Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.Hekatäus478, der sich fortwährend auf Reisen befindet, hat es gezeichnet und es mir für einen Freipaß überlassen.«
»Was diese Hellenen aber auch Alles erdenken!« rief Zopyrus, der sich gar nicht erklären konnte, wie ein Bild der Erde aussehen möchte.
»Ich will Dir morgen meine Kupfertafel zeigen,« sagte Oroetes; »jetzt aber sollten wir Darius nicht wieder unterbrechen.«
»Phanes ging also nach Arabien;« fuhr der Erzähler fort, »während Prexaspes nicht nur abreiste, um Dir, Oroetes, zu befehlen, so viele Soldaten als möglich, – besonders Ionier und Karier, deren Anführung der Athener übernehmen wird, – auszuheben, sondern auch, um Polykrates ein Bündniß mit uns anzutragen.«
»Ein Bündniß mit ihm, dem Seeräuber?« fragte Oroetes, dessen Stirn sich verfinsterte.
»Demselben,« sagte Prexaspes, indem er die unwillige Miene des Oroetes geflissentlich unberücksichtigt ließ. »Phanes hat von dem Gebieter über so viele treffliche Schiffe schon Zusagen erhalten, die meiner Sendung einen günstigen Erfolg versprechen.«
»Die phönizischen, syrischen und ionischen Kriegsfahrzeuge,« erwiederte der Satrap, »würden hinreichen, um die ägyptische Flotte zu bewältigen.«
»Ganz Recht! Sollte sich aber Polykrates gegen uns erklären, so würden wir uns kaum auf der See behaupten können; sagtest Du doch selbst, daß er im ägäischen Meere nach Willkür schalte und walte.«
»Dennoch mißbillige ich jeden Vertrag mit dem Räuber!«
»Wir suchen vor allen Dingen starke Bundesgenossen, und die Seemacht des Polykrates ist gewaltig. Erst wenn wir Aegypten mit seiner Hülfe besitzen, wird die Zeit, seinen Uebermuth zu demüthigen, gekommen sein. Einstweilen bitte ich Dich, Deinen persönlichen Groll zu unterdrücken und nur an das Gelingen unseres großen Vorhabens zu denken. Diese Worte sage ich im Namen des Königs, dessen Ring ich trage und Dir zu zeigen beauftragt bin.«
Oroetes verneigte sich kurz vor diesem Zeichen der Herrschergewalt und fragte: »Was verlangt Kambyses von mir?«
»Er befiehlt, daß Du Alles aufbieten mögest, um jenes Bündniß mit dem Samier zu Stande zu bringen. Auch sollst Du Deine Truppen sobald als möglich zum großen Reichsheer in der babylonischen Ebene stoßen lassen.«
Der Satrap verneigte sich und verließ in trotziger Haltung das Zimmer.
Sobald seine Schritte in dem Säulengange des inneren Hofes verhallten, rief Zopyrus:
»Der arme Mann! Es ist hart für ihn, dem Uebermüthigen, der sich manche Frechheit gegen ihn herausnahm, freundlich begegnen zu sollen. Denkt nur an die Geschichte mit dem Arzte!«
»Du bist zu mild,« sagte Darius, den Freund unterbrechend. »Dieser Oroetes gefällt mir nicht! So darf man keinen Befehl des Königs aufnehmen! Saht ihr nicht, wie er seine Lippen blutig biß, als ihm Prexaspes den Siegelring des Herrschers zeigte?«
»In diesem Manne lebt ein trotziger Geist!« rief auch der Botschafter. »Er verließ uns so schnell, weil er seinen Zorn nicht länger bemeistern konnte.«
»Trotzdem ersuche ich Dich,« bat Bartja, »meinem Bruder das Benehmen des Satrapen, dem ich Dankbarkeit schulde, zu verschweigen.«
Prexaspes verneigte sich; Darius aber sprach: »Jedenfalls muß man ein wachsames Auge auf diesen Menschen richten. Gerade an dieser Stelle, so weit von der Pforte des Königs, inmitten feindlicher Völker, brauchen wir Statthalter, die ihrem Herrscher williger gehorchen, als Oroetes, der sich einbildet, König von Lydien zu sein!«
»Grollst Du dem Satrapen?« fragte Zopyrus.
