Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
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Umsichtig und tapfer als Feldherr, wußte er sein unermeßliches Reich so trefflich einzutheilen und zu verwalten, daß er zu den größten Organisatoren aller Länder und Zeiten gezählt werden muß. Ihm allein haben seine schwachen Nachfolger zu danken, daß sich der asiatische Länderkoloß noch zweihundert Jahre lang erhalten konnte. Freigebig mit seinen eigenen und sparsam mit den Schätzen seiner Unterthanen, wußte er wahrhaft königliche Geschenke zu machen, ohne jemals mehr als das ihm Gebührende zu fordern. Statt der unter Cyrus und Kambyses üblichen willkürlichen Gelderpressungen führte er ein geregeltes Steuersystem ein und ließ sich in der Durchführung des für recht Erkannten weder durch Schwierigkeiten, noch durch den Spott der Achämeniden beirren, die ihn wegen seiner ihrem ausschließlich kriegerischen Geiste kleinlich vorkommenden Finanzmaßregeln den »Krämer« nannten. Es ist keines seiner kleinsten Verdienste, daß er in seinem ganzen Reiche, und somit in der halben, damals bekannten Welt, ein gleiches Münzsystem einführte.677
Die Sitte und Religion jedes Volkes ehrend, gestattete er den Juden, nachdem jenes Dokument des Cyrus, von welchem Kambyses nichts wußte, im Archive von Ekbatana aufgefunden worden war, den Bau des Jehovah-Tempels fortzusetzen678, erlaubte er den ionischen Städten, die Verwaltung ihrer Gemeinden selbstständig auszuüben. Auch würde er seine Heere schwerlich gegen Griechenland ausgeschickt haben, wenn er nicht, namentlich von den Athenern, beleidigt worden wäre.
Die Kunst, einen weisen Staatshaushalt zu führen, hatte er, nebst vielen anderen Dingen, von den Aegyptern erlernt. Darum zollte er diesem Volke eine ganz besondere Achtung und erwies ihm viele Wohlthaten. So ließ er z. B. zur Hebung des ägyptischen Handels den Nil mit dem rothen Meere durch einen Kanal verbinden679.
Während seiner ganzen Regierung bemühte er sich, die Härte, mit welcher Kambyses die Aegypter behandelt hatte, durch Güte wieder gut zu machen, und noch in späteren Jahren beschäftigte er sich gern mit den geistigen Schätzen jenes weisen Volkes, dessen Sitten und Religion, so lange er lebte, von Niemand angetastet werden durften. Der greise Oberpriester Neithotep, welcher sein Lehrer gewesen war, erfreute sich bis an sein spätes Ende der Gunst des Fürsten, welcher die astrologischen Kenntnisse des alten Weisen nicht selten in Anspruch nahm.
Die Aegypter erkannten die Güte des neuen Fürsten an, nannten Darius, gleich ihren früheren Königen, eine Gottheit680, vergaßen aber dennoch in seinem letzten Regierungsjahre, ihrem Drange nach Selbstständigkeit nachgebend, der Dankbarkeit und versuchten das milde Joch, welches sie, weil es ihnen gegen ihren Willen auferlegt worden war, bedrückte, abzuschütteln.
Ihr edler Herr und Beschützer sollte das Ende dieser Kämpfe nicht mehr erleben681.
Xerxes, dem Nachfolger und Sohne des Darius und der Atossa682, war es vorbehalten, die Bewohner des Nilthales zu einem erzwungenen und darum unhaltbaren Gehorsam zurückzuführen.
Darius ließ, als ein würdiges Denkmal seiner Größe, einen herrlichen Palast auf dem Berge Rachmed bei Persepolis erbauen, dessen Trümmer heute noch das Staunen und die Bewunderung der Reisenden erwecken. Sechstausend ägyptische Bauleute, welche unter Kambyses nach Asien geführt worden waren, halfen bei diesem Werke und unterstützten die Arbeiter, denen es oblag, eine Königsgruft für Darius und seine Nachkommen anzulegen. Die schwer zugänglichen Felsenkammern derselben haben der Zeit getrotzt und dienen heute zahllosen wilden Tauben zur Wohnung.
