Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.Deinem Begehr! Die schönste Gastlichkeit ist diejenige, welche den Gästen die vollste Freiheit gewährt. O, jetzt erkenne ich auch Deine Freunde wieder! Aber diese haben sich ebenfalls sehr verändert und,. gleich Dir, die Locken gestutzt. Ja, ich möchte behaupten, daß Du, mein Freund, dessen Name . . .«
»Ich heiße Darius.«
»Daß Du, Darius, Deine Haare schwarz gefärbt hast. Ja? Ihr seht, daß mein Gedächtniß mich nicht betrügt. Uebrigens darf ich mich dessen nicht allzuhoch rühmen; hab’ ich euch doch mehrmals zu Sais und auch hier, als ihr ankamet und abreistet, gesehen! Du fragst, o Königssohn, ob euch die anderen nicht erkennen würden? Gewiß nicht! Die fremde Tracht, die kurzen Haare und die Färbung eurer Augenbrauen verändern euch wunderbar. Aber verzeiht einen Augenblick! Mein alter Schließer winkt und scheint eine wichtige Nachricht zu bringen.«
Wenige Minuten später kehrte Theopompus zurück und rief: »Ei, ei, meine Werthen! So darf man nicht zu Naukratis auftreten, wenn man unerkannt zu bleiben wünscht! Ihr habt mit den Blumenmädchen getändelt und sie für ein paar Rosen nicht wie entflohene lydische Hekatontarchen, sondern wie große Herren, die ihr eben seid, bezahlt! Ganz Naukratis kennt die schönen, leichtsinnigen Schwestern Stephanion, Chloris und Irene, die mit ihren Kränzen manches junge Herz bestrickt und mit ihren süßen Blicken manchen blanken Obolus497 aus dem Säckel unserer leichtblütigen Söhne gelockt haben! Bei den Blumenmädchen halten sich die Herrlein zur Zeit des Marktes am liebsten auf, und was dort verhandelt wird, das pflegt in stiller Nacht mit mehr als einem Goldstücke bezahlt zu werden. Für ein freundliches Wort und ein paar Rosen ist man aber weniger freigebig, als ihr! Die Mädchen haben sich mit euren Geschenken gebrüstet und ihren kargeren Bewerbern die glänzenden Goldstücke gezeigt. Das Gerücht ist eine Göttin, welche arg zu übertreiben und aus der Eidechse ein Krokodil zu machen pflegt. So kam denn dem ägyptischen Hauptmanne, der, seitdem Psamtik regiert, den Markt bewacht, die Nachricht zu Ohren, drei eben angekommene lydische Krieger hätten Gold unter die Kranzwinderinnen ausgestreut. Das erregte Verdacht und veranlaßte den Toparchen498, einen Beamten hierher zu schicken, der sich nach eurer Herkunft und dem Zwecke eurer Reise nach Aegypten erkundigen soll. Da habe ich denn eine List gebrauchen und dem Kundschafter etwas weismachen müssen. Ich handelte nach eurem Willen und gab euch für reiche Jünglinge von Sardes aus, die dem Grolle des Satrapen entflohen sind . . . Aber da kommt der Beamte mit dem Schreiber, der euch einen Paß ausstellen wird, damit ihr unangefochten am Nile verbleiben könnt. Ich habe ihm eine reiche Belohnung versprochen, wenn er euch zum Eintritt in die Söldnerschaar des Königs behülflich sein will. Er ist in die Falle gegangen und glaubt mir. Wegen eurer Jugend traut man euch keine geheime Sendung zu.«
Der gesprächige Hellene hatte kaum ausgeredet, als der Schreiber, ein dürrer, weißgekleideter Mann, sich den Fremden gegenüberstellte, und sie mit Hülfe eines Dolmetschers nach ihrer Herkunft und dem Zweck ihrer Reise befragte.
Die Jünglinge hielten ihre Behauptung, entwichene lydische Hekatontarchen zu sein, fest und ersuchten den Beamten, ihnen Mittel und Wege für ihren Eintritt in die ägyptischen Hülfstruppen anzugeben und sie mit Pässen zu versehen.
Nachdem Theopompus für unsere Freunde Bürgschaft geleistet hatte, zauderte der Beamte nicht lange und stellte ihnen die gewünschten Papiere aus.
Der Paß des Bartja lautete:
»Smerdes, – Sohn des Sandon aus Sardes, – ungefähr 22 Jahre alt, von stattlichem, schlankem Wuchse, mit wohlgestaltetem Angesichte, gerader Nase und hoher Stirn, in deren Mitte sich eine kleine Narbe befindet, darf, weil Bürgschaft für ihn geleistet worden ist, da, wo das Gesetz die Fremden duldet, in Aegypten verweilen.
Im Namen des Königs. Sachons, Schreiber.«
Die Pässe des Zopyrus und Darius waren in derselben Weise abgefaßt499.
