Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.gestattet. Auch mußt Du den Göttern, die Dir solche Söhne und Rache an Deinen Feinden schenkten, dankbar sein. Ich werde, wenn ich genesen bin, nach Hellas reisen und Deinem Sohne mittheilen, sein Vater sei, eines ruhmvollen Todes sterbend, auf seinem Schilde vom Schlachtfelde in das Grab getragen worden.«
»Thue das und übergib ihm meinen Schild, den er als Andenken an seinen alten Vater aufbewahren soll. Ich habe nicht nöthig, ihn zur Tugend zu ermahnen.«
»Soll ich Psamtik, wenn wir ihn gefangen haben werden, mittheilen, was Du zu seinem Sturze beigetragen?«
»Nein; er sah mich, bevor er floh, und ließ vor Schreck über den unerwarteten Anblick den Bogen fallen. Seine Freunde hielten dies für ein Zeichen zur Flucht und wandten ihre Rosse.«
»Die Götter verderben den Frevler durch seine eigenen Schandthaten. Psamtik verlor den Muth, als er glauben mußte, daß selbst die Geister aus der Unterwelt gegen ihn kämpften.«
»Er hatte mit den Sterblichen genug zu thun! Die Perser haben gut gekämpft. Dennoch wäre ohne die Garden und uns die Schlacht verloren gewesen!«
»Ganz gewiß!«
»Zeus Lacedämonius, ich danke Dir!«
»Du betest?«
»Ich preise die Götter, denn sie lassen mich ohne Sorge für unser Vaterland scheiden. Diese zusammengewürfelten Massen sind der hellenischen Heimath nicht gefährlich. – Heda, Arzt! Wann werde ich sterben?«
Der Heilkünstler von Milet, welcher die dem persischen Heerbanne folgenden kleinasiatischen Griechen nach Aegypten begleitet hatte, lächelte schmerzlich und sagte, auf die Pfeilspitze, welche in der Brust des Spartaners steckte, weisend. »Nur noch wenige Stunden darfst Du das Tageslicht schauen. Sobald ich das Geschoß aus Deiner Wunde entfernen würde, müßtest Du den Geist aufgeben!«
Der Spartaner dankte dem Arzte, sagte Phanes Lebewohl, bat ihn, Rhodopis zu grüßen, und zog, ehe er daran verhindert werden konnte, mit sicherer Hand den Pfeil aus seiner Brust. Wenige Augenblicke später war Aristomachus gestorben.
Selbigen Tages fuhr eine persische Gesandtschaft auf einem lesbischen Fahrzeuge nach Memphis, um den König aufzufordern, sich und die Stadt auf Gnade und Ungnade zu ergeben. Kambyses folgte ihr, nachdem er eine Abtheilung des Heeres unter Megabyzus zur Einnahme von Sais abgeschickt hatte.
In Heliopolis kamen ihm Gesandtschaften der hellenischen Bewohner von Naukratis und der Libyer, welche ihn um Schutz und Frieden baten, mit einem goldenen Kranze und reichen Geschenken entgegen. Er nahm sie gnädig auf und verhieß ihnen seine Freundschaft; die Gesandten von Cyrene und Barka wies er aber zornig ab und warf ihren Tribut, fünfhundert Silberminen585, welcher ihm verächtlich klein erschien, mit eigenen Händen unter die Soldaten aus.
An demselben Orte kam ihm auch die Nachricht zu, daß die Memphiten bei der Ankunft seiner Gesandtschaft schaarenweis herbeigeströmt wären, das Schiff in den Grund gebohrt und seine Fahrgäste, ohne Unterschied, wie rohes Fleisch in Stücke gerissen und in die Festung geschleift hätten586. Kambyses rief, sobald er dies gehört hatte, zornig aus: »So sollen denn, beim Mithra, für jeden dieser gemordeten Männer zehn Bewohner von Memphis zu Tode gehen!« – Zwei Tage später hielt er mit seinem Heere vor den Thoren der Riesenstadt. Die Belagerung derselben dauerte nur kurze Zeit, denn die Besatzung war viel zu klein für die Größe des Platzes und die Bürgerschaft entmuthigt von der furchtbaren pelusinischen Niederlage.
König Psamtik selbst zog dem Könige mit seinen vornehmsten Hofbeamten entgegen. Der unglückliche Mann erschien in zerrissenen Kleidern und hatte alle Zeichen der Trauer angelegt. Kambyses empfing ihn mit kaltem Schweigen und befahl, ihn sammt seinem Gefolge festzunehmen und abzuführen. Die Wittwe des Amasis, Ladice, welche gleichfalls erschienen war, wurde mit Rücksicht behandelt, und auf Verwenden des Phanes, gegen den sie sich immer huldreich bewiesen hatte, unter sicherer Bedeckung in ihre Heimath Cyrene zurückgeschickt, woselbst sie bis zum Sturze ihres Neffen Arkesilaus III. und der Flucht ihrer Schwester Pheretime verblieb. Dann siedelte sie nach Anthylla, der ihr in Aegypten gehörenden Stadt, über587, lebte dort still und einsam und starb in hohem Alter.
