Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


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ihr neuen Befehleertheilen und hielt die vielen ihr untergebenen Sklavinnen, denen sie mit vornehmer Herablassung begegnete, in fortwährender Bewegung.

      Sappho folgte der Alten, nachdem sie ihren runden Arm um den Hals ihres Gatten geschlungen und ihm schmeichlerisch in’s Ohr geflüstert hatte: »Erzähle doch der Großmutter Alles und frage, ob sie Dir Recht gibt!« –

      Ehe ihr Bartja antworten konnte, hatte sie seinen Mund geküßt und war der würdevoll dahinschreitenden Alten eilend gefolgt.

      Der Königssohn schaute ihr lächelnd nach und wurde nicht müde, ihren schwebenden Gang und ihre herrliche Gestalt schweigend zu bewundern. Endlich wandte er sich wieder an die Greisin und fragte: »Findest Du nicht auch, daß sie in der letzten Zeit gewachsen ist?«

      »Es scheint so,« antwortete Rhodopis. »Die Jungfräulichkeit breitet einen eigenen Anmuthszauber über das Weib; aber erst die Mutterschaft ist es, welche ihm die rechte Ehrwürdigkeit verleiht. Diese erhebt das Haupt der Frau. Wir wähnen, sie müsse körperlich gewachsen sein, während sie sich nur durch das Bewußtsein, ihre Bestimmung erfüllt zu haben, innerlich erhoben fühlt!«

      »Ja, ich glaube, daß sie glücklich ist,« gab Bartja der Greisin zurück. »Gestern waren wir zum ersten Male verschiedener Ansicht. Als sie uns soeben verließ, bat sie mich heimlich, Dir unsere Streitfrage vorzulegen, und ich folge ihr gern, da ich Deine Weisheit und Lebensklugheit eben so hoch schätze, als ich ihre kindliche Unerfahrenheit liebe.«

      Nun erzählte Bartja der Greisin den Verlauf jener verhängnißvollen Bogenprobe und schloß mit den Worten: »Krösus tadelt meine Unvorsichtigkeit; ich kenne aber meinen Bruder und weiß, daß er zwar im Zorne zu jeder Gewalttat fähig ist und wohl im Stande gewesen wäre, mir im Angesicht seiner Niederlage den Tod zu geben, daß er jedoch, wenn sein Groll verraucht ist, meine Ueberhebung vergessen und sich nur bemühen wird, mich in Zukunft durch Großthaten zu übertreffen. Noch vor einem Jahre ist er bei Weitem der beste Schütze in Persien gewesen und würde es heute noch sein, wenn seine Riesenkräfte nicht durch den Trunk und seine bösen Krämpfe geschwächt worden wären. Von der andern Seite fühle ich, daß meine Stärke täglich zunimmt –«

      »Reines Glück,« unterbrach Rhodopis den Jüngling, »stählt die Arme des Mannes, wie es die Schönheit des Weibes erhöht; während Unmäßigkeit und Qualen der Seele Körper und Geist sicherer zerrütten, als Krankheit und Alter. Hüte Dich vor Deinem Bruder, mein Sohn, denn eben so gut, wie sein ursprünglich starker Arm erlahmen konnte, kann seine ursprünglich edle Seele ihre Hoheit einbüßen. Traue meiner Erfahrung, die mich lehrt, daß, wer der Sklave einer schändlichen Leidenschaft geworden ist, sehr selten Herr seiner anderen Triebe bleibt. Außerdem trägt Niemand schwerer eine Erniedrigung, als der Sinkende, welcher das Abnehmen seiner Kräfte fühlt. Hüte Dich vor Deinem Bruder und traue mehr der Stimme der Erfahrung, als Deinem eigenen Herzen, welches, weil es selbst edel fühlt, jedes andere für edel zu halten geneigt ist.«

      »Diese Worte,« erwiederte Bartja, »zeigen mir im Voraus, daß Du Sappho’s Ansicht theilen wirst. Sie hat mich nämlich gebeten, so schwer ihr auch die Trennung von Dir werden würde, Aegypten zu verlassen und mit ihr nach Persien zurückzukehren. Sie meint, daß Kambyses, wenn er nichts von mir hört und sieht, seinen Groll vergessen wird. Ich habe sie bisher für allzu ängstlich gehalten und würde mich nur ungern von dem Feldzuge gegen die Aethiopen ausschließen . . .«

