Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.welche zugegen zu sein pflegten, wenn er sich vom Lager erhob. Sofort traten nicht nur diese, sondern auch seine Mutter, Prexaspes, mehrere gelehrte Magier und einige ihm unbekannte Aegypter vor ihn hin und erzählten ihm, daß er Wochen lang von einem hitzigen Fieber heimgesucht und nur durch die besondere Huld der Götter, die Kunst der Aerzte und die unverdrossene Pflege seiner Mutter vom Tode errettet worden wäre. Nun blickte er erst Kassandane, dann Prexaspes fragend an und verlor wiederum die Besinnung, um am andern Morgen, nach einem gesunden Schlafe, mit neuen Kräften zu erwachen.
Vier Tage später war er stark genug, in einem Lehnsessel sitzen und Prexaspes nach dem einzigen Gegenstande, der seinen Geist beschäftigte, fragen zu können.
Der Botschafter wollte im Hinblick auf die Schwäche seines Gebieters ausweichend antworten; als dieser aber seine abgemagerte Hand drohend emporhob und ihn mit dem noch immer furchtbaren Blicke seines Auges anschaute, zögerte Prexaspes nicht länger und sagte, in der Meinung, Kambyses eine hohe Genugthuung zu verschaffen: »Freue Dich, mein Herrscher! Der Jüngling, welcher sich unterfing, Deinen Ruhm schmälern zu wollen, ist nicht mehr. Diese Hand erschlug ihn und begrub seine Leiche bei Baal Zephon. Niemand hat meine That gesehen, außer dem Sande der Wüste und den unfruchtbaren Wogen des rothen Meeres640; niemand weiß um sie, außer Dir und mir und den Möven und Seeraben, die sein Grab umkreisen!«
Ein gellender Schrei der Wuth entfuhr den Lippen des Königs, der, von neuen Fieberschauern ergriffen, neue Phantasieen ausstoßend, zusammensank.
Nun vergingen lange Wochen, in denen jeder Tag das Ende des Königs zu bringen drohte. Endlich besiegte sein starker Leib den gefahrvollen Rückfall; die Kräfte seines Geistes hatten aber den Dämonen des Fiebers nicht zu widerstehen vermocht und blieben zerrüttet und geschwächt bis zu seiner letzten Stunde.
Als er das Krankenzimmer verlassen durfte und von neuem Reiten und den Bogen spannen konnte, gab er sich dem Genuß des Weines zügelloser hin, als vorher, und verlor auch den letzten Rest der Fähigkeit, sich selbst zu beherrschen.
Außerdem hatte sich in seinem zerrütteten Geiste der Wahn festgesetzt, Bartja sei nicht todt, sondern in den Bogen des Königs der Aethiopen verwandelt worden und der Feruer641 seines verstorbenen Vaters habe ihm befohlen, ihm durch die Besiegung des schwarzen Volkes seine frühere Gestalt wieder zu geben.
Dieser Gedanke, den er jedem Einzelnen in seiner Umgebung, gleich einem großen Geheimnisse, anvertraute, verfolgte ihn Tag und Nacht und ließ ihn nicht ruhen, bis er mit einem großen Heere nach Äthiopien aufgebrochen war. Aber er mußte unverrichteter Sache heimkehren, nachdem der größte Theil der Armee durch Hitze und Mangel an Speise und Trank einen kläglichen Untergang gefunden hatte. Ein Schriftsteller, der beinahe zu seinen Zeitgenossen gehört, erzählt642, daß die unglücklichen Soldaten sich, nachdem der Mundvorrath ausgegangen war, so lange es ging, von Kräutern genährt hätten; als aber in der Sandwüste jede Vegetation aufhörte, sollen sie, von verzweifelter Noth getrieben, ihre Zuflucht zu einem Auskunftsmittel genommen haben, welches die Feder zu berichten sich sträubt. Je zehn Soldaten loosten nämlich mit einander und verzehrten Denjenigen, welcher den unglücklichen Treffer gezogen hatte.
Nun zwang man endlich den Wahnsinnigen, heimzukehren, um ihm, nachdem man wiederum zu bewohnten Gegenden gelangt war, nach asiatischer Sklavenart, trotz seines zerrütteten Geistes, von neuem blindlings zu gehorchen.
Als er mit den Trümmern des Heeres in Memphis einzog, hatten die Aegypter einen neuen Apis643 gefunden und feierten dem in dem heiligen Stiere verborgenen, neu erschienenen Gotte in herrlichen Kleidern ein großes Freudenfest.
