Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.sowie die gleichfalls von Phanes geworbenen Hülfsschiffe der Cyprier und Samier. Mit Letzteren hatte es eine eigene Bewandtniß. Polykrates sah nämlich die Aufforderung, dem Kambyses eine Flotte zu senden, für eine günstige Gelegenheit an, um sich auf einmal von allen mit seiner Alleinherrschaft unzufriedenen Bürgern zu befreien. So ließ er denn vierzig Trieren mit achttausend mißvergnügten Samiern bemannen und sandte sie den Persern zu, mit der Bitte, keinen Einzigen von ihnen heimkehren zu lassen563.
Sobald Phanes dieses erfahren hatte, warnte er die Preisgegebenen, welche dann statt gegen Aegypten zu kämpfen, nach Samos zurückfuhren und Polykrates zu stürzen versuchten. Sie wurden aber von ihm in einem Landtreffen geschlagen, begaben sich nach Sparta und suchten dort Hülfe gegen den Zwingherrn.
Einen vollen Monat vor der Ueberschwemmungszeit standen die persischen den ägyptischen Heeren bei Pelusium an der Nordostküste des Delta gegenüber.
Alle Anordnungen des Phanes hatten sich als vorzüglich bewährt. Die Reise eines Heeres durch die Wüste, welche sonst Tausende von Opfern zu fordern pflegte, war diesmal, Dank den ihre Versprechungen treulich haltenden Arabern, ohne sonderliche Verluste zurückgelegt worden, und die glücklich gewählte Jahreszeit gestattete den persischen Soldaten, auf trockenen Wegen bequem und ohne Säumniß in Aegypten einzudringen.
Der König hatte seinen hellenischen Freund mit großer Auszeichnung empfangen und freundlich genickt, als ihm derselbe zurief: »Ich habe vernommen, daß Du seit dem Tode Deiner schönen Freundin weniger heiter zu sein pflegst, als früher. Dem Manne ziemt ein langes Festhalten an seinem Schmerze, während die Frau ihr Leid in stürmischen, aber flüchtigen Klagen ausströmt. Ich fühle mit Dir, was Dich bewegt, denn auch ich verlor mein Liebstes. Danken wir gemeinsam den Göttern, daß sie uns die besten Mittel gegen den Schmerz, Kampf und Rache, gewähren!«
Dann begleitete Phanes den Herrscher zu seinen Soldaten und zum Schmause. Es war staunenswerth, welchen Einfluß er auf den grimmen Mann zu üben verstand, wie gemessen, ja zuweilen heiter Kambyses wurde, sobald der Athener in seiner Nähe erschien.
Wenn das persische Reichsheer ungeheuer genannt werden mußte, so war auch die Zahl der ägyptischen Truppen keineswegs zu verachten.
Das Lager derselben lehnte sich an die Mauern von Pelusium, der Grenzfestung, welche Ägypten von Alters her vor den Einfällen der Völker des Ostens zu sichern bestimmt war. Ueberläufer versicherten die Perser, daß die Gesammtheit des Pharaonischen Heeres beinahe sechsmalhunderttausend Mann betrage.
Außer einer großen Anzahl von Wagenkämpfern, dreißigtausend karischen und ionischen Söldnern und dem Gendarmeriecorps der Mazaï564 hatten sich zweimalhundertfünfzigtausend Kalasirier, einmalhundertsechzigtausend Hermotybier, zwanzigtausend Reiter565 und viele Hülfstruppen (über fünfzigtausend Mann), unter denen die libyschen Maschawascha566 sich durch alten Kriegsruhm, die Aethiopier durch große Anzahl hervorthaten, unter den Feldzeichen des Psamtik versammelt.
Die Infanterie war in Regimenter und Kompagnieen, welche sich um vielerlei Feldzeichen567 schaarten, eingetheilt und abtheilungsweise verschieden gerüstet. Da gab es Schwerbewaffnete mit großen Schildern, Lanzen und Dolchen; Beil- und Schwertfechter568 mit kleinen Schildern und leichten Keulen, Schleuderer und, als Hauptmasse des Heeres, Schützen, deren ungespannte Bogen die Höhe des Menschenleibes beinah’ erreichten. Die Reiter waren nur mit dem Schurze bekleidet und führten leichte, den Morgensternen ähnliche Keulen, während die Wagenkämpfer, welche dem vornehmsten Theile der Kriegerkaste angehörten, im reichsten Schmuck in den Kampf zogen und sowohl auf das Geschirr ihrer herrlichen, weltberühmten Rosse569, als auf die Pracht ihrer zweirädrigen Fuhrwerke große Summen verwandten570. An ihrer Seite standen die Wagenlenker, während sie selbst, nur auf den Kampf bedacht, mit Bogen und Lanzen zu fechten pflegten.
