Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.vergiftet!«
»Der Unglückliche!« rief Krösus. »Von den Göttern verblendet, mußte er, als Verräther seines Vaterlandes, statt der Rache, Verzweiflung ernten!«
»Ich beklage den Armen!« murmelte Rhodopis. »Aber seht nur, die Ruderknechte ziehen schon die Riemen ein! Wir sind am Ziele; dort drüben warten eure Sänften und Wagen. Das war eine schöne Fahrt! Lebt wohl, ihr Lieben, und laßt euch bald in Naukratis sehen! Ich kehre sogleich mit Syloson und Theopompus dorthin zurück. Gib der kleinen Parmys in meinem Namen hundert Küsse und sage Melitta, sie solle mit dem Kinde während der Mittagszeit niemals in’s Freie treten. Das ist gefährlich, wegen der Augenkrankheit623. Gute Nacht, Krösus, – gute Nacht, ihr Freunde, lebe wohl, mein lieber Sohn!«
Die Perser verließen, winkend und grüßend, das Schiff. Auch Bartja wandte sich noch einmal um, trat fehl und fiel auf der Landungsbrücke nieder.
Zopyrus eilte herbei und rief dem Freunde, welcher schon ohne seine Hülfe aufgesprungen war, lachend zu: »Nimm Dich in Acht, Bartja! Es bedeutet Unglück, wenn man, an’s Land tretend, hinfällt – Mir ging es gerade so, als wir damals zu Naukratis vom Schiffe stiegen!«
Achtes Kapitel
Während der oben beschriebenen Nilfahrt war der Botschafter Prexaspes von den langlebenden Aethiopen, zu denen ihn Kambyses geschickt hatte, zurückgekehrt624. Er pries die Größe und Stärke dieser Menschen, schilderte den Weg zu ihnen als unzugänglich für ein großes Heer und wußte Wunderdinge zu erzählen. Die Aethiopen pflegten den schönsten und stärksten Mann ihres Volkes zum Könige zu machen und gehorchten ihm unbedingt. Viele von ihnen wurden 120 Jahre alt; nicht wenige aber lebten noch länger. Ihre Speise war gekochtes Fleisch, ihr Getränk frische Milch. Sie wuschen sich in einer Quelle, deren Wasser wie Veilchen duftete, der Haut eigenthümlichen Glanz verlieh und so leicht war, daß Holz in ihr unterging. Ihre Gefangenen trugen goldene Fesseln, da das Erz bei ihnen außerordentlich selten und theuer war. Ihre Todten überzogen sie mit Gyps, begossen sie mit einer glasartigen Masse und behielten die also entstehenden Säulen ein Jahr im Hause. Hier brachten sie den Verstorbenen Opfer und stellten sie später um die Stadt her in langen Reihen auf.
Der König dieses seltsamen Volkes nahm die Geschenke, welche ihm Kambyses übersandt hatte, spottend an und sagte, er wisse recht wohl, daß den Persern nichts an seiner Freundschaft gelegen und Prexaspes nur gekommen sei, um Aethiopien auszukundschaften. Wenn der Fürst von Asien rechtschaffen wäre, so würde er sich mit seinem großen Reiche begnügen und ein Volk, das ihm keine Beleidigung zugefügt habe, nicht unterjochen wollen. »Bringe Deinem Könige diesen Bogen,« sagte er, »und rathe ihm, er möge dann erst gegen uns zu Felde ziehen, wenn die Perser Waffen, wie diese, ebenso leicht wie wir zu spannen vermögen. Uebrigens soll Kambyses den Göttern danken, daß die Aethiopen noch nicht auf den Einfall gekommen sind, zu ihrem eigenen auch noch fremde Gebiete zu erobern!«
Nach diesen Worten spannte er seinen Bogen ab und gab ihn Prexaspes, der das mächtige Geschoß von Ebenholz seinem Gebieter überbrachte.
Kambyses lachte über den prahlerischen Afrikaner, lud seine Großen zur Probe des Bogens auf den nächsten Morgen ein und belohnte Prexaspes für seine beschwerliche Reise und die geschickte Ausrichtung der ihm anvertrauten Botschaft. Trunken, wie gewöhnlich, legte er sich nieder und verfiel in einen unruhigen Schlaf. Als er aufwachte, hatte ihm geträumt, Bartja sitze auf dem persischen Königsthrone und berühre mit seinem Scheitel den Himmel625.
Diesen Traum, zu dessen Deutung er weder Mobeds noch Chaldäer bedurfte, erregte erst seinen Zorn, dann sein Nachdenken.