Als die Beamten das Haus verlassen hatten, rieb sich Theopompus die Hände und sagte: »Nun könnt ihr, wenn ihr meinen Rath in allen Stücken befolgt, sicher in diesem Lande verweilen. Bewahrt diese Papierröllchen gleich euren Augen und laßt sie niemals von euch. Jetzt ersuche ich euch aber, mir zum Frühstück zu folgen und mir, wenn es euch genehm ist, zu erzählen, ob das Gerücht, welches am Markte verbreitet war, nicht, wie gewöhnlich, lügt. Eine von Kolophon kommende Triere brachte nämlich die Nachricht, Dein hoher Bruder, edler Bartja, rüste gegen Amasis.«
Am Abende desselben Tages feierten Bartja und Sappho ein Wiedersehen, dessen Glück durch die mit dem Erscheinen des Königssohnes verbundene Ueberraschung so unermeßlich war, daß die Jungfrau in der ersten Stunde keine Worte für ihre Wonne und Dankbarkeit finden konnte. Als sie endlich wieder in jener Akanthus-Laube, welche ihre junge Liebe mit blühenden Zweigen verborgen hatte, allein waren, sank Sappho an das Herz des theuren Wiedergekehrten. Lange sprachen sie kein Wort und sahen weder Mond noch Sterne, die in der lauen Sommernacht ihre stillen, bedeutungsvollen Kreise über ihren Häuptern zogen. Sie hörten nicht das Lied der Nachtigallen, welche, wie damals, ihren geliebten Itys in flötenden Wechselgesängen riefen, sie fühlten nicht den befeuchtenden Thau, den die Nacht auf ihre, wie auf die Häupter der Blumen im Rasen, herniedergoß.
Endlich faßte Bartja beide Hände seiner Geliebten und schaute sie lange sprachlos an, als wollte er sich das Bild ihrer Züge unauslöschlich einprägen; sie aber blickte schämig zu Boden, als er endlich ausrief:
»Wenn ich von Dir träumte, so schienst Du mir schöner als Alles, was Auramazda erschaffen; jetzt aber find’ ich, daß Du selbst meine Träume an Schönheit überbietest!«
Und als sie ihm für diese Worte mit einem strahlenden Blicke gedankt hatte, schlang er nochmals seinen Arm um ihre Hüften, zog sie fester an sich und fragte
»Hast Du mein gedacht?«
»Nur, nur an Dich!«
»Und hofftest Du, mich schon so bald zu sehen?«
»Ach, Stund’ für Stunde dacht’ ich: ›er muß kommen!‹ Wenn ich des Morgens in den Garten trat und schaute hin nach Osten, Deiner Heimath, und ein Vöglein flog von drüben, von der rechten Seite auf mich zu, fühlt’ ich ein Zucken in dem rechten Augenlid; wenn ich in meiner Kiste räumte und allda die Lorbeerkrone fand, die Dir so herrlich ließ, und die ich drum zum Angedenken aufhob, – Melitta sagt, solch’ aufbewahrter Kranz erhalte treue Liebe500, – dann klatscht’ ich in die Hände, dachte mir: ›heut’ muß er kommen,‹ lief dem Nile zu und winkte jedem Nachen mit dem Tuch, denn jedes Fahrzeug, dacht’ ich, trüge Dich zu mir heran. Und wenn Du doch nicht kamst, so ging ich traurig in das Haus zurück und sang ein Lied und schaute in das Feuer des Herdes, das im Weibersaale brennt, bis mich Großmutter aus dem Traume rief und sagte: ›Höre, Mädchen, wer bei Tage träumt, ist in Gefahr, des Nachts schlaflos zu liegen und mit trübem Sinn, mit müdem Hirn und mit erschlafften Gliedern des Morgens von dem Lager aufzustehen. Der Tag ward uns gegeben, um zu wachen, um unsere Augen offen zu erhalten und zu streben, daß keine Stunde ungenützt verrinne. Vergangene Zeit gehört den Todten an, die Narrheit hoffet von der Zukunft Heil; der Weise hält sich an die Gegenwart, die ewig junge, und nimmt diese wahr, um alle Gaben, die uns Zeus verliehen, die uns Apollo, Pallas, Cypris schenkte, durch Arbeit so zu pflegen, daß sie nach und nach sich steigern und ergänzen und veredeln, und unser Sinnen, Handeln, Fühlen, Reden zuletzt wohllautend werde wie der süße Klang der Harmonieen eines Saitenspiels. Du kannst dem Manne, dem Dein Herz gehört, den Du für höher als Dich selber hältst, weil Du ihn eben liebst, nicht besser dienen und Deine Treue ihm nicht schöner zeigen, als wenn Du Deinen Geist und Dein Gemüth, so hoch es nur in Deinen Kräften steht, veredelst. Was Du auch Schönes, Gutes neu erlernst, das wird für Deinen Liebsten zum Geschenk, denn, gibst Du ihm Dein ganzes Wesen hin, empfängt er Deine Tugenden mit Dir. Doch träumend hat noch niemand Sieg erkämpft. Der Labethau der Tugendblume nennt sich Schweiß!‹ So sagte sie; ich aber sprang beschämt vom Herde fort, ergriff das Saitenspiel, erlernte neue Lieder oder hing