Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.ich doch die Hoffnung immer noch nicht auf, daß Du die Ernte mit mir theilen wirst.«
»Du irrst! Meine Arbeit ist vollbracht; die Götter selbst haben sie mir abgenommen. Amasis ist dafür, daß er mich aus der Heimath, von Freunden und Schülern verbannte und eigennütziger Pläne wegen in dies unreine Land schickte, hart genug bestraft worden.«
»Etwa durch seine Blindheit?«
»Vielleicht.«
»So weißt Du nicht, daß Dein Kunstgenosse Petammon eine Haut, die den Sehstern des Amasis bedeckte, durchschnitten und ihm das Tageslicht wieder gegeben hat?«
Der Aegypter zuckte zusammen und knirschte mit den Zähnen; aber er gewann schnell seine Fassung wieder und gab dem Athener zurück: »Dann haben die Götter den Vater in seinen Kindern bestraft.«
»Wie meinst Du das? – Psamtik behagt dem Könige in seiner jetzigen Stimmung sehr wohl; Tachot leidet zwar, betet und opfert jedoch um so fleißiger mit dem Vater. Was endlich Nitetis betrifft, so wird ihm der wahrscheinliche Tod derselben nicht näher gehen, als sei eine Freundin seiner Tochter gestorben; das weißt Du so gut als ich.«
»Abermals kann ich Dich nicht verstehen.«
»Das ist natürlich, so lange Du wähnst, daß ich die schöne Kranke für ein Kind des Amasis halte.«
Der Aegypter erbebte wiederum; Phanes aber fuhr fort, ohne scheinbar auf seine Erregung zu achten: »Ich bin besser unterrichtet, als Du vermuthen kannst. Nitetis ist die Tochter Hophra’s, des entthronten Vorgängers Deines Königs. Amasis hat sie auferzogen, als wäre sie sein eigenes Kind, erstens um Deine Landsleute glauben zu machen, der gestürzte Pharao sei ohne Nachkommen gestorben; zweitens aber, um Nitetis aller Ansprüche auf einen Thron, der ihr von Rechtswegen zukommt, zu berauben. Am Nile sind ja auch Weiber regierungsfähig424!«
»Dies sind Vermuthungen . . .«
»Die ich durch unumstößliche Beweise zu bekräftigen vermag! Unter den Papieren, welche Dein alter Diener Hib in einem Kästchen bei sich führte, müssen sich Briefe eines berühmten Geburtshelfers425, Deines leiblichen Vaters, vorfinden –«
»Wenn dem so wäre, dann sind doch in jedem Falle diese Schreiben mein Eigenthum, das ich nicht herauszugeben gesonnen bin; zweitens aber möchtest Du in Persien vergeblich nach einem Manne suchen, der die Schrift meines Vaters zu entziffern verstände.«
»Verzeih’ mir, wenn ich Dich abermals auf einige Irrthümer aufmerksam mache. Erstens befindet sich jenes Kästchen, wie gesagt, in meinem Gewahrsam und wird Dir, so hoch ich sonst das Recht des Eigentümers zu achten gewohnt bin, nicht eher zurückerstattet werden, bis mir sein Inhalt für meinen Zweck gedient hat; zweitens verweilt in der That durch die wunderbare Fügung der Götter ein Mann zu Babylon, welcher jede Schriftart, die ein ägyptischer Priester nur immer kennen mag, zu lesen versteht. Erinnerst Du Dich zufällig des Namens Onuphis?«
Der Arzt erbleichte zum Drittenmale und fragte: »Bist Du sicher, daß dieser Mann noch immer unter den Lebenden wandelt?«
»Gestern habe ich mit ihm gesprochen. Er war, wie Du weißt, Oberpriester zu Heliopolis und darum in all’ eure Geheimlehren eingeweiht. Mein weiser Landsmann Pythagoras von Samos kam nach Aegypten, erlangte, nachdem er sich einigen eurer Ceremonien unterworfen hatte426, die Erlaubniß, an dem Unterrichte der Priesterschule von Heliopolis Theil zu nehmen, gewann sich durch seine großen geistigen Vorzüge die Liebe des trefflichen Onuphis, wurde durch ihn in alle Geheimlehren427 eingeweiht und machte sie der Welt nutzbar. Ich selbst und meine edle Freundin Rhodopis nennen uns mit Stolz seine Schüler. Als Deine Standesgenossen erfuhren, daß Onuphis zum Verräther an den Mysterien geworden sei, beschlossen die priesterlichen Richter, ihn umzubringen. Er sollte durch ein Gift getödtet werden, das man aus den Kernen des Pfirsichbaumes gewinnen kann. Der Verurtheilte hörte von dem, was ihn bedrohte, und floh nach Naukratis, woselbst er im Hause der Rhodopis, von deren Geist und Güte ihm Pythagoras erzählt hatte, einen durch den Freibrief des Königs gesicherten Versteck fand. Hier wurde er mit Antimenidas, dem Bruder des Dichters Alcäus428 von Lesbos bekannt, der viele Jahre lang, während er durch Pittakus, den weisen Herrscher von Mitylene, aus der Heimath verbannt gewesen, zu Babylon gelebt und bei Nebukadnezar, dem damaligen Könige von Assyrien, Kriegsdienst genommen hatte. Dieser Antimenidas gab ihm Empfehlungen an die Chaldäer. Anuphis reiste zum Euphrat, ließ sich zu Babylon nieder und mußte sich, da er als armer Mann seine Heimath verlassen hatte, nach einem Broderwerb umsehen. Einen solchen erhielt er durch den Empfehlungsbrief des Antimenidas. Heute noch fristet er, der einstmals zu den Mächtigsten in Aegypten gehörte, sein Leben, indem er den Chaldäern bei ihren astronomischen Berechnungen auf dem Thurme des Bel mit seinen überlegenen Kenntnissen hülfreiche Hand leistet. Onuphis ist beinahe achtzig Jahre alt, doch vollkommen frischen Geistes. Als ich ihn gestern sprach und um seinen Beistand bat, sagte er mir ihn mit leuchtenden Augen zu. Dein Vater war einer seiner Richter; er will aber nicht seinen Groll von dem Erzeuger auf den Sohn übertragen und läßt Dir seinen Gruß entbieten.«
Nebenchari hatte während dieser Erzählung sinnend zu Boden geschaut. Als Phanes schwieg, sah er ihn durchdringend an und fragte: »Wo sind meine Papiere?«
»In Händen des Anuphis, der in ihnen nach den Belegen sucht, deren ich bedarf.«
»Das konnte ich denken! Sei so gut, mir zu sagen, wie die Kiste aussieht, welche Hib nach Persien zu bringen für gut fand.«
»Es ist ein Köfferchen von schwarzem Ebenholz. Sein Deckel ist kunstreich geschnitzt. Man sieht in seiner Mitte einen geflügelten Käfer, und an seinen vier Ecken . . .«
Nebenchari athmete auf und sagte: »Dies Kistchen enthält nichts, als einige Aufzeichnungen meines Vaters.«
»Die meinen Zwecken vielleicht genügen werden. Ich weiß nicht, ob man Dir erzählt hat, daß ich mich der höchsten Gunst des Kambyses erfreue.«
»Um so besser für Dich! Ich kann Dich versichern, daß die Papiere, welche Dir vielleicht ernstlich dienen könnten, in Aegypten geblieben sind.«
»Sie lagen in einer großen, bunt bemalten Sykomoren-Kiste.«
»Woher weißt Du das?«
»Weil ich, – merke wohl auf, Nebenchari, – weil ich Dir jetzt der Wahrheit gemäß mittheile, – ich schwöre nicht, denn Pythagoras, der Meister, verbietet den Eidschwur, – daß eben diese Kiste mit sammt ihrem ganzen Inhalte im Haine des Neith-Tempels zu Sais auf Befehl des Königs verbrannt worden ist.«
Diese Worte, welche Phanes langsam, Sylbe auf Sylbe scharf betonend, aussprach, trafen den Aegypter wie ebensoviel Blitzschläge. Die kalte Ruhe und Gemessenheit, die er bis dahin bewahrt hatte, wichen einer unbeschreiblichen Erregung. Seine Wangen glühten und seine Augen flammten. Aber nur während einer einzigen Minute. Dann verwandelte sich die Erregung in eisige Ruhe, die glühenden Wangen entfärbten sich und der bebende Mund sprach kalt und gelassen: »Du willst mich, um mich zu Deinem Bundesgenossen zu machen, mit Haß gegen meine Freunde erfüllen. Ich kenne euch Hellenen! Ränkevoll und listig, verschmäht ihr kein Mittel des Truges und der Lüge, wenn es euch daran liegt, eure Zwecke zu fördern.«
»Du beurtheilst mich und meine Landsleute nach ächt ägyptischer Art; das heißt, Du hältst uns als Fremde für so schlecht als möglich; diesmal täuschest Du Dich aber in Deinem Verdachte! – Laß den alten Hib kommen und Dir von ihm bestätigen, was Du mir nicht glauben willst.«
Nebenchari’s Stirn verfinsterte sich, als Hib, seinem Rufe folgend, in das Zimmer trat.
»Komm näher!« herrschte er dem Alten zu.
Hib folgte achselzuckend dem Befehle.
»Hast