In eine Wand des glatt polirten Felsens von Bisitun oder Behistân, unweit der Stelle, bei welcher er Atossa’s Leben gerettet hatte, ließ Darius die Geschichte seiner Thaten mit keilförmigen Schriftzeichen in persischer, medischer und assyrischer Sprache einmeißeln. Der persische Theil dieser Inschriften683 ist jetzt mit Sicherheit zu lesen. In diesem findet sich auch eine, mit unserer und der Erzählung des Herodot im Ganzen übereinstimmende Mittheilung von den in den letzten Kapiteln geschilderten Ereignissen. Unter Anderem heißt es. »Es spricht Darius der König. Das, was ich that, das geschah durch die Gnade Auramazda’s in aller Weise. Nachdem die Könige abtrünnig geworden waren, da lieferte ich neunzehn Schlachten. Durch die Gnade Auramazda’s schlug ich sie. Neun Könige nahm ich gefangen. Einer war Gaumata mit Namen, ein Meder, dieser log, indem er also sprach: ›Ich bin Bardiya (Bartja), der Sohn des Cyrus‹; dieser machte Persien abtrünnig.«
Weiter unten nennt er auch die Namen der Stammhäupter, welche ihm, die Magier zu stürzen, geholfen hatten, und an einer andern Stelle heißt es: »Es spricht Darius der König: Das, was ich gethan, das hab’ ich in aller Weise durch die Gnade Auramazda’s gethan. Auramazda brachte mir Beistand und die übrigen Götter, die es gibt. Deßwegen brachte mir Auramazda Beistand und die übrigen Götter, welche es gibt, weil ich nicht feindselig war, kein Lügner war, kein gewalttätiger Herrscher war, weder ich noch meine Familie. Wer meinen Stammgenossen geholfen hat, den hab’ ich wohl begünstigt, wer feindselig war, den hab’ ich strenge bestraft. Du, der Du nachher König sein wirst, ein Mann, der ein Lügner oder Aufrührer ist, dem sei nicht freundlich gesinnt, den strafe mit strenger Strafe. Es spricht Darius der König: Du, der Du nachher die Tafel sehen wirst, die ich geschrieben habe, oder diese Bilder, verderbe sie nicht, sondern, so lange Du lebest, bewahre sie u. s. w.«
Schließlich bleibt uns nur noch zu erzählen übrig, daß Zopyrus, der Sohn des Megabyzus, bis an sein Ende der treueste Freund des Darius blieb.
Als ein Höfling dem Könige einstmals einen Granatapfel zeigte und ihn fragte: »Welches Glücksgut möchtest Du wohl so vielfach besitzen, als dieser Apfel Körner enthält?« antwortete Darius, ohne sich zu besinnen: »Meinen Zopyrus684!«
Dieser wußte die Güte seines königlichen Freundes zu vergelten, denn als Darius Babylon, das sich nach dem Tode des Kambyses von dem persischen Reiche losriß, neun Monate lang fruchtlos belagert hatte, erschien er eines Tages, als man bereits die Belagerung aufheben wollte, blutend ohne Nase und Ohren vor dem Könige und erklärte ihm, daß er sich selbst verstümmelt habe, um die Babylonier, welche ihn ebensogut kennen müßten, als er einstmals mit ihren Töchtern befreundet gewesen sei, hinter’s Licht zu führen. Er wolle den übermüthigen Städtern einreden, Darius habe ihn so verunstaltet, und er komme zu ihnen, um sich mit ihrer Hülfe an dem Könige zu rächen. Sie würden ihm Truppen übergeben, mit denen er, um das Vertrauen der Bürger vollkommen zu erwerben, einige glückliche Ausfälle zu machen gedenke. Endlich wolle er sich die Schlüssel der Thore verschaffen und mit ihnen die Pforte der Semiramis seinen Freunden öffnen.
Diese in scherzhaftem Ton gesprochenen Worte und der traurige Anblick seines einst so schönen Freundes rührten den König bis zu Thränen; als aber die beinah’ uneinnehmbare Festung durch die List des Zopyrus in der That erobert worden war, rief er aus: »Ich würde hundert Babylon hingeben, wenn sich mein Zopyrus nicht also verstümmelt hätte!«
Dann ernannte er den Freund zum Herrn der Riesenstadt, überließ ihm die ganzen Einkünfte derselben und beehrte ihn alljährlich mit den seltensten Geschenken. In späterer Zeit pflegte er oft zu sagen, daß, außer Cyrus, mit dem kein Mensch verglichen werden könne, Niemand eine so edle That als Zopyrus begangen habe685.
Wenige Herrscher konnten sich so opferwilliger Freunde rühmen, als Darius, weil Wenige gleich ihm Dankbarkeit zu üben verstanden.
Als Syloson, der Bruder des gemordeten Polykrates, eines Tages nach Susa kam und ihn erinnerte, welche Dienste er ihm erwiesen habe, empfing ihn Darius