Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


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Knaben von der Gottheit erflehen. Und wenn ein solcher Unglücklicher mit heftiger Gemüthsart und begehrlichen Sinnen geboren wurde, so wird sich seine Unbändigkeit ohne den besänftigenden Einfluß der Tonkunst durch bloße Leibesübungen steigern, und aus dem vielleicht nicht ohne gute Anlagen zur Welt gekommenen Kinde, durch die Schuld seiner Erziehung, ein reißendes Thier, ein sich selbst vernichtender Schlemmer und ein wahnsinniger Wütherich werden659

      Hier schwieg die lebhafte Greisin. Als ihr Blick den feuchten Augen der Königin begegnete, fühlte sie, daß sie zu weit gegangen sei und ein edles Mutterherz gekränkt habe. Darum faßte sie Kassandane’s Gewand, führte seinen Saum an ihre Lippen und sagte leise bittend: »Verzeihe mir.«

      Kassandane gab ein Zeichen der Bejahung, grüßte die Hellenin und schickte sich an, das Gemach zu verlassen. Auf der Schwelle desselben blieb sie noch einmal stehen und sprach: »Ich grolle Dir nicht, denn Deine Vorwürfe sind gerecht. Aber versuche auch Du zu vergeben, denn ich sage Dir, daß Derjenige, welcher das Glück Deines und meines Kindes mordete, zwar der Mächtigste, aber zu gleicher Zeit der Beklagenswerteste aller Sterblichen ist. Lebe wohl und denke, wenn Du etwas bedürfen solltest, der Wittwe des Cyrus, die Dich zu lehren wünscht, daß man den Persern vor allen Dingen ›Großmuth‹ und ›Freigebigkeit‹ anerzieht.«

      Nach diesen Worten verließ Kassandane das Gemach.

      Am selben Tage erhielt Rhodopis die Nachricht, daß Phanes, nachdem er zu Kroton in der Nähe des Pythagoras, an seiner Wunde dahinsiechend, in ernsten Betrachtungen gelebt hatte, vor einigen Monden mit der Ruhe eines Weisen gestorben sei.

      Rhodopis war tief ergriffen von dieser Kunde und sagte zu Krösus: »In Phanes verliert Griechenland einen seiner tüchtigsten Männer; aber Viele blühen und wachsen heran, die ihm gleichen. Darum fürcht’ ich, wie er, nichts von der aufwuchernden Macht der Perser; ja ich glaube, daß mein Vaterland mit seinen vielen Köpfen, wenn die rohe Eroberungssucht ihre Hand nach ihm ausstreckt, zu einem Riesen werden wird mit einem Haupte von göttlicher Kraft, von dem die rohe Gewalt so sicher gebeugt werden wird, wie der Geist dem Körper gebietet.«

      Drei Tage später nahm Sappho zum letzten Male von ihrer Großmutter Abschied und folgte den Königinnen nach Persien, wo sie, trotz der folgenden Ereignisse, immer noch an Bartja’s mögliche Wiederkehr glaubend, voll Liebe, Hoffnung und treuer Erinnerung ganz der Erziehung ihrer Tochter und der Pflege der greisen Kassandane lebte.

      Die kleine Parmys erblühte in seltener Schönheit und lernte neben den Göttern nichts inniger lieben, als das Andenken ihres verschwundenen Vaters, den sie durch tausendfache Erzählungen ihrer Mutter wie einen Lebenden kannte.

      Atossa bewahrte ihr, trotz des hohen Glückes, welches ihr bald erblühen sollte, die alte Freundschaft und pflegte sie nicht anders als »Schwester« zu nennen. Im Sommer bewohnte Sappho die hängenden Gärten zu Babylon und dachte dort oftmals in den Gesprächen mit Kassandane und Atossa an die unschuldige, holde Urheberin so vieler für große Reiche und edle Menschen verhängnisvollen Ereignisse, die ägyptische Königstochter.

      Zehntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Hier könnten wir diese Erzählung beschließen, wenn wir nicht dem Leser einen Bericht von dem physischen Ende des geistig schon längst untergegangenen Kambyses und dem ferneren Schicksale einiger Nebenpersonen dieser Geschichte geben zu müssen glaubten.