»Hast Du nicht,« so fragte sich der schlaflose Mann, »Deinem Bruder Grund zur Rache gegeben? Sollte er vergessen haben, daß Du ihn schuldlos in den Kerker warfest und zum Tode verurteiltest? Würden ihm nicht alle Achämeniden, wenn er die Hand gegen Dich erheben wollte, zur Seite stehen? Was habe ich auch gethan, um mir die Liebe dieser feilen Höflinge zu erwerben? Was will ich in Zukunft thun, um sie für mich zu gewinnen? Gibt es denn nach dem Tode der Nitetis und der Flucht jenes wunderbaren Hellenen noch einen einzigen Menschen, dem ich trauen, auf dessen Zuneigung ich zählen darf?«
Diese Fragen erregten sein siedendes Blut so sehr, daß er von seinem Lager sprang und ausrief: »Die Liebe will nichts von mir, ich nichts von der Liebe wissen! Andere mögen es mit Güte versuchen; ich muß Strenge üben, sonst verfalle ich den Händen Derer, die mich hassen, weil ich gerecht gewesen bin und schweres Unrecht mit schweren Strafen heimgesucht habe. In meine Ohren flüstern sie Schmeichelworte, hinter meinem Rücken verfluchen sie mich! Selbst die Götter sind meine Feinde, denn sie rauben mir Alles, was ich liebe, und gönnen mir nicht einmal Nachkommen und den mir gebührenden Waffenruhm! Ist denn Bartja so viel besser als ich, daß ihm Alles, was ich entbehren muß, hundertfach zu Theil wird? Liebe, Freundschaft, Ehre, Kinder, Alles fließt ihm zu, wie dem Meere die Ströme, während mein Herz wie die Wüste verdorrt! – Aber noch bin ich König, noch kann und will ich ihm zeigen, wer der Stärkere ist von uns Beiden; mag auch sein Scheitel an den Himmel stoßen! Nur Einer darf groß sein in Persien! Er oder ich, ich oder er! In den nächsten Tagen will ich ihn nach Asien zurückschicken und zum Satrapen von Baktrien machen. Dort mag er sich von seinem Weibe Lieder singen lassen und den Wärter seines Kindes spielen, während ich im Kampfe gegen die Aethiopen ungeschmälerten Ruhm gewinne! Heda, ihr Ankleider! Bringt meine Gewänder und einen tüchtigen Morgentrunk! Ich will den Persern zeigen, daß ich zum Könige von Aethiopien tauge und sie allesammt im Bogenspannen bemeistere! Noch einen Trunk! Ich spanne das Geschoß, auch wenn seine Sehne ein Schiffstau und das Bogenholz eine Ceder wäre!«
Nach diesen Worten leerte er einen riesigen Humpen voll Wein auf einen Zug und begab sich, im vollen Bewußtsein seiner riesigen Kraft, des Erfolges gewiß, in den Schloßgarten, woselbst alle Großen des Reichs auf den König warteten und ihn mit lautem Zuruf, den Boden mit der Stirn berührend, empfingen.
Zwischen den geschorenen Hecken und geradlinigen Baumgängen626 erhoben sich schnellerrichtete Säulen, welche mit scharlachenen Stricken verbunden waren. An goldenen und silbernen Ringen flatterten von diesen herab rothe, gelbe und dunkelblaue Tücher627. Zahlreiche Bänke von vergoldetem Holze standen in weitem Kreise umher und luden zur Ruhe ein, während behende Schenken Wein in prächtigen Gefäßen herbeibrachten und den zum Bogenspannen Versammelten anboten.
Auf einen Wink des Königs erhoben sich die Achämeniden von der Erde.
Sein Blick überflog ihre Reihen und blitzte freudig auf, als er die Abwesenheit seines Bruders bemerkte. Nun überreichte Prexaspes seinem Gebieter den äthiopischen Bogen und zeigte ihm eine in ziemlicher Entfernung aufgestellte Schießscheibe. Kambyses lachte über die Größe derselben, wog das Geschoß mit der Rechten, forderte seine Getreuen auf, ihr Glück vor ihm zu versuchen, und übergab den Bogen zuerst dem greisen Hystaspes, als dem Vornehmsten der Achämeniden.
Während erst dieser, dann die Häupter der anderen sechs vornehmsten Geschlechter in Persien sich vergeblich abmühten, die ungeheure Waffe zu spannen, leerte der König Becher auf Becher und wurde um so fröhlicher, je weniger es einem von ihnen gelingen wollte, die Aufgabe des Aethiopen zu lösen. Endlich ergriff Darius, dessen Kunst im Bogenspannen berühmt war, das Geschoß und versuchte seine Kraft. Aber trotz aller Anstrengung gelang es ihm nur, das eisenfeste Holz einen Finger breit zu biegen. Der König nickte ihm dieses Erfolges wegen freundlich zu und rief, mit siegesgewissem Blicke seine Verwandten und Großen musternd: »Gib den Bogen her, Darius! Ich will euch zeigen, daß nur Einer in Persien lebt, der den Namen ›König‹ verdient, daß nur Einer es wagen darf, gegen