.
Читать онлайн книгу.aus ihren Händen auf die Steinplatten des Prozessionsweges, dicht vor Bartja’s Füße, nieder. Der Jüngling fühlte, daß er erkannt sei und bedachte einen Augenblick, ob er sich nicht hinter seine Nachbarn verbergen sollte; aber nur einen Augenblick dauerte dies Zaudern, denn schon hatte der ritterliche Sinn des jungen Helden jede Besorgnis überwunden. Schnell wie der Gedanke warf er sich auf das Sistrum und hielt es, nicht achtend der Gefahr, erkannt zu werden, der kranken Königstochter hin.
Tachot blickte ihn, ehe sie seine Hände von dem goldenen Funde befreite, fragend an; dann lispelte sie, nur ihm verständlich: »Bist Du Bartja? Bei Deiner Mutter frage ich Dich, bist Du Bartja?«
»Ich bin es,« gab er eben so leise zurück, » Bartja, Dein Freund!«
Mehr konnte er nicht sagen, denn schon drängten ihn die Tempeldiener unter das übrige Volk zurück. Als er wieder auf seinem Platze stand, bemerkte er, daß sich Tachot, deren Träger dem Zuge von neuem zu folgen begannen, noch einmal nach ihm umschaute. Ihre Wangen hatten sich wiederum geröthet und ihre leuchtenden Augen suchten die seinen. Er wich dem Blicke der Kranken nicht aus, bückte sich abermals, um eine Lotusknospe, die sie vor ihm niederwarf, aufzuheben, und brach sich gewaltsam durch die Menge Bahn, deren Aufmerksamkeit er durch seine rasche That erweckt hatte.
Eine Viertelstunde später saß er in einem Nachen, der ihn zu Sappho, der ihn zur Hochzeit führen sollte. Seine Besorgniß um Zopyrus war verschwunden; er hielt ihn schon für gerettet. In seinem Herzen wohnte, trotz der ihn bedrohenden Gefahren, eine wunderbare Zufriedenheit, er wußte selbst nicht, warum.
Indessen war die kranke Königstochter heimgekehrt, hatte sich des festlichen Schmuckes, der sie beengte, entkleiden und mit ihrem Ruhebette auf einen Altan des Schlosses tragen lassen, woselbst sie während der heißen Sommertage, von Blattpflanzen525 und einem zeltartigen Tuche überschattet, am liebsten verweilte.
Sie konnte von dort aus den großen, mit Bäumen bepflanzten Vorhof des Schlosses überschauen, welcher heut’ von Priestern und Höflingen, sowie von Befehlshabern des Heeres und der Nomen wimmelte. Aengstliche Spannung malte sich in allen Gesichtern, denn die Todesstunde des Amasis rückte immer näher heran.
Tachot vernahm mit fieberhaft gespanntem Gehör, ohne selbst bemerkt zu werden, Vieles von dem, was unter ihr gesprochen und verhandelt wurde.
Jetzt, wo man den Verlust des Königs zu befürchten hatte, waren Alle, selbst die Priester, seines Lobes voll. Da hörte man die Weisheit und Kühnheit seiner neuen Schöpfungen, die Umsicht seiner Regierungsmaßregeln, die Unermüdlichkeit seines Fleißes, die Mäßigung, welche er stets gezeigt hatte, und die Schärfe seines Witzes preisen. »Wie hat sich der Wohlstand Aegyptens unter seinem Scepter gehoben!« sagte ein Nomarch. »Welchen Ruhm brachte er unsern Waffen durch die Eroberung von Cypern und den Krieg mit den Libyern!« rief ein Kriegsoberster. »Wie glänzend schmückte er unsere Tempel, wie hoch wußte er die Göttin von Sais zu ehren!« fügte ein Sänger der Neith hinzu. »Wie herablassend und gnädig er war!« murmelte ein Höfling. »Wie geschickt wußte er Frieden mit den mächtigsten Staaten zu erhalten!« sagte der Oberste der Schreiber, während der Schatzmeister, eine Thräne aus dem Auge wischend, ausrief: »Und wie weise hielt er mit den Einkünften des Landes Haus! Seit Ramses III. waren die Kammern des Schatzhauses nicht so gefüllt als heute526!« – »Psamtik hat eine große Erbschaft zu erwarten,« lispele der Höfling, während der Krieger ausrief: »Doch wird er sie wohl schwerlich zu ruhmreichen Kriegen verwenden; der Thronerbe ordnet sich ganz dem Willen der Priester unter.« – »Du irrst,« erwiederte der Sänger; »seit geraumer Zeit scheint unser Herr die Rathschläge seiner treuesten Diener zu verschmähen!« – – »Nach solchem Vater,« rief der Nomarch, »ist es schwer, sich allgemeine Anerkennung zu erwerben. Nicht Jedem ward der hohe Geist, das Glück und die Weisheit eines Amasis zu Theil!« – »Das wissen die Götter!« murmelte der Krieger.