      Der lange Aufenthalt des Königs in einem fernen Lande hatte die Furcht geschwächt oder gebrochen, welche sein bloßer Name in früherer Zeit allen zum Widerstande Geneigten einzuflößen pflegte. Die Nachricht von seinem Wahnsinn entzog ihm die Ehrfurcht seiner Unterthanen, während die Kunde, daß er Tausende von Landeskindern, aus bloßem Uebermuth, einem sichern Tode in der äthiopischen und libyschen Wüste preisgegeben habe, den aufgebrachten Asiaten einen Haß einflößte, der, von den mächtigen Magiern genährt und geschürt, sehr bald, erst die Meder und Assyrer, dann aber auch die Perser zum Abfall und zur offenen Empörung reizte.

      Der von Kambyses zum Statthalter eingesetzte ehrgeizige Oberpriester Oropastes stellte sich in eigennütziger Absicht an die Spitze dieser Bewegung, schmeichelte dem Volke durch den Erlaß von Steuern, große Geschenke und noch größere Versprechungen, und versuchte endlich, als er sah, wie dankbar man seine Milde anerkannte, durch einen Betrug die persische Königskrone für sein Haus zu gewinnen.

      Eingedenk der wunderbaren Aehnlichkeit seines der Ohren beraubten Bruders Gaumata mit Bartja, dem Sohne des Cyrus, faßte er, sobald er Kunde von dem Verschwinden des allen Persern so theuren Jünglings erhalten hatte, den Entschluß, Gaumata für den Gemordeten auszugeben, und ihn an Stelle des Kambyses auf den Thron zu setzen. Diese List gelang um so leichter, je verhaßter der wahnsinnige König im ganzen Reiche geworden war, mit je größerer Liebe ein Jeder an Bartja hing.

      Als endlich zahlreiche Boten des Oropastes alle Provinzen des Landes bereisten und den unzufriedenen Bürgern die Nachricht brachten, der jüngere Sohn des Cyrus befinde sich, trotz des entgegengesetzten Gerüchtes, noch am Leben, sei von seinem Bruder abgefallen, habe den Thron seines Vaters bestiegen und gewähre allen Unterthanen auf drei Jahre volle Freiheit vom Kriegsdienste und allen Abgaben, so wurde der neue Herrscher im ganzen Reiche mit Jubel anerkannt.

      Als er festen Boden unter seinen Füßen fühlte, schickte er den Eunuchen Ixabates nach Aegypten, welcher dem Heere den Thronwechsel mittheilen und es bereden sollte, von Kambyses abzufallen und auf Bartja’s Seite zu treten, der, wie wir wissen, namentlich von den Soldaten vergöttert worden war.

      Der gut gewählte Botschafter erfüllte seine Sendung mit Geschick und hatte bereits eine große Zahl von Soldaten für den neuen König gewonnen, als er von einigen auf Belohnung hoffenden Syrern gefangen genommen und nach Memphis gebracht wurde.

      In der Pyramidenstadt angekommen, führte man ihn vor den König, welcher ihm, im Fall er die volle Wahrheit sagen würde, Straflosigkeit zusicherte.

      Nun bestätigte der Bote die Nachricht, welche bis dahin nur gerüchtweise bis nach Aegypten gedrungen war, nämlich, daß Bartja den Thron des Cyrus bestiegen habe und bereits von dem größten Theile des Reichs anerkannt worden sei.

      Kambyses erschrak über diese Nachricht wie Jemand, der einen Todten aus dem Grabe erstehen sieht. – Trotz seines umnachteten Geistes wußte er, daß er Prexaspes den Befehl gegeben habe, Bartja zu ermorden, und daß ihm dieser sein Gebot ausgeführt zu haben versichert hatte. Er argwöhnte, daß der Botschafter ihn betrogen und dem Jünglinge das Leben geschenkt habe. Indem er diesen schnell aufblitzenden Gedanken ungesäumt aussprach, warf er Prexaspes seine Verrätherei mit bitteren Worten


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