Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.Boot, bald ein gefräßig’ böses Krokodil an uns, den Sterblichen, vorüberführt!«
»Jetzt sitzen wir in jenem Wonnekahn! O hielte doch in diesem Augenblick der Strom der Zeit die schnellen Fluthen auf, o wär’ es immerwährend so wie jetzt! – Du holdes Mädchen, wie Du klüglich sprichst, wie Du die schönen Lehren wohl begreifst und sie noch anmuthsvoller wiedergibst. Ja, meine Sappho, ich bin stolz auf Dich! In Deiner Tugend hab’ ich einen Schatz, der mich viel reicher macht, als meinen Herrn und Bruder, dem die halbe Welt gehört!«
»Du, stolz auf mich, Du hoher Fürstensohn, der Schönste, Beste Deines ganzen Stammes?!«
»Ich finde keinen höhern Werth in mir, als den, daß Du mich Deiner würdig hältst!«
»Ihr großen Götter, sagt, wie kann dies kleine Herz solch’ eine Fülle höchster Seligkeit ertragen, ohne, einer Vase gleich, die man mit schwerem Golde überfüllt, gesprengt zu werden.«
»Weil ein anderes Herz, das meine, Deine Last zu tragen hilft, weil Deine Seele meine unterstützt. Mit dieser Hülfe spotte ich der Welt und aller Leiden, die die Nacht gebiert.«
»O reize nicht den Neid, den Zorn der Götter, die oft das Glück der Sterblichen verdrießt. Wir haben, seit Du in die Ferne zogst, gar manchen thränenreichen Tag verlebt. Des guten Phanes armes Kinderpaar, ein Knabe, schön wie Eros, eine Maid, so hold und rosig wie ein Wölkchen, das, vom Morgenroth beleuchtet, freundlich strahlt, verlebten manchen Tag in unserem Haus. Großmutter ward von neuem froh und jung, wenn sie die lieben, frischen Kleinen sah; ich aber schenkte ihnen all’ mein Herz, obgleich es Dir ja ganz allein gehört. Doch wundervoll geartet ist solch’ Herz, das, gleich, der Sonne, Vielen Strahlen schenkt, und doch nicht ärmer wird an Licht und Glanz und Keinem vorenthält, was ihm gebührt. Ich liebte Phanes Kinder, ach, so sehr! – An einem Abend saßen wir allein mit Theopompus in dem Frauensaal, als an der Thüre wilder Lärm erklang. Der alte Knakias, unser treuer Sklave, kam just zur Pforte, als der Riegel sprang und eine Schaar von Kriegern durch die Flur in’s Peristyl, die Andronitis und von dort, die Mittelthür zerschlagend, zu uns drang. Großmutter zeigte ihnen jenen Brief, durch den Amasis unser Haus zur unantastbar sichern Zuflucht macht. Sie lachten aber spöttisch jener Schrift und zeigten ein besiegelt’ Dokument, in dem der Kronprinz Psamtik streng befahl, des Phanes Kinder jener rohen Schaar sofort zu übergeben. Theopomp verwies den Kriegern ihre rauhe Art und sagte, jene Kinder, die bei uns zu Gaste wären, seien aus Korinth und hätten mit dem Phanes nichts zu thun. Der Hauptmann der Soldaten aber bot dem edlen Manne nichts als Hohn und Trotz, stieß die besorgte Ahne frech zurück, drang mit Gewalt in ihren Thalamus, wo, neben allen Schätzen bester Art, die sie besitzt, zu Häupten ihrer eignen Lagerstatt die beiden Kleinen friedlich schlummerten, riß sie gewaltsam aus dem Bettchen fort und führte sie, – auf einem offenen Kahn, zu kalter Nachtzeit, – in die Königsstadt. Nach wen’gen Wochen war der Knabe todt. Man sagte, Psamtik hab’ ihn umgebracht. Das holde Mägdlein schmachtet heute noch in eines finstern Kerkers ödem Raum und weint nach ihrem Vater und nach uns. O, mein Geliebter, sprich, ist es nicht hart, daß sich auch in das allerreinste Glück ein Unheil schleichen muß? Die Wonnezähre hier in diesem Blick vereint sich jetzt schon mit dem Schmerzensnaß, und dieser Mund, der eben noch gelacht, wird jetzt zum Herold eines tiefen Leids.«
»Ich fühle Deine Schmerzen nach, mein Kind; doch härm’ ich mich nicht nur gleich Dir, dem Weib’. Was Dich zu nichts als warmen Thränen zwingt, das ballt zum Faustschlag meine Männerhand. Der holde Knabe, der Dir theuer war, das Mägdlein, das im öden Kerker weint, soll bald gerochen werden. Traue mir! Bevor der Nil zum zweiten Male schwillt, dringt ein gewalt’ges Heer in dieses Land und wird Vergeltung fordern für den Mord!«
»O liebster Mann, wie Deine Augen glühen! So schön, so herrlich sah ich Dich noch nie! Ja, ja, der Knabe muß gerochen sein, und Niemand darf ihn rächen außer Dir!«
