Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.Du kennst auch Rhodopis. Erster war mein Todfeind aus mehreren Gründen, Letztere die Freundin aller Hellenen, und ganz besonders die meine. Als ich Aegypten verlassen mußte, bedrohte mich Psamtik mit seiner Rache. Dein Sohn Gyges rettete mich vor dem Tode. Einige Wochen später kamen meine Kinder nach Naukratis, um mir von dort aus nach Sigeum zu folgen. Rhodopis nahm sie in ihren freundlichen Schutz. Ein Elender hatte das Geheimniß erspäht und dem Thronfolger verrathen. In der folgenden Nacht wurde das Haus der Thracierin umstellt und durchsucht. Man fand meine Kinder und nahm sie gefangen. Amasis war unterdessen erblindet und ließ seinen elenden Sohn gewähren, der sich nicht entblödete, meinen einzigen Knaben – zu . . .«
»Er ließ ihn tödten?«
»Du sagst es.«
»Und Dein anderes Kind?«
»Das Mädchen ist heute noch in seiner Gewalt.«
»Aber man wird der Armen ein Leid anthun, wenn man erfährt . . .«
»Sie möge sterben. Lieber kinderlos, als ohne Rache zu Grabe gehen!«
»Ich verstehe Dich und kann Dir nicht mehr zürnen. Das Blut Deines Knaben muß gerochen werden.«
Bei diesen Worten drückte der Greis die Rechte des Atheners, der, nachdem er seine Thränen getrocknet hatte und seiner Gemütsbewegung Herr geworden war, ausrief. »Komm’ jetzt zum Kriegsrathe! Niemand darf den Schandthaten des Psamtik dankbarer sein, als Kambyses. Dieser Mann der schnellen Leidenschaft paßt nicht zum Friedensfürsten.«
»Und doch scheint mir die höchste Aufgabe eines Königs die zu sein, an der inneren Wohlfahrt seines Reiches zu arbeiten. Aber die Menschen sind einmal so, daß sie ihre Schlächter höher preisen, als ihre Wohlthäter. Wie viele Gesänge ertönten dem Achill; wem aber ist es eingefallen, die weise Regierung des Pittakus in Liedern457 zu feiern?«
»Es gehört eben mehr Muth dazu, Blut zu vergießen, als Bäume zu pflanzen.«
»Aber mehr Güte und Klugheit, Wunden zu heilen, als Wunden zu schlagen. Doch ehe wir die Halle betreten, muß ich Dir eine dringende Frage vorlegen. Wird Bartja, wenn Amasis die Pläne des Königs erfährt, ohne Gefahr zu Naukratis bleiben können?«
»Keineswegs. Ich habe ihn jedoch gewarnt und ihm gerathen, verkleidet und unter falschem Namen dort aufzutreten.«
»Zeigte er sich willfährig?«
»Er schien mir folgen zu wollen.«
»Jedenfalls wird es gut sein, wenn man ihm einen Boten nachsendet, der ihn warnt.«
»Wir wollen den König darum bitten.«
»Komm’ jetzt. Dort fahren schon die Wagen aus der Küche, welche die Mahlzeit für den Hofstaat enthalten.«
»Wie viel Menschen werden vom Könige täglich ernährt?«
»Etwa 15,000458.«
»So mögen die Perser den Göttern danken, daß ihre Herrscher nur einmal des Tages zu speisen pflegen!«
Drittes Kapitel
Sechs Wochen nach diesen Ereignissen trabte eine kleine Reiterschaar den Thoren von Sardes entgegen.
Ross’ und Leute waren von Schweiß und Staub bedeckt. Erstere, welche die Nähe der Stadt mit ihren Ställen und Krippen ahnten, nahmen ihre letzte Kraft zusammen, schienen aber für die Ungeduld der beiden Männer, die in bestaubter persischer Hoftracht an der Spitze des Zuges ritten, viel zu langsam zu gehen.