»Ich glaube, ja,« – lautete die Antwort. »Wer mir auch begegnet, flößt mir gleich im ersten Augenblicke entweder Liebe oder Abneigung ein. Dieses schnelle unerklärliche Gefühl hat mich selten betrogen. Oroetes mißfiel mir schon, eh’ ich ein Wort ans seinem Munde vernommen hatte. Ebenso erging es mir mit dem Aegypter Psamtik, während ich mich zu Amasis hingezogen fühlte.«
»Du bist einmal anders, als wir!« lachte Zopyrus »Thu’ mir aber jetzt den Gefallen und laß den armen Oroetes ruhen; ’s ist ganz gut, daß er fort ist, denn nun kannst Du ungezwungener von der Heimath reden. Was macht Kassandane und Deine Göttin Atossa? Wie geht’s dem Krösus? Was treiben meine Weiber? Sie werden nächstens eine neue Gefährtin bekommen, denn ich bin willens, morgen um das holde Töchterlein des Oroetes zu werben. Mit den Augen haben wir Beide uns schon allerlei Liebes erzählt. Ich weiß nicht, ob wir persisch oder syrisch sprachen; aber wir sagten einander die angenehmsten Dinge.«
Die Freunde lachten, und Darius rief, in die allgemeine Heiterkeit einstimmend: »Jetzt sollt ihr ein frohe Botschaft, die ich mir eigentlich, als das Beste, für den Schluß aufgespart hatte, vernehmen. He, Bartja, spitze nur die Ohren! Deine Mutter, die edle Kassandane, hat das Licht der Augen zurückerlangt! Ja, ja, – es ist die reine, lautere Wahrheit! – Wer sie geheilt hat? – Nun wer anders, als der griesgrämliche Aegypter, der jetzt womöglich noch düsterer geworden ist, als früher. Beruhigt euch nur und laßt mich weiter erzählen, sonst wird es Morgen, ehe Bartja zum Schlafen kommt. Uebrigens sollten wir schon jetzt aus einander gehen, denn das Schönste habt ihr vernommen und könnt davon träumen. Ihr wollt nicht? Dann muß ich in Mithra’s Namen weiter erzählen, wenn mir auch das Herz dabei blutet.
Laßt mich mit dem Könige beginnen! – So lange Phanes in Babylon war, schien er seinen Schmerz um die Aegypterin vergessen zu haben. Der Athener durfte ihn niemals verlassen. Sie waren so unzertrennlich wie Reksch und Rustem479. Kambyses fand in dieser Gesellschaft auch gar keine Zeit zur Trauer, denn der Hellene hatte jeden Augenblick neue Einfälle und unterhielt nicht nur den König, sondern uns Alle bewunderungswürdig. Dabei war ihm Jeder hold; ich glaube, weil ihn Keiner recht beneiden konnte. Sobald er nämlich einen Augenblick allein war, traten ihm Thränen über seinen gemordeten Knaben in die Augen; darum war seine große Heiterkeit, die er auch auf Deinen ernsten Bruder, lieber Bartja, zu übertragen verstand, doppelt bewundernswürdig. – Alle Morgen ritt er mit Kambyses und uns Allen zum Euphrat und freute sich an den Uebungen der Achämeniden-Knaben480. Als er die Buben spornstreichs an den Sandhügeln vorbeireiten und die auf ihnen stehenden Töpfe mit Pfeilen zerschießen sah, als er erblickte, wie sie Holzblöcke auf einander warfen und ihnen geschickt auswichen481, gestand er, daß er dies nicht nachzumachen verstünde, wogegen er sich anbot, im Speerwerfen und Ringspiele mit uns Allen den Kampf aufzunehmen. Lebhaft, wie er ist, sprang er sogleich vom Pferde, warf, – es war eine Schande482, – die Kleider ab und schleuderte, zum Jubel der Knaben, ihren Ringmeister wie eine Feder in den Sand. Dann überwältigte er eine gute Anzahl von Großsprechern und hätte wohl auch mich gezwungen, wenn er nicht schon ermüdet gewesen wäre. Ich versichere euch übrigens, daß ich stärker bin, als er, denn ich vermag schwerere Blöcke zu heben; der Athener gleicht aber einem Aal an Behendigkeit und umstrickt seine Gegner mit wunderbaren Griffen. Seine Nacktheit kam ihm auch zu Statten. Eigentlich sollte man, wäre es nicht unschicklich, nur entkleidet ringen und sich dazu, wie die Hellenen, die Haut mit Olivenöl salben. – Im Speerschleudern übertraf er uns gleichfalls, wogegen der Pfeil des Königs, der, wie ihr wißt, stolz darauf ist, der beste Schütze in Persien zu sein, weiter flog, als der seine. Am meisten lobte er unsere Sitte, daß nach dem Ringkampfe der Geworfene dem Sieger die Hand küssen muß. Endlich zeigte er uns eine neue Uebungsart, den Faustkampf. Seine Anwendbarkeit wollte er aber an keinem Freien erproben; darum ließ der König den größten und stärksten von allen Dienern, Bessus, meinen Stallknecht, kommen, der mit seinen riesigen Armen die Hinterbeine eines Pferdes so fest zusammendrückt, daß der Gaul zittert und sich nicht zu rühren vermag. Der gewaltige Schlagetodt, welcher Phanes mindestens um eines Hauptes Länge überragte, lachte und zuckte mitleidig die Achseln, als er hörte, daß er mit dem fremden