»Mein sanftes Mädchen wird zur Kriegerin!«
»Auch Weibern ziemet Kampf, wo Unrecht lacht, auch Weiber freuen sich, wenn das Laster fällt! Doch sage, habt ihr schon den Krieg erklärt?«
»Noch nicht, doch zieht schon heute Schaar auf Schaar zum Euphratthale fort und eint sich dort mit unserem großen Heer.«
»Jetzt sinkt mir schon der schnell entflammte Muth. Ich zittre vor dem bloßen Worte ›Krieg‹. Wie viele Mütter macht er kinderlos, wie vielen Weibern sinkt, wenn Ares tobt, der Witwenschleier auf das schöne Haupt, wie viele Betten werden naß geweint, wenn Pallas ihre grause Aegis schwingt!«
»Wie aber wächst der Mann im wilden Streit, wie weitet sich sein Herz, wie schwillt sein Arm! Wie jubelt ihr, wenn der geliebte Held mit Ruhm bedeckt als Sieger heimwärts kehrt! Ein Perserweib muß sich der Schlachten freuen; denn ihres Gatten Leben ist ihr lieb, doch lieber noch ist ihr sein Heldenruhm!«
»Zieh’ in den Kampf, Dich schirmet mein Gebet!«
»Und der gerechten Sache wird der Sieg! Erst schlagen wir das Heer des Pharao, – dann wird des Phanes Töchterlein befreit . . .«
»Und dann der brave Aristomachus, der des entflohenen Phanes Platz bekam. Er ist verschwunden, niemand weiß, wohin. Doch sagte man, der Kronprinz habe ihn, weil er der Kinder wegen ihn bedroht, in eines Kerkers finstere Nacht gebannt; wenn er ihn nicht, – was schlimmer wäre, als der schlimmste Tod, – in einen fernen Steinbruch schleppen ließ. Der arme Alte war vom Heimathland durch böse Feinde sonder Schuld verbannt. Am selben Tage, der ihn uns entzog, kam eine Botschaft vom Spartanervolk am Nile an, um Aristomachus, durch dessen Söhne Sparta hohen Ruhm gewonnen hatte, zum Eurotasstrom mit allen Ehren, welche Hellas kennt, zurückzurufen. Ein bekränztes Schiff erwartete den vielgepries’nen Greis, und, als der Führer der Gesandten, kam sein eigner ruhmgekrönter, starker Sohn.«
»Ich kannte jenen eisenharten Mann, der sich verstümmelte, um einer Schmach, die seiner Ehre drohte, zu entgehen. Wir rächen ihn, beim Anahita Stern501, der dort im Osten zitternd untergeht.«
»O, mein Geliebter, ist es schon so spät? Mir ist die Zeit vergangen wie ein Hauch, der unsere Stirnen küsset und entflieht. Hörst Du nicht rufen? Ja, man harret auf uns! Vor Tagesanbruch sollt ihr in der Stadt im Hause eures edlen Gastfreundes sein. Leb’ wohl, mein Held!«
»Geliebte, lebe wohl! Und in fünf Tagen tönt der Hochzeitssang. Du zitterst ja, als ging es in den Krieg!«
»Ich bebe vor der Größe unseres Glücks, wie man vor allem Ungeheuren bebt!«
»Rhodopis ruft schon wieder: laß’ uns gehen! Ich habe Theopomp gebeten, mit der Greisin, wie es Brauch, sich zu bereden, wann und wie und wo die Hochzeitsfeier zu begehen sei. Ich bleibe unerkannt in seinem Haus, bis daß ich Dich als mein geliebtes Weib mit mir entführe.«
»Und ich folge Dir!«
Als die Jünglinge am nächsten Morgen im Garten des Theopompus mit ihrem Gastfreunde lustwandelten, rief Zopyrus: »Ich habe diese ganze Nacht von nichts als Deiner Sappho geträumt, Du glücklicher Bartja. Solch’ ein Wesen ist noch niemals geschaffen worden. Wenn Araspes sie gesehen haben wird, so muß er mir zugeben, daß Panthea übertroffen worden sei! Meine neue Frau in Sardes, die ich für Wunder wie schön hielt, kommt mir jetzt wie eine Nachteule vor! Auramazda ist ein Verschwender! Mit Sappho’s Reizen hätte er drei Schönheiten ausstatten können! Und wie köstlich es klang, als sie uns auf Persisch ›gute Nacht‹ wünschte.«
»Sie hat während meiner Abwesenheit,« erwiederte Bartja, »die Sprache unserer Heimath von einer Susianerin, der Gattin eines babylonischen Teppichhändlers, welche zu Naukratis wohnt, zu erlernen versucht und überraschte mich mit diesem mühsam erworbenen Geschenke.«
»Sie ist ein herrliches Mädchen!« rief der Großhändler. »Meine verstorbene Gattin liebte die Kleine wie ihr eigenes Kind und hätte sie gern mit unserem Sohne, der den Geschäften meines Hauses zu Milet vorsteht, verheirathet; doch die Götter haben es anders gewollt! Meine Abgeschiedene würde sich freuen, wenn sie die Hochzeitskränze am Hause der Rhodopis sehen könnte!«
»Es ist also Sitte bei euch,