Die wohlgehaltene Königsstraße, welche sich über die Vorberge des Tmolus-Gebirges hinzog, war von Aeckern mit schwarzem Fruchtboden und Bäumen von mancherlei Art umgeben. Oliven-, Citronen- und Platanenhaine, Maulbeer- und Weinpflanzungen zogen sich am Fuße der Berge hin, während in größerer Höhe Pinien, Cypressen und Nußbaumwälder grünten. Auf den Aeckern standen Feigensträucher und Dattelpalmen voller Früchte. Im Grase der Wiesen und am Boden der Wälder blühten farben- und duftreiche Blumen. Dann und wann zeigten sich sorgsam eingefaßte Brunnen mit Ruhesitzen und schattigem Strauchwerk am Rande der Straße, die über Schluchten und Bäche, welche durch die Hitze des Sommers halb vertrocknet waren, führte. An schattigen feuchten Stellen blühte die Lorbeerrose, während sich da, wo die Sonne am heißesten brannte, schlanke Palmen wiegten. Ein tiefblauer, vollkommen wolkenloser Himmel lag über dieser üppigen Landschaft, deren Horizont im Süden von den schneeigen Spitzen des Tmolus-Gebirges, im Westen von den bläulich schimmernden Sipylus-Bergen begrenzt war.
Die Straße führte jetzt durch ein Birkenwäldchen, um dessen Stämme sich traubenreiche Weinreben bis zu den Gipfeln rankten, thalabwärts. An einer Krümmung des Weges, welche einen Blick in die Ferne bot, hielten die Reiter. Vor ihnen lag die Hauptstadt des einstigen lydischen Reiches, die frühere Residenz des Krösus, das goldene Sardes459, im vielberühmten Hermusthale.
Ein steiler schwarzer Felsen, auf dessen Gipfel sich weithin sichtbare Bauten von weißem Marmor erhoben, die Burg, um deren dreifache Mauer der König Meles vor vielen Jahrhunderten einen Löwen getragen hatte, damit sie uneinnehmbar werde, beherrschte die Schilfdächer der zahlreichen Häuser der Stadt460. Nach Süden hin war der Abfall des Burgberges weniger steil und mit Häusern bebaut. Im Norden der Akropolis erhob sich am Goldsand führenden Paktolus der frühere Palast des Krösus. Ueber dem Marktplatze, der den bewundernden Reisenden wie ein unbewachsener Fleck inmitten einer blühenden Wiese erschien, rauschte der röthliche Fluß, der sich nach Westen zu in ein schmales Gebirgsthal ergoß, um dort den Fuß des großen Tempels der Cybele zu bespülen.
Nach Osten hin erstreckten sich weite Gärten, in deren Mitte der spiegelhelle Gygäische See erglänzte. Bunte Lustfahrzeuge, begleitet von vielen schneeweißen Schwänen, bedeckten ihn. Etwa eine Viertelstunde von den Wassern entfernt erhoben sich zahlreiche, von Menschenhänden aufgeschüttete Hügel, unter denen sich drei, ihrer bedeutenden Größe und Höhe wegen, besonders anszeichneten461.
»Was haben diese eigentümlich aussehenden Erdberge zu bedeuten?« fragte Darius, der Anführer jener Schaar, den an seiner Seite reitenden Mann, Prexaspes, den Botschafter des Kambyses.
»Es sind die Gräber der früheren Könige von Lydien,« lautete die Antwort. »Das größte unter ihnen, dort drüben links, nicht das mittlere, welches einem fürstlichen Ehepaare, der Panthea und dem Abradat geweiht wurde462, ist das dem Vater des Krösus, Alyattes, errichtete Denkmal. Die Handelsleute, Handwerker und Dirnen von Sardes haben es ihrem verstorbenen Könige aufgeschüttet. An den fünf Säulen, welche auf dem Gipfel stehen, kann man lesen, wie viel jeder Theil zuwege brachte. Die Dirnen sind am fleißigsten gewesen463. Der Großvater des Gyges soll ein besonderer Freund von ihnen gewesen sein.«
»Dann ist der Enkel sehr aus der Art geschlagen!«
»Was um so wunderbarer erscheinen muß, da auch Krösus in seiner Jugend durchaus kein Feind der Weiber gewesen ist, und die Lyder den Freuden der Liebe sehr ergeben zu sein pflegen. Dort drüben im Paktolus-Thale, unweit der großen Goldwäscherei, steht der Tempel der Göttin von Sardes464, die man Cybele oder Ma benennt. Du siehst das weiße Gemäuer aus dem Haine, der ihn umgibt, hervorleuchten. Da findet sich manches schattige Plätzchen, wo sich die jungen Leute von Sardes zu Ehren der Göttin, wie