      »Ich aber,« unterbrach ihn Rhodopis abermals, »bitte Dich dringend, ihrem von einem richtigen Gefühle und wahrer Liebe eingegebenen Rathe zu folgen. Die Götter wissen, welchen Kummer mir die Trennung von euch bereiten wird, dennoch rufe ich tausend und tausend Mal: Kehre nach Persien zurück und bedenke, daß nur Thoren ihr Leben und ihr Glück zwecklos auf’s Spiel setzen! Der Krieg mit den Aethiopen ist ein Wahnsinn, denn ihr werdet nicht den schwarzen Bewohnern des Südens, wohl aber der Hitze, dem Durst und den Schrecknissen der Wüste unterliegen. Dies gilt von dem beabsichtigten Feldzuge im Allgemeinen; was Dich im Besondern betrifft, so gebe ich Dir zu bedenken, daß Du Dein eigenes Leben und das Glück der Deinen unnütz auf’s Spiel setzest, wenn kein Kriegsruhm zu gewinnen ist; daß Du aber, solltest Du Dich von neuem auszeichnen, den Groll und die Eifersucht Deines Bruders zum andern Male reizen würdest. Geh’ nach Persien, mein Sohn, und zwar so bald wie möglich!«

      Als Bartja eben mit Zweifeln und Einwänden antworten wollte, erblickte er Prexaspes, der mit bleichem Angesicht auf ihn zutrat.

      Bartja hörte Prexaspes an, ohne daß ihm die kurze und verlegene Art des Botschafters aufgefallen wäre. Er freute sich über die vermeinte Mäßigung seines Bruders und jenen Auftrag, der ihn aller Zweifel in Betreff seiner Entfernung von Aegypten enthob, reichte dem vermeinten Freunde die Hand zum Kusse und forderte ihn auf, ihm in den Palast zu folgen.

      Als es kühler zu werden anfing, nahm er von Sappho und dem Kinde, das auf Melitta’s Armen ruhte, einen kurzen, aber herzlichen Abschied, befahl seiner Gattin, die Reise zu Kassandane so bald als möglich anzutreten, rief seiner Schwiegermutter neckend zu, daß sie sich diesmal doch in der Beurtheilung eines Menschen, nämlich seines Bruders, getäuscht habe, und schwang sich auf sein Roß.

      Als Prexaspes das seine besteigen wollte, flüsterte ihm Sappho zu: »Gib Acht auf ihn und erinnere den Wagehals an mich und das Kind, wenn er sich unnöthigen Gefahren aussetzen will!«

      »Ich muß ihn schon zu Pelusium verlassen,« antwortete der Botschafter, indem er sich, um den Blicken des jungen Weibes auszuweichen, mit dem Zaumzeuge seines Pferdes zu schaffen machte.

      »So werden ihn die Götter beschützen!« rief Sappho, indem sie die geliebte Hand des Scheidenden ergriff und in Thränen, denen sie nicht zu wehren vermochte, ausbrach. Er blickte zu ihr hernieder und sah seine sonst so vertrauensvolle Gattin weinen. Da erfaßte auch ihn eine niegekannte schmerzliche Rührung. Liebreich neigte er sich vom Pferde herab, schlang seinen starken Arm um ihren Leib, hob sie zu sich empor und drückte sie, während ihr Fuß auf seinem im Bügel ruhenden Fuße stand, an sein Herz, als müsse er ihr auf ewig Lebewohl sagen. Dann ließ er sie sanft und sicher zur Erde nieder, nahm sein Kind noch einmal zu sich hinauf in den Sattel, um es zu küssen und ihm scherzend zuzurufen, daß es seiner Mutter rechte Freude machen möge, rief Rhodopis herzliche Abschiedsworte zu und sprengte, seinem Hengste die Sporen gebend, daß er wild aufbäumte, von Prexaspes begleitet, durch das Thor des Pharaonenpalastes.

      Sobald der Hufschlag der Rosse in der Ferne verhallt war, warf sich Sappho an die Brust ihrer Großmutter und weinte unaufhörlich, trotz der ernsten Vorstellungen und des strengen Tadels der Greisin.

      Neuntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Am Morgen des Tages, welcher der Bogenprobe folgte, war Kambyses von einem so heftigen Anfalle seiner Krankheit befallen worden, daß er achtundvierzig Stunden lang, krank an Geist und Körper, das Zimmer hüten mußte und bald vollkommen entkräftet niedersank, bald wie ein Rasender tobte.

      Als er am dritten Tage sein klares Bewußtsein wieder erlangte,


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