Tachot hörte all’ diese Worte und ließ ihren Thränen freien Lauf. Was man ihr bis jetzt verschwiegen hatte, bestätigte sich: sie sollte bald ihren geliebten Vater verlieren.
Nachdem sie sich diese schreckliche Gewißheit klar zu machen versucht und ihre Dienerinnen vergeblich gebeten hatte, sie an’s Bett des Kranken zu tragen, wandte sie ihr Ohr von den Gesprächen der Höflinge ab und schaute, als suchte sie dort einen Trost, auf das Sistrum, welches Bartja in ihre Hand gegeben, und das sie mit sich auf den Altan genommen hatte. – Und sie fand, was sie suchte, denn es war ihr, als würde sie von dem Klange der goldenen Ringe des heiligen Instrumentes dieser Welt entrückt und in eine lachende Sonnenlandschaft versetzt.
Jene der Ohnmacht gleichende Mattigkeit, welche die Schwindsüchtigen oftmals überkommt, hatte sie ergriffen und schmückte ihre letzten Stunden mit lieblichen Träumen.
Die Sklavinnen, welche mit Fächern und Wedeln die Fliegen aus der Nähe der Schläferin scheuchten, versicherten später, Tachot niemals so schön und lieblich gesehen zu haben wie damals.
Eine Stunde mochte sie so gelegen haben, als ihre Athemzüge tief und röchelnd wurden, ein leiser Husten ihre Brust erhob, und lichtes Blut von ihren Lippen auf ihr weißes Gewand herniederrieselte. Jetzt erwachte die Schläferin und blickte verwundert und enttäuscht auf die Anwesenden. Als sie ihre Mutter Ladice bemerkte, welche in diesem Augenblicke den Altan betrat, lächelte sie wiederum und sagte: »O Mutter, wie süß hab’ ich geträumt!«
»So ist meinem theuren Kinde der Gang in den Tempel wohl bekommen?« fragte die Königin, welche die Blutstropfen auf den Lippen der Kranken bebend wahrnahm.
»Ach, Mutter, sehr gut! Ich habe ihn ja wiedergesehen!«
Ladice blickte die Dienerinnen ihrer Tochter ängstlich an, als wollte sie fragen: »Hat auch der Geist eurer armen Herrin gelitten?« Tachot bemerkte diesen Blick und sagte mit fieberhafter Lebendigkeit. »Du glaubst, daß ich irre rede, Mutter? Ich habe ihn aber ganz gewiß nicht nur gesehen, sondern auch gesprochen. Er gab mir das Sistrum in die Hand und sagte, er sei mein Freund. Dann nahm er meine Lotusknospe auf und verschwand im Gedränge. Sieh’ mich nicht so bekümmert und staunend an, Mutter; ich rede die volle Wahrheit und habe nicht etwa geträumt. – Da hörst Du’s, Tent-rut hat ihn auch bemerkt! Er ist ganz gewiß um meinetwillen nach Sais gekommen, und das Kinderorakel im Vorhofe des Tempels hat mich doch nicht betrogen! Jetzt fühl’ ich auch gar nichts mehr von meiner Krankheit, und mir hat geträumt, ich läge in einem blühenden Mohnfelde, so roth wie das frische Blut der jungen Opferlämmer, und Bartja säße an meiner Seite, und Nitetis kniete neben uns und spielte wunderbare Lieder auf einer Nabla527 von Elfenbein. Und auch in der Luft hat es geklungen, daß mir um’s Herz wurde, als küsse mich Horus, der liebe Gott des Morgens, des Lenzes, der Auferstehung. Ja, ich sage Dir, Mutter, daß er bald kommen wird, und wenn ich gesund bin, dann – dann – o weh! – Mutter, ich sterbe!
Ladice kniete vor dem Lager ihrer Tochter nieder und drückte heiße Küsse auf die gebrochenen Augen der Jungfrau.
Eine Stunde später stand sie an einem anderen Lager, dem Sterbebette ihres Mannes.
Die Züge des Königs waren entstellt von schweren Leiden; kalter Schweiß bedeckte seine Stirn und seine Hände klammerten sich an die goldenen Löwen528, welche die Seitenlehnen des tiefen Krankenstuhls, in dem er ruhte, bildeten.
Als Ladice in das Zimmer trat, öffnete er seine Augen, die noch immer, trotz ihrer einstigen Blindheit, scharf und geistsprühend glänzten.
»Warum bringst Du Tachot nicht zu mir?« fragte er mit trockener Stimme.
»Sie ist zu krank und leidend, als daß –«
»Sie ist todt! Ihr ist wohl, denn der Tod ist keine Strafe, sondern das letzte Ziel des Lebens, – das einzige Ziel, das wir ohne Mühe, aber, die Götter wissen es, unter wie vielen Leiden, erreichen. Ra führt sie heim in seiner Barke mit seinen Getreuen und Osiris wird