Kambyses verschmähte es, den an ihm verübten Betrug an einem Weibe zu rächen, und hatte als Perser zu viel Ehrfurcht vor einer Mutter, besonders aber vor der Mutter eines Königs, um der Wittwe des Amasis ein Leid anzuthun.
Psamtik verweilte, in fürstlichen Räumen und fürstlich bedient, unter strenger Bewachung im Palaste der Pharaonen, während Kambyses die Residenzstadt Sais belagerte und einnahm.
Unter den vornehmen Aegyptern, welche das Volk zum Widerstande aufgereizt hatten, nahm Neithotep, der Oberpriester der Neith, den ersten Platz ein und wurde mit hundert seiner unglücklichen Mitschuldigen zu schwerer Gefangenschaft nach Memphis geschickt. Der größte Theil der Hofbeamten des Pharao brachte dagegen zu Sais dem Kambyses freiwillig seine Huldigung dar, gab ihm den Namen Ramestu, d. i. Kind der Sonne, und veranlaßte ihn, sich förmlich als König von Ober- und Unterägypten krönen und nach alter Sitte in die Priesterkaste aufnehmen zu lassen. Kambyses ließ sich das Alles auf den Rath des Phanes und Krösus, wenn auch widerwillig, gefallen; ja er opferte sogar im Tempel der Neith und ließ sich von dem neuen Oberpriester der Göttin einen flüchtigen Einblick in das Wesen der Mysterien geben. Einige der alten Höflinge zog er in seine Nähe, viele Verwaltungsbeamte beförderte er auf hohe Posten; der Admiral der Nilflotte des Amasis verstand es sogar, sich seine Gunst zu erwerben und sich zum Tischgenossen ernennen zu lassen588. Als Kambyses endlich die Stadt verließ, bestellte er Megabyzus zum Gouverneur derselben. Kaum hatte aber der König Sais verlassen, als das niedere Volk seinem verhaltenen Groll Luft machte, persische Wachtposten meuchlings ermordete, Brunnen vergiftete und die Ställe der Reiterei in Brand steckte. Megabyzus begab sich nach diesen Vorfällen zum Könige und stellte ihm vor, daß solche Feindseligkeit, wenn sie nicht durch Furcht niedergehalten werde, leicht zum offenen Aufstande führen könne. »Laß,« so sagte er, »die zweitausend vornehmen Jünglinge von Memphis, die Du, zur Strafe für die Ermordung unserer Gesandtschaft, zum Tode bestimmt hast, unverzüglich hinrichten. Auch kann es nicht schaden, wenn Du den Sohn des Psamtik, um den sich die Empörer einstmals schaaren werden, zu den Verurtheilten gesellst. Die Töchter des früheren Königs und des Oberpriesters Neithotep müssen, wie ich höre, für die Bäder des edlen Phanes Wasser tragen.«
Der Athener lächelte bei diesen Worten und sagte: »Kambyses, mein Herr, hat mir auf meine Bitte so vornehme Dienerinnen zu halten gestattet.«
»Dir aber verboten,« fügte Kambyses hinzu, »das Leben irgend eines Mitgliedes des gestürzten Herrscherhauses zu gefährden. Nur ein König darf Könige bestrafen!«
Phanes verneigte sich; Kambyses aber wandte sich wiederum an Megabyzus und befahl ihm, die Hinrichtung der Verurteilten am folgenden Tage als warnendes Beispiel vollziehen zu lassen. Ueber das Schicksal des Königssohnes wollte er später eine Entscheidung fällen; derselbe sollte aber jedenfalls mit den anderen Verurtheilten zum Richtplatze geführt werden. »Man muß sehen,« rief er, »daß wir der Feindseligkeit mit Strenge zu begegnen wissen!«
Als Krösus sich erlaubte, um Gnade für den unschuldigen Knaben zu bitten, lächelte Kambyses und sagte: »Sei ruhig, alter Freund, das Kind ist noch am Leben und wird es vielleicht nicht schlimmer bei uns haben, als Dein Sohn, der bei Pelusium so wacker kämpfte! Uebrigens möcht’ ich wissen, ob Psamtik sein Schicksal gefaßt und männlich, wie Du vor fünfundzwanzig Jahren, zu tragen versteht!«
»Das käme auf einen Versuch an!« sagte Phanes. »Laß den König in den Schloßhof treten und die Gefangenen und Verurteilten an ihm vorüberführen, dann wird sich erweisen, ob er ein Mann ist oder ein Feigling.«
»So sei es!« rief Kambyses. »Ich werbe mich verbergen und ihn ungesehen beobachten. Du begleitest mich, Phanes, und nennst mir den Namen