Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.sagen, wenn Du mit bleichen Wangen zu ihr kämest!« –
Viertes Kapitel
Ein heißer Hundstags-Morgen war über Naukratis aufgegangen. Der Nil hatte bereits seine Ufer überschritten und die Aecker und Gärten von Aegypten mit Wasserfluthen bedeckt.
Die Häfen an der Mündung des Stromes wimmelten jetzt von Schiffen. Aegyptische Fahrzeuge, bemannt mit den phönizischen Kolonisten der Deltaküste, brachten seine Gewebe von Malta, Metalle und Gestein von Sardinien und Wein und Kupfer aus Cypern487. Griechische Trieren führten feine Oele und Weine, Mastixzweige, chalcidische Erzarbeiten und wollene Gewebe herbei; phönizische und syrische Fahrzeuge mit bunten Segeln, Kupfer, Zinn, Purpurstoffe, Edelsteine, Gewürze, Glasarbeiten, Teppiche und Cedern vom Libanon zum Bau von Häusern, nach dem holzarmen Aegypten, um die Schätze Äthiopiens: Gold, Elfenbein, Ebenholz, bunte Tropenvögel, Edelsteine und schwarze Sklaven, besonders aber das weltberühmte ägyptische Korn oder memphitische Wagen, saïtische Spitzengewebe und feinen Papyrus für ihre Waaren einzutauschen. Aber die Zeit des bloßen Tauschhandels war längst vorüber, und die Kaufleute von Naukratis bezahlten ihre Einkäufe nicht selten mit klingendem Golde und sorglich gewogenem488 Silber.
Große Waarenspeicher umgaben den Hafen der hellenischen Pflanzstadt. Neben ihnen standen leicht gebaute Häuser, in welche Musik und Gelächter, sowie der Blick und Zuruf geschminkter Dirnen die müßigen Seefahrer lockte489. Zwischen schwarzen und weißen Sklaven, welche schwere Ballen auf dem Rücken trugen, tummelten sich Ruderknechte und Steuermänner in verschiedenen Trachten. Schiffsherren in hellenischen oder schreiend bunten phönizischen Kleidern riefen ihren Untergebenen Befehle zu und übergaben den Großhändlern ihre Frachtgüter. Wo sich ein Streit erhob, zeigten sich schnell ägyptische Sicherheitsbeamte mit langen Stäben und hellenische Hafenwächter, die von den Aeltesten der Kaufmannschaft der milesischen Pflanzstadt angestellt waren490.
Jetzt entleerte sich der Hafen, denn die Stunde der Eröffnung des Marktes war nahe491, und der freie Hellene pflegte dort nicht gern zu fehlen. Mancher Neugierige blieb aber diesmal zurück, denn soeben wurde ein schön gebautes samisches Schiff mit langem Schwanenhalse, die Okeia492, an deren Vordertheil ein hölzernes Bild der Göttin Hera prangte, abgeladen. Besonderes Aufsehen erregten drei schöne Jünglinge in lydischer Kriegertracht, welche der Triere entstiegen. Mehrere Sklaven folgten denselben und trugen ihnen einige Kisten und Bündel nach.
Der Schönste der Ankömmlinge, in denen der Leser unsere jungen Freunde Darius, Bartja und Zopyrus erkannt haben wird, redete einen Hafenwächter an und bat ihn, ihm die Wohnung Theopomp’s, des Milesiers, seines Gastfreundes, zu zeigen.
Dienstwillig und höflich, wie alle Griechen, ging der Beamte den Fremden voran und führte sie über den Markt, dessen Eröffnung gerade durch den Klang einer Glocke angezeigt wurde, in ein stattliches Haus, das Eigenthum des angesehensten Mannes von Naukratis, des Milesiers Theopompus.
Aber die Jünglinge waren nicht ohne Aufenthalt über den Markt gekommen. Der Zudringlichkeit frecher Fischverkäufer hatten sie sich ebenso leicht entzogen, als dem einladenden Zurufe der Fleischer, Wurst- und Gemüsehändler, Töpfer und Bäcker. Als sie sich aber dem Platze493 der Blumenmädchen näherten, klatschte Zopyrus vor heller Freude über den reizenden Anblick, der sich vor ihm aufthat, laut in die Hände.