Da Kambyses schon zu Theben erfahren hatte, daß sein gegen die Oase des Ammon644, in der libyschen Wüste, geschicktes Heer durch den Wüstenwind645 kläglich umgekommen sei, und daß sich die Flotte, der er Karthago zu erobern befohlen hatte, gegen ihre Stammgenossen zu ziehen geweigert habe646, glaubte der König, daß die Memphiten, seiner unglücklichen Kriegszüge wegen, jenes Freudenfest begingen, ließ die vornehmsten Leute der Stadt berufen, warf ihnen ihr Benehmen vor und fragte sie, warum sie sich nach seinem Siege störrig und düster, nach seiner Niederlage ausgelassen fröhlich gezeigt hätten. Da erklärten ihm die Memphiten die Ursache ihrer Festfreude und versicherten, daß das Erscheinen des göttlichen Stiers jedesmal in ganz Aegypten durch Jubelfeste und Aufzüge begangen zu werden pflege. Nun schalt sie Kambyses Lügner und verurteilte sie als solche zum Tode647. Dann ließ er die Priester kommen und bekam von ihnen dieselbe Antwort.
Höhnend und spottend wünschte er jetzt die Bekanntschaft des neuen Gottes zu machen und befahl, ihm denselben vorzuführen. Man brachte den Apis herbei und erzählte ihm, derselbe werde von einer jungfräulichen Kuh durch die Berührung eines Mondenstrahls gezeugt, müsse schwarz sein, auf der Stirn ein weißes Dreieck, auf dem Rücken das Bild eines Adlers und an der Seite einen zunehmenden Halbmond tragen. Am Schwanze suche man bei ihm zweierlei Haar und an der Zunge einen Auswuchs in Gestalt des heiligen Käfers Skarabäus648.
Als der vergötterte Stier vor ihm stand, und er nichts Außergewöhnliches an ihm entdecken konnte, wurde Kambyses wüthend und stieß ihm sein Schwert in die Seite649. Da er sodann das Blut strömen und den Apis zusammenstürzen sah, lachte er gellend auf und rief: »Ihr Narren! Eure Götter haben also Fleisch und Blut und lassen sich verwunden? Solche Thorheit ist eurer würdig! Aber ihr werdet sehen, daß ich mich nicht straflos verspotten lasse. Heda, Trabanten! Peitscht diese Priester und tötet Jeden, den ihr bei der wahnsinnigen Feier ertappt!« Man befolgte seine Befehle und steigerte dadurch den Ingrimm der Aegypter auf’s Höchste.
Nachdem der Apis an seiner Wunde gefallen war, bestatteten ihn die Memphiten heimlich in den beim Serapeum befindlichen Grüften der heiligen Stiere650 und versuchten dann, unter Psamtik’s Führung, einen Aufstand gegen die Perser, der aber bald unterdrückt wurde und dem unglücklichen Sohne des Amasis ein Leben651 kostete, dessen Flecken und Härten durch sein nimmer ruhend Bestreben, sein Volk von der Fremdherrschaft zu erlösen, und durch seinen Tod für die Freiheit, vergessen zu werden verdienen.
Der Wahnsinn des Kambyses hatte indessen neue Formen angenommen. Nach dem fehlgeschlagenen Versuche, dem, wie er wähnte, in einen Bogen verwandelten Bartja seine alte Gestalt wieder zu geben, erhöhte sich seine Reizbarkeit so sehr, daß ihn ein Wort, ein Blick, welcher ihm mißfiel, in Raserei versetzen konnte.
Sein treuer Mahner Krösus wich auch jetzt nicht von seiner Seite, obgleich ihn der König mehrmals den Trabanten zur Hinrichtung übergeben hatte. Diese kannten aber ihren Herrn, hüteten sich wohl, ihre Hand an den Greis zu legen und waren der Straflosigkeit sicher, weil der König am nächsten Tage entweder seinen Befehl vergessen oder ihn längst bereut hatte. Nur einmal mußten die unglücklichen Peitschenträger ihre Nachsicht furchtbar büßen, denn, obgleich sich Kambyses über die Erhaltung des Greises freute, so ließ er seine Lebensretter nichtsdestoweniger wegen ihres Ungehorsams hinrichten652.
Es widersteht uns, viele andere Züge der barbarischen Grausamkeit, welche der wahnsinnige König in jener Zeit begangen haben soll, nachzuerzählen; dennoch mögen wir einige von ihnen, die uns besonders bezeichnend erscheinen, nicht unerwähnt