Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


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dem Riesen so furchtbar mit der bloßen Faust unter die Augen, daß dem Munde und der Nase desselben ein Blutstrom entquoll, und der ungeschlachte Mensch heulend zu Boden sank. Als man ihn aufgerichtet hatte, glich sein Antlitz einem grünlichblauen Kürbis. Die Knaben jubelten über diesen Streich; wir aber bewunderten die Geschicklichkeit des Hellenen und freuten uns der guten Stimmung des Königs, die sich besonders bemerkbar machte, wenn ihm Phanes muntere griechische Lieder und Tanzweisen zu den Klängen der Laute vorsang.

      Indessen hatte Kassandane durch die Kunst des Aegypters Nebenchari ihr Augenlicht wieder erlangt, ein Vorfall, welcher natürlich dazu beitrug, den Tiefsinn des Königs noch mehr zu zerstreuen. Wir hatten gute Tage, und ich wollte mich eben um Atossa’s Hand bewerben, als Phanes nach Arabien aufbrach, und sich Alles schnell veränderte.

      »Sobald nämlich der Athener die Pforte verlassen hatte, schienen alle bösen Diws in den König gefahren zu sein. Stumm und düster ging er einher, sprach kein Wort und genoß, um seinen Trübsinn zu übertäuben, schon am frühen Morgen ganze Kannen des schwersten syrischen Weines. Des Abends war er so trunken, daß man ihn gewöhnlich aus der Halle tragen mußte, während er des Morgens mit Krämpfen und Kopfschmerzen erwachte. Bei Tag wandelte er umher, als suche er etwas, und bei Nacht hörte man ihn oft den Namen Nitetis rufen. Die Aerzte waren für seine Gesundheit besorgt und gaben ihm Arzneien, die er fortgoß. Krösus hatte ganz Recht, als er ihnen eines Tages zurief: ›Ehe man sich mit der Heilung befaßt, ihr Herren Magier und Chaldäer, muß man den Sitz der Krankheit ergründet haben! Kennt ihr denselben? Nein? Dann will ich euch sagen, was dem König fehlt! Er hat ein inneres Leiden und eine Wunde. Das erstere heißt Langeweile, und die zweite sitzt im Herzen. Für jene ist der Athener gut, für diese aber weiß ich kein Mittel, denn die Erfahrung lehrt, daß solche Wunden entweder von selbst vernarben, oder aber nach innen verbluten.«

      »›Ich wüßte dennoch eine Arznei für den König!‹ rief Otanes, der diese Worte vernommen hatte. ›Wir sollten ihn überreden, die Weiber, oder wenigstens meine Tochter Phädime, aus Susa zurückkommen zu lassen. Liebe zerstreut die Schwermuth und beschleunigt den Lauf des langsam fließenden Blutes!‹ – Wir gaben dem Redner Recht und forderten ihn auf, den Herrscher an die verbannten Frauen zu erinnern. Otanes wagte den Vorschlag, als wir gerade beim Schmause saßen, wurde aber so hart vom Könige angelassen, daß er uns Allen leid that. Kurze Zeit darauf ließ Kambyses eines Morgens alle Mobeds und Chaldäer kommen, um ihnen die Deutung eines seltsamen Traumgesichtes zu befehlen.

      »Die Mobeds und Chaldäer beriethen sich und deuteten den Traum dahin, Atossa werde bei all’ ihren Unternehmungen vom Glücke begünstigt werden.

      »Kambyses gab sich mit dieser Antwort zufrieden; als er aber in der nächsten Nacht ein ähnliches Traumbild erblickte, da bedrohte er die Mobeds mit dem Tode, wenn sie ihm keine andere Deutung geben würden. Die Weisen bedachten sich lange und antworteten endlich, Atossa werde einstmals Königin und die Mutter mächtiger Fürsten werden.

      »Mit dieser Auslegung war der König zufrieden und lächelte sonderbar vor sich hin, als er uns seinen Traum erzählte.

      »Kassandane berief mich am selbigen Tage und that mir zu wissen, ich möge, so lieb mir mein Leben wäre, jeder Hoffnung auf den Besitz ihrer Tochter entsagen.

      »Eben wollt’ ich den Garten der hohen Greisin verlassen, als ich Atossa hinter einem Granatengebüsch erblickte. Sie winkte mir. Ich kam. Wir vergaßen Gefahr und Schmerz und nahmen endlich Abschied auf immer. Jetzt wißt ihr Alles. Und nun, wo ich entsagt habe, wo jeder fernere Gedanken an dies holde Wesen Wahnsinn wäre, muß ich mir Gewalt anthun, um nicht eines Weibes wegen, wie der König, in Trübsinn zu verfallen. So lautet das Ende dieser Geschichte, deren Schluß wir schon erwarteten, als mich, den zum Tode Verurteilten, Atossa’s Rose zum Glücklichsten aller Sterblichen machte. Hätt’ ich euch damals, in der vermeinten Todesstunde, mein Geheimniß nicht verrathen, so würde es mit mir zu Grabe gegangen sein! Doch, was rede ich! Auf eure Verschwiegenheit darf ich ja zählen und bitte euch nur, mich nicht so bedauerlich anzublicken. Ich bin, wie ich meine, noch immer beneidenswerth, denn ich habe eine Stunde des Glücks genossen, die hundert Jahre des Elends aufwiegt. Ich danke euch – ich danke! Jetzt aber laßt mich schnell zu Ende kommen!

      »Morgen, wenn Du willst,« antwortete dieser. »Die Aerzte sagten, daß mir die Seefahrt gut bekommen würde. Die Landreise bis Smyrna ist ja nur kurz.«

      »Und ich,« fügte Zopyrus hinzu, »versichere Dich, daß Deine Liebste Dich schneller gesund machen wird, als alle Arzneibereiter der Welt!«

      »Könnten wir nicht als Krieger auftreten?« fragte Zopyrus, »’s ist schmählich, für solchen trügerischen Schacherer gehalten zu werden! Wie wär’s z. B., wenn wir uns für lydische Soldaten ausgeben, die einer Strafe entflohen sind und Dienste im ägyptischen Heere suchten?«

      »Der Vorschlag ließe sich hören!« sagte Bartja. »Auch meine ich, daß man uns, unserer Haltung wegen, eher für Krieger, als für Kaufleute ansehen würde.«

      »Das wäre nicht maßgebend,« erwiederte Gyges. »So ein hellenischer Großhändler und Schiffsherr geht einher, als wenn ihm die Welt gehörte. Uebrigens finde ich den Vorschlag des Zopyrus nicht übel.«

      »Warum nicht gar mit dem Schmucke der Chiliarchen!« rief Gyges. »Das würde bei eurer Jugend Verdacht erregen.«

      »Als gemeine Soldaten können wir doch nicht auftreten.«

      »Nein, aber wohl als Hekatontarchen!«

      »Auch gut,« lachte Zopyrus, »wenn ich mich nur nicht für einen Krämer ausgeben muß! – In drei Tagen geht’s also fort! ’s ist mir lieb, daß ich Zeit behalte, mich des Töchterleins dieses Satrapen zu versichern und endlich


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