Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

Читать онлайн книгу.

Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


Скачать книгу
und ließ einen blühenden Mädchenkopf sehen, dessen blaue Augen den Heilkünstler ängstlich fragend anschauten, um von ihm mit demselben bedauerlichen Achselzucken abgefertigt zu werden. Zweimal hatte sich die Fragerin, Atossa, die Schwester des Königs, den schweren Teppich von milesischem Wollengewebe kaum mit den Füßen berührend, bis an das Lager ihrer kranken Freundin geschlichen, um einen leisen Kuß auf ihre von einzelnen feuchten Perlen bethaute Stirn zu hauchen; war aber jedesmal von dem ägyptischen Arzte mit streng verweisenden Blicken in das Nebenzimmer heimgesandt worden.

      Hier lag Kassandane, den Ausgang der Dinge erwartend, während Kambyses, als die Sonne aufgegangen und Nitetis in Schlummer versunken war, die Krankenstube verlassen und sich auf ein Roß geschwungen hatte, um, von Phanes, Prexaspes, Otanes, Darius und vielen aus dem Schlaf geweckten Höflingen begleitet, den Thiergarten in einem wilden Ritte zu durchmessen. Er wußte, daß er jede Gemüthsbewegung am besten auf dem Rücken eines unbändigen Hengstes sitzend überwältigen oder vergessen konnte.

      Als Nebenchari den dröhnenden Hufschlag aus der Ferne vernahm, schrak er zusammen. Ihm träumte mit offenen Augen, der König ziehe mit unübersehbaren Reiterschaaren in seine Heimath, werfe Brandfackeln in ihre Städte und Tempel und zermalme mit gewaltigen Faustschlägen die Riesenbauten der Pyramiden. In dem Schutte der eingeäscherten Städte lagen Weiber und Kinder, aus den Gräbern schrieen mit klagenden Stimmen die Mumien der Verstorbenen, die sich gleich Lebenden bewegten; und Alle: Priester, Krieger, Weiber, Kinder, Todte und Sterbende, riefen seinen Namen aus und fluchten ihm, dem Verräther seines Vaterlandes. Kalte Fieberschauer durchbebten sein Herz, welches krampfhafter schlug, als die Adern der Sterbenden an seiner Seite. – Wiederum öffnete sich der Vorhang des Nebenzimmers, wiederum schlich Atossa herbei und legte ihre Hand auf seine Schulter, Er schrak zusammen und erwachte. Nebenchari hatte drei Tage und drei Nächte fast ohne jede Unterbrechung an diesem Lager gesessen. Jene Träume waren wohl berechtigt, den Uebermüdeten aufzusuchen.

      »Ich weiß nicht,« antwortete die Kranke mit kaum vernehmbarer Stimme. »Mir war zwar; als wenn ich geschlummert hätte; dennoch sah und hörte ich Alles, was hier im Zimmer vorging. Ich fühlte mich so müde, daß ich den Traum nicht vom Wachen unterscheiden konnte. Ist nicht Atossa mehrmals bei mir gewesen?«

      »Ganz recht!«

      »Und Kambyses verweilte bis die Sonne aufging bei Kassandane; dann ging er in’s Freie, bestieg den Hengst Reksch und ritt in den Thiergarten.«

      »Woher weißt Du das?«

      »Ich hab’ es gesehen.«

      Nebenchari schaute besorgt in die glänzenden Augen der Jungfrau, welche fortfuhr: »Auch hat man viele Hunde in den Hof hinter diesem Hause geführt.«

      »Der König will seinen Schmerz über Dein Leiden vielleicht durch eine Jagd betäuben.«

      »Du bist ja noch am Leben, Herrin, und . . .«

      »O, ich weiß, daß ich sterben werde! Hätt’ ich auch nicht gesehen, wie Du und die anderen Aerzte, indem ihr mich anschautet, die Achseln zucktet, so wüßte ich dennoch, daß ich nur noch wenige Stunden zu leben habe. Das Gift ist tödlich!«

      »Du sprichst zu viel, Herrin; das Reden wird Dir schaden.«

      »Laß mich, Nebenchari! Ich muß Dich um etwas bitten, eh’ ich sterbe.«

      »Ich bin Dein Diener!«

      »Wenn der König es gestattet.«

      »O gewiß! Wie könnte Kambyses meine letzte Bitte unerhört lassen?«

      »Meine Kunst gehört Dir!«

      »Ich danke Dir; aber ich habe noch eine Bitte.«

      »Fass’ Dich kurz! Meine persischen Genossen deuten mir an, daß ich Dir Schweigen auferlegen soll.«

      »Kannst Du sie nicht auf einen Augenblick entfernen?«

      »Ich will es versuchen.«

      Nebenchari näherte sich den Magiern. Wenige Minuten sprach er mit ihnen, dann verließen sie das Zimmer. Er hatte vorgegeben, eine große Beschwörung, der kein Dritter beiwohnen dürfe, vornehmen und ein neues geheimes Gegengift anwenden zu wollen.

      Als die Beiden allein waren, athmete Nitetis freudig auf und sagte. »Gib mir Deinen Priestersegen zur langen Reise in die Unterwelt und mach’ mich fertig für die Wanderung zum Osiris!«


Скачать книгу