Drei wunderliebliche Geschöpfe in weißen, halbdurchsichtigen Gewändern mit bunten Säumen saßen, von lauter Blumen umgeben, auf niedrigen Sesseln und wanden gemeinsam einen großen Kranz von Rosen, Veilchen und Orangeblüthen. Ihre holden, von Kränzen umgebenen Köpfchen glichen den drei Rosenknospen, welche Eine von ihnen, die unsere Freunde zuerst bemerkt hatte, ihnen entgegenhielt.
»Kauft mir meine Rosen ab, ihr schönen Herren!« rief sie mit heller, klangvoller Stimme, »und steckt sie euren Liebchen in die Haare!«
Zopyrus nahm die Blumen und gab, die Hand des Mädchens festhaltend, zurück: »Ich komme soeben aus weiter Ferne, schönes Kind, und habe noch keine Freundin zu Naukratis; darum laß mich diese Rosen in Dein eigenes goldenes Haar und dieses Goldstück in Dein weißes Händchen stecken!«
Das Mädchen lachte fröhlich auf, zeigte die überreiche Gabe494 ihrer Schwester und rief: »Beim Eros! Jünglingen wie euch kann es nicht an Freundinnen fehlen! Seid ihr Brüder?«
»Nein!«
»Das ist schade, denn wir sind Schwestern!«
»Und Du meinst, daß wir drei hübsche Pärchen abgeben würden?«
»Das hab’ ich vielleicht gedacht; aber nicht gesagt.«
»Und Deine Schwestern?«
Die Mädchen lachten, schienen kaum abgeneigt gegen eine derartige Verbindung zu sein und reichten auch Bartja und Darius Rosenknospen dar.
Die Jünglinge nahmen die Blumen an, spendeten gleichfalls ein Goldstück und wurden nicht eher von den Schönen fortgelassen, bis sie den Helm eines jeden mit grünen Lorbeerblättern umkränzt hatten.
Die Kunde von der seltenen Freigebigkeit der Fremden hatte sich indessen unter den vielen Blumenmädchen, welche rings umher Bänder, Blüthen und Kränze feilhielten, verbreitet. Jede reichte ihnen Rosen und lud sie mit Blicken und Worten ein, zu verweilen und zu kaufen.
Zopyrus wäre gern, wie mancher junge Herr von Naukratis, noch viel länger bei den Mädchen geblieben, die sich fast alle durch Schönheit und leicht zu gewinnende Herzen auszeichneten; Darius drängte ihn aber fort und ersuchte Bartja, dem Leichtsinnigen jeden weiteren Aufenthalt zu verbieten. So gelangten sie denn, nachdem sie bei den Tischen der Wechsler und den Bürgern, die, auf steinernen Bänken sitzend, unter freiem Himmel Rath hielten, vorbeigekommen waren, zum Hause des Theopomp.
Sobald ihr hellenischer Führer mit dem metallenen Klopfer an die Thüre gepocht hatte, ward sie von einem Sklaven geöffnet. Da sich der Hausherr auf dem Markte befand, wurden die Fremden von dem Beschließer, einem im Hause des Theopomp ergrauten Diener, in die Andronitis495 geführt und gebeten, dort die Heimkehr des Wirthes zu erwarten.
Während sich die Jünglinge noch an den schönen Wandmalereien und der kunstreichen Steinarbeit des Fußbodens dieser Halle erfreuten, kehrte Theopompus, jener Großhändler, den wir bereits im Hause der Rhodopis kennen gelernt haben, begleitet von vielen Sklaven, welche ihm die von ihm erstandenen Gegenstände nachtrugen, vom Markte zurück496.
Der Milesier kam den Fremden mit anmuthiger Höflichkeit entgegen und fragte in verbindlicher Weise, womit er ihnen dienen könnte.
Nachdem Bartja sich überzeugt hatte, daß sich kein unberufener Hörer in der Nähe aufhalte, übergab er dem Hausherrn die Briefrolle, welche ihm von Phanes beim Abschiede übergeben worden war.
Kaum hatte Theopompus das Schreiben gelesen, als er sich tief vor dem Königssohne verbeugte und ausrief: »Beim Zeus, der das Gastrecht wahrt, eine größere Ehre, als durch Deinen Besuch, hätte meinem Hause nicht widerfahren können. Betrachte Alles, was ich habe, als Dein Eigenthum, und bitte auch Deine Begleiter, bei mir vorlieb zu nehmen! Verzeihe, wenn ich Dich in Deinen