaub geben, ihr Freunde? Seht einmal . . .«
»Ich weiß Alles!« unterbrach Bartja lachend den leichtfertigen Jüngling. »Du hast die Blumenmädchen bis jetzt nur bei Tage gesehen und möchtest nun auch wissen, wie sie sich beim Lampenlicht ausnehmen.«
»So ist’s!« rief Zopyrus, ein ernstes Gesicht machend. »In dieser Beziehung bin ich wißbegierig wie Darius.«
»So wünschen wir Dir viel Vergnügen bei den drei Schwestern! –«
»Nicht doch; – nur bei Stephanion, der jüngsten!«
Als Bartja, Darius und Theopompus das Haus der Rhodopis verließen, graute schon der Morgen. Ein edler Hellene, Syloson505, der Bruder des Polykrates, welcher durch den Tyrannen aus seiner Heimath vertrieben worden war, hatte den Abend mit ihnen getheilt und kehrte jetzt in ihrer Gesellschaft nach Naukratis, wo selbst er seit mehreren Jahren wohnte, zurück.
Dieser Mann, den sein Bruder zwar verbannt hielt, dennoch aber reichlich mit Geld versorgte, führte das glänzendste Haus in Naukratis und war ebenso berühmt wegen seiner verschwenderischen Gastlichkeit, als wegen seiner Kraft und Gewandtheit. Außerdem zeichnete sich Syloson durch Schönheit und Kleiderpracht ganz besonders aus. Alle Jünglinge von Naukratis rechneten es sich zur Ehre, den Schnitt und Faltenwurf seiner Gewänder nachzuahmen. Unabhängig und unbeschäftigt wie er war, brachte er viele Abende im Hause der Rhodopis zu, welche ihn zu ihren besten Freunden zählte und ihn auch in das Geheimniß ihrer Enkelin eingeweiht hatte.
An jenem Abende war bestimmt worden, die Hochzeit solle in vier Tagen still und heimlich begangen werden. Bartja hatte den Quittenapfel bereits mit seiner Geliebten, welche dem Zeus, der Hera und den anderen Schutzgöttern der Ehe am selben Tage Opfer darbrachte506, verzehrt und sich durch diese Ceremonie förmlich mit ihr verlobt. Syloson übernahm es jetzt, für Sänger des Hymenäus und Fackelträger zu sorgen. Der Hochzeitsschmaus sollte im Hause des Theopompus, als dem des Bräutigams507, zugerichtet werden. Die kostbaren Brautgeschenke des Königssohnes waren der Greisin bereits übergeben worden, während Bartja das bedeutende väterliche Erbtheil seiner Geliebten ausschlug und auf Rhodopis, die sich es anzunehmen hartnäckig weigerte, übertrug.
Syloson begleitete die Freunde bis zum Hause des Theopompus und wollte sich eben von ihnen verschieden, als sich lauter Lärm in den nächtlich stillen Straßen vernehmen ließ, und bald darauf eine ägyptische Schaarwache, die einen gebundenen Mann in’s Gefängniß abführte, herbeikam. Der Verhaftete schien sehr erzürnt zu sein und wurde um so heftiger, je weniger die Schaarwächter auf sein gebrochenes Griechisch und seine in einer ihnen unbekannten Sprache ausgestoßenen Flüche achteten.
Kaum hatten Bartja und Darius die Stimme des Gefangenen vernommen, als sie auf ihn zueilten und Zopyrus in ihm erkannten.
Syloson und Theopompus hielten die Schaarwache augenblicklich an und fragten ihren Befehlshaber, was der Gefangene verbrochen habe. Der Beamte, welcher, wie jedes Kind zu Naukratis, den Milesier und den Bruder des Polykrates kannte, verneigte sich vor ihnen und erzählte, daß von dem fremden Jünglinge ein Mord begangen worden wäre.
Theopompus nahm nun den Hauptmann bei Seite und machte ihm große Versprechungen, wenn er den Gefangenen freilassen würde, konnte aber von dem Aegypter nichts weiter erlangen, als die Erlaubniß, seinen Gast sprechen zu dürfen.
Als