Das Fußvolk der Perser war nicht viel zahlreicher, als die ägyptische Infanterie, wogegen die asiatische Reiterei die Kavallerie der Nilthalbewohner um das Sechsfache übertraf.
Sobald die beiden Heere einander gegenüber standen, ließ Kambyses das weite pelusinische Gefilde von Gestrüpp und Bäumen reinigen und die Sandhügel, welche da und dort zu sehen waren, abräumen, um seinen Reitern und Sichelwagen freie Bahn zu schaffen571. Phanes unterstützte ihn mit seiner genauen Kenntniß des Orts und wußte es dahin zu bringen, daß sein mit tiefer strategischer Einsicht entworfener Schlachtplan nicht nur von Kambyses, sondern auch von dem alten Oberfeldherrn Megabyzus und den kriegskundigsten Achämeniden angenommen wurde. Seine Lokalkunde war besonders schätzenswerth wegen der Sümpfe, die die pelusinische Ebene durchzogen und die, sollte der Kampf für die Perser einen günstigen Ausgang nehmen, vermieden werden mußten. Nach Beendigung des Kriegsraths bat der Athener noch einmal um das Wort und sagte: »Jetzt endlich darf ich auch eure Neugier in Bezug auf die verschlossenen Wagen voller Thiere, die ich hierher schaffen ließ, befriedigen. Sie enthalten fünftausend Katzen. Ihr lacht; ich versichere euch aber, daß diese Thiere uns nützlicher sein werden, als hunderttausend Schwertkämpfer! Viele von euch kennen jenen Aberglauben der Aegypter, dem zuliebe sie eher sterben, als eine Katze tödten. Ich selbst hätte, wegen des Mordes solcher Vierfüßler, beinahe mein Leben eingebüßt. Dieses Aberglaubens gedenkend, hab’ ich, wohin ich kam, auf Cypern, woselbst es prächtige Mäusefänger gibt, auf Samos, Kreta und in ganz Syrien alle Katzen, deren man habhaft werden konnte, einfangen lassen und mache euch nun den Vorschlag, sie an die Soldaten, welche rein ägyptischen Gruppen gegenüberstehen, zu vertheilen und den Leuten zu befehlen, die heiligen Geschöpfe an ihre Schilder zu binden und den Angreifern entgegenzuhalten. Ich wette, daß jeder rechte Aegypter lieber das Schlachtfeld verlassen, als auf eines der angebeteten Thiere schießen wird572!«
Ein schallendes Gelächter antwortete diesem Vorschlage, der bei näherer Erwägung gebilligt und zur sofortigen Ausführung anempfohlen wurde. Kambyses bot dem erfindungsreichen Hellenen die Hand zum Kusse, ersetzte seine Auslagen mit einem überreichen Geschenke und drang in ihn, sich mit einer vornehmen Perserin zu vermählen573. Dann lud er den Athener zum Abendschmause ein; Phanes entschuldigte sich aber mit der nothwendigen Musterung der ihm kaum bekannten ionischen Truppen, welche er führen sollte, und begab sich in sein Zelt.
An der Thür desselben fand er seine Sklaven im Streite mit einem bärtigen, zerlumpten und beschmutzten Greise, der durchaus mit ihm zu sprechen begehrte. Phanes hielt den Alten für einen Bettler und warf ihm ein Goldstück hin; Jener bückte sich aber nicht einmal nach der reichen Gabe, sondern rief, indem er ihn am Mantel festhielt: »Ich bin Aristomachus von Sparta!«
Phanes erkannte jetzt den grausam veränderten Freund, führte ihn in sein Zelt, ließ ihm die Füße waschen und das Haupt salben, gab ihm Wein und Fleisch zur Stärkung, nahm ihm seine Lumpen ab und legte einen neuen Chiton um seine abgemagerten, sehnigen Schultern.
Aristomachus ließ sich dies Alles schweigend gefallen. Erst nachdem er durch die kräftige Kost und den belebenden Trunk neue Kräfte gesammelt hatte, beantwortete er die Fragen des drängenden Atheners und erzählte ihm Folgendes:
»Als Psamtik das Söhnlein des Phanes gemordet hatte, war er ihm mit der Erklärung entgegengetreten, daß er seine Untergebenen veranlassen werde, aus dem Dienst des Amasis zu treten, wenn man das Töchterlein seines Freundes nicht ohne Säumen freilassen und eine genügende Auskunft über das Ende des verschwundenen Knaben geben würde. Der