Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.sie hohen Sold versprachen, in der Ebene von Nisaja669 und setzten ihre Bemühungen fort, den Glauben an die Maske des Gaumata zu befestigen. In dieser Hinsicht konnte ihnen niemand schädlicher oder unter Umständen nützlicher werden, als Prexaspes, denn er stand bei allen Persern in hoher Achtung und vermochte darum durch seine Versicherung, Bartja nicht ermordet zu haben, dem sich immer weiter verbreitenden Gerüchte von der wahren Todesart des Jünglings die Spitze abzubrechen. Darum ließ Oropastes den Botschafter, welcher seit den letzten Worten des Königs von allen Standesgenossen gemieden wurde und das Leben eines Geächteten führte, rufen und versprach ihm eine ungeheure Summe, falls er einen Thurm besteigen und dem im Vorhofe versammelten Volke sagen wollte, daß Böswillige ihn den Mörder Bartja’s genannt hätten, während er doch soeben mit eigenen Augen den neuen König gesehen und in ihm den jüngeren Sohn des Cyrus, seines Wohlthäters, wiedergefunden und erkannt habe. Prexaspes unterzog sich diesem Auftrage ohne Widerrede, nahm, während das Volk sich im Schloßhofe versammelte, zärtlichen Abschied von den Seinen, richtete bei dem heiligen Feueraltare ein kurzes Gebet an die Götter und begab sich dann in stolzer Haltung zum Palaste. Auf dem Wege dorthin traf er mit den Oberhäuptern der sieben Stämme zusammen und rief ihnen, da er bemerkte, daß sie ihm auswichen, zu: »Ich bin eurer Verachtung werth; will aber versuchen, eure Vergebung zu verdienen!«
Als sich Darius nach ihm umwandte, eilte er ihm nach, faßte seine Hand und sagte: »Ich habe Dich wie einen Sohn geliebt! Sorge, wenn ich nicht mehr sein sollte, für meine Kinder und brauche Deine Schwingen, geflügelter Darius!« Dann bestieg er in stolzer Haltung den hohen Thurm.
Viele tausend Bürger von Nisäa vernahmen ihn, als er mit hocherhobener Stimme folgende Worte hinabrief: »Ihr Alle wißt, daß die Könige, welche euch bis dahin mit Ruhm und Ehre überschütteten, dem Hause der Achämeniden angehörten. Cyrus beherrschte euch wie ein rechter Vater, Kambyses wie ein strenger Gebieter, und Bartja würde euch wie ein Bräutigam geleitet haben, wenn er nicht von meiner eigenen Hand, die ich euch hier zeige, am Ufer des rothen Meeres erschlagen worden wäre. Diese ruchlose That, welche ich, beim Mithra, mit blutendem Herzen beging, vollbrachte ich, indem ich, als treuer Diener, dem Befehle meines Königs und Herrn gehorchte. Dennoch konnte ich, weder bei Tag noch bei Nacht, Ruhe finden und bin wie ein gescheuchtes Wild von den Geistern der Finsterniß, welche den Schlaf von dem Lager des Mörders scheuchen, vier lange Jahre hindurch gehetzt und geängstigt worden; jetzt aber hab’ ich beschlossen, dieses Dasein voller Pein und Verzweiflung mit einer würdigen That zu beenden und mir, wenn ich auch keine Gnade an der Brücke Chinvat670 finden werde, wenigstens im Munde der Menschen den Namen eines braven Mannes, den ich befleckt habe, von Neuem zu erwerben. Wißt denn, daß jener Mann, welcher sich für den Sohn des Cyrus ausgibt, mich auf diesen Thurm schickte und mir reichen Lohn verhieß, wenn ich euch betrügen und versichern wollte, daß er Bartja, der Achämenide, sei. Ich aber lache seiner Versprechungen und schwöre hier mit dem höchsten Eide, den ich kenne, beim Mithra und den Feruer der Könige, daß Derjenige, welcher euch jetzt beherrscht, Niemand anders ist, als der seiner Ohren beraubte Magier Gaumata, der Bruder des Oberpriesters und Statthalters Oropastes, den ihr Alle kennt! Wenn ihr des Ruhmes vergessen wollt, den ihr den Achämeniden verdankt, wenn ihr Undank mit Erniedrigung vereinen wollt, so erkennt die Elenden an und nennt sie eure Könige; wenn ihr aber die Lüge verachtet und euch schämt, nichtswürdigen Betrügern zu gehorchen, dann verjagt die Magier, ehe Mithra den Himmel verläßt, und ruft den Edelsten der Achämeniden, der ein zweiter Cyrus zu werden verspricht, und ruft Darius, den erhabenen Sohn des Hystaspes, zum König aus. Damit ihr aber meinen Worten Glauben schenken und nicht argwöