Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


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Augen fragend an.

      »König Amasis von Ägypten hat sich erlaubt, mit Dir, dem mächtigen Herrn der Erde, ein freventliches Spiel zu treiben. Jene holde Jungfrau war nicht seine Tochter, obgleich sie selber glaubte, das Kind des Amasis zu sein; sie –«

      »Unmöglich!«

      »So sollt’ es scheinen, und dennoch rede ich die reine Wahrheit! Amasis hat ein Gewebe von Lügen gesponnen, mit dem er alle Welt, und auch Dich, o König, bestrickte. Nitetis, das holdeste Wesen, welches jemals von einem Weibe geboren wurde, war ein Fürstenkind; aber nicht der Kronenräuber Amasis, nein, der ächte, aber durch ihn gestürzte König von Ägypten, Hophra, erzeugte diese Perle! Runzle die Stirn, mein Herrscher; Du hast ein Recht dazu, denn es ist grausam, von Freunden und Bundesgenossen betrogen zu werden!«

      Kambyses gab seinem Hengste die Sporen und rief, nachdem Phanes, um seine letzten Worte tief wirken zu lassen, eine Zeitlang geschwiegen hatte. »Das Nähere! Weiter! Ich will Näheres wissen!«

      »Ich erwarte Dich in einer Stunde mit jenem Manne. Krösus, Nebenchari und alle Achämeniden, welche in Aegypten waren, sollen gleichfalls erscheinen. Bevor ich handle, muß ich Gewißheit haben. Dein Zeugniß reicht nicht aus, denn ich weiß von Amasis selbst, daß Du Grund hast, seinem Hause zu zürnen.«

      Zur festgesetzten Zeit standen die Befohlenen vor dem Könige.

      Der frühere Oberpriester Onuphis war ein Greis von achtzig Jahren, dessen abgezehrtes Haupt einem Todtenschädel geglichen haben würde, wenn nicht aus demselben zwei große graue Augen hell und geistvoll geblickt hätten. Er saß, da er seiner gelähmten Glieder wegen nicht anders konnte, auch vor dem Könige in einem Lehnsessel und hielt eine große Papyrusrolle in der abgemagerten Hand. Seine Kleidung war schneeig weiß, wie sich dies für den Priester ziemte, zeigte aber hier und dort Flicken und Risse. Früher mochte er groß und schlank gewesen sein; jetzt aber war er so gebeugt und zusammengezogen von Alter, Entbehrungen und Leiden, daß seine Gestalt winzig klein, sein Haupt dagegen viel zu groß für den zwerghaften Leib erschien.

      Der König saß auf einem Thronsessel. Sein Angesicht war streng und düster, als er, das Schweigen der Anwesenden unterbrechend, also anhob: »Der edle Hellene dort, den ich für meinen Freund zu halten geneigt bin, hat mir seltsame Mittheilungen gemacht. Amasis von Aegypten soll mich schnöder Weise betrogen haben. Meine verstorbene Gattin soll nicht seine, sondern seines Vorgängers Tochter gewesen sein!«

      Ein Murmeln des Staunens ließ sich hören.

      »Der Greis dort drüben ist erschienen, um uns den Betrug zu beweisen.«

      Onuphis machte eine beistimmende Bewegung.

      »Jetzt richte ich zuerst an Dich, Prexaspes, meinen Botschafter, die Frage. Ist Dir Nitetis ausdrücklich als Tochter des Amasis übergeben worden?«

      »Ausdrücklich! Zwar hatte Nebenchari der hohen Kassandane die andere Zwillingsschwester, Tachot, als die schönere von beiden Königstöchtern gepriesen; Amasis bestand aber darauf, Nitetis nach Persien zu schicken. Ich vermuthete, daß er Dich, indem er Dir sein schönstes Kleinod anvertraute, besonders verpflichten wollte, und ließ ab von der Werbung um Tachot, weil mir die Verstorbene, sowohl an Liebreiz als an Würde, ihre Schwester zu überragen schien. In seinem Briefe an Dich schrieb er auch, wie Du Dich erinnern wirst, daß er Dir sein schönstes, liebstes Kind anvertraue.«

      »Also schrieb er.«

      »Und sicher war Nitetis die schönere und edlere von Beiden,« bestätigte Krösus die Worte des Gesandten. »Uebrigens kam es mir vor, als wäre Tachot der Liebling des ägyptischen Königspaares.«

      »Ganz gewiß!« fügte Darius hinzu; »Amasis neckte einst Bartja beim Schmause und sagte: ›Sieh’ nicht zu tief in Tachot’s Augen, denn wärest Du auch ein Gott, so würde ich Dir doch nicht gestatten, sie mit nach Persien zu nehmen!‹ Der Thronfolger Psamtik war über diese Aeußerung auffallend entrüstet und rief dem Könige zu: ›Vater, gedenke des Phanes!‹«

      »Des Phanes?«

      »Ja, mein König,« antwortete der Athener. »Amasis hatte mir einst im Rausche sein Geheimniß verrathen; Psamtik warnte ihn nun, sich nicht zum Zweitenmale zu vergessen.«

      »Erzähle!«

      »Als ich von Cypern siegreich nach Sais heimkehrte, wurde ein großes Fest bei Hofe gefeiert. Amasis zeichnete mich in jeder Weise aus und umarmte mich, weil ich eine reiche Provinz für ihn gewonnen hatte, zum Entsetzen seiner Landsleute. Je trunkener er wurde, desto wärmere Anerkennung zollte er mir. Als ich ihn endlich mit Psamtik in seine Wohnung zurückführte, und wir an den Gemächern seiner Tochter vorüberkamen, blieb er stehen und sagte: ›Da schlummern die Mädchen. Wenn Du Deine Gattin verstoßen willst, Athener, so gebe ich Dir Nitetis zum Weibe! Du wärest mir ein lieber Eidam! ’s ist ein wunderlich Ding mit dem Mädchen, Phanes! Sie ist nicht mein eigenes Kind!‹ . . . So viel ließ Psamtik den Trunkenen sagen. Dann legte er ihm die Hand auf den Mund und schickte mich mit barschen Worten in mein Quartier. Dort überdachte ich das Gehörte und reimte mir zusammen, was ich jetzt aus sicherer Quelle weiß. Ich bitte Dich, König, diesem Greise zu befehlen, die bezüglichen Tagebuchblätter des Geburtshelfers Imhotep zu übersetzen.«


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