Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


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in volleren Athemzügen. Nebenchari sah nicht ohne Rührung auf die junge Selbstmörderin. Er war sich bewußt, den Göttern seiner Heimath diese Seele gerettet, einem guten Geschöpfe die letzten schweren Stunden erleichtert zu haben. Während dieser Augenblicke hatte er in reinem Mitleiden und wahrer Menschenliebe jedes bittere Gefühl vergessen; als aber der Gedanke, Amasis habe das Unglück auch Dieses lieblichen Geschöpfes verschuldet, in ihm aufstieg, verfinsterten schwarze Gedanken von neuem seine Seele. – Nitetis, welche eine Zeitlang schweigend dagelegen hatte, wandte sich wiederum freundlich lächelnd ihrem neuen Freunde zu und fragte: »Nicht wahr, ich werde vor den Todtenrichtern Gnade finden?«

      »Ich hoffe und glaube es!«

      »Vielleicht werde ich Tachot am Throne des Osiris finden, und mein Vater . . .«

      »Dein Vater und Deine Mutter erwarten Dich! Segne in Deiner letzten Stunde Diejenigen, welche Dich erzeugten, und fluche Denen, welche Dir Eltern, Thron und Leben raubten.«

      »Ich verstehe Dich nicht.«

      »Fluche Denen, Mädchen, welche Dir Eltern, Thron und Leben raubten!« rief der Arzt zum andern Male, sich hoch aufrichtend und mit tiefen Athemzügen auf die Sterbende herniederschauend. »Fluche den Bösen, Mädchen, denn dieser Fluch wird Dir höhere Gnade vor den Todtenrichtern verschaffen, als tausend gute Werke!« Der Arzt griff, indem er diese Worte ausrief, nach der Hand der Kranken und drückte sie mit Heftigkeit.

      Nitetis schaute den Zürnenden ängstlich an und lispelte in blindem Gehorsam: »Ich fluche!«

      »Fluche Denen, die Deinen Erzeugern Thron und Leben raubten!«

      »Denen, die meinen Erzeugern Thron und Leben raubten! O – ach – mein Herz!« –

      Entkräftet sank sie auf das Lager zurück.

      Nebenchari beugte sich über die Leidende, drückte, ehe die Aerzte des Königs das Zimmer betreten konnten, einen leisen Kuß auf die Stirn der Sterbenden und murmelte: »Sie stirbt als meine Bundesgenossin. Die Götter vernehmen den Fluch der sterbenden Unschuld! Nicht nur als mein eigener, nein auch als Rächer König Hophra’s trage ich das Schwert nach Aegypten!« –

      Einige Stunden später schlug Nitetis noch einmal die Augen auf.

      Diesmal ruhte ihre kalte Rechte in den Händen Kassandane’s. Zu ihren Füßen kniete Atossa; Krösus stand zu Häupten des Bettes und unterstützte mit seinen alten Armen den gewaltigen König, welcher im Uebermaß des Schmerzes gleich einem Trunkenen hin und her wankte. Die Sterbende schaute sich strahlenden Blickes in diesem Kreise um. Sie war unsagbar schön. Kambyses nahte sich den erkaltenden Lippen und drückte einen Kuß auf dieselben, – den ersten und letzten, den er ihr geben durfte. Da entquollen zwei volle, warme Freudenthränen ihren brechenden Augen, der Name Kambyses klang leise von ihrem erbleichenden Munde, sie sank in Atossa’s Arme zurück und war nicht mehr.

      Neun Tage lang verweilte Kambyses in einem Zustande, der dem Wahnsinne glich. Bald wüthend, bald stumpf und theilnahmslos, gestattete er selbst nicht seinen Anverwandten und dem Oberpriester, ihm zu nahen. Am Morgen des zehnten Tages ließ er den Obersten der sieben Richter kommen und befahl ihm, das Urtheil über Gaumata, den Bruder des Oropastes, in so milder Weise als möglich zu sprechen. Nitetis hatte ihn auf dem Krankenlager gebeten, das Leben des unglücklichen Jünglings zu schonen.

      Eine Stunde später überbrachte man ihm den Wahrspruch zur Bestätigung. Derselbe lautete: »Sieg dem Könige! – Nachdem Kambyses, das Auge der Welt und die Sonne der Gerechtigkeit, in seiner Milde, die so weit ist als der Himmel, und so unerschöpflich wie das Meer, uns befohlen hat, die Verbrechen des Magiersohnes Gaumata nicht mit der Strenge des Richters, sondern mit der Nachsicht der Mutter zu beurteilen und zu bestrafen, so haben wir, die sieben Richter des Reiches, beschlossen, seines verwirkten Lebens zu schonen. Weil aber durch den Leichtsinn dieses Jünglings die Höchsten und Besten im Reich gefährdet worden sind, und befürchtet werden könnte, daß er sein Angesicht und seine Gestalt, welche die Götter in ihrer Huld und Gnade denen des edlen Cyrus-Sohnes Bartja wunderbar ähnlich machten, noch einmal zum Schaden der Reinen und Gerechten mißbrauchen könnte, so haben wir beschlossen, sein Haupt also zu entstellen, daß der Unwürdigste vom Würdigsten im Reiche leicht zu unterscheiden sein möge. Darum sollen dem Gaumata, mit Willen und auf Geheiß des Königs, beide Ohren abgeschnitten werden, zur Ehre der Gerechten und zur Schmach des Unreinen!«

      Kambyses bestätigte dieses Urtheil, welches am selbigen Tage vollstreckt wurde.

      Während der letzten Tage hatte sich ein dürftig gekleidetes Weib, dessen Angesicht von einem dichten Schleier bedeckt war, Tag und Nacht an dem großen Eingangsthore des Palastes aufgehalten und sich weder von den Drohungen der Wachen, noch den rohen Späßen der königlichen Dienstleute von ihrem Posten vertreiben lassen. Keiner der Unterbeamten, der das Thor passirte, entging ihren neugierigen Fragen, erst nach dem Befinden der Aegypterin, dann nach dem Ergehen Gaumata’s. Als ihr ein gesprächiger Lampenanzünder das über den Bruder des großen Oberpriesters verhängte Urtheil, schadenfroh lachend, mittheilte, geberdete sie sich wie eine Unsinnige und küßte das Gewand des erstaunten Mannes, der sie für eine Geisteskranke hielt und ihr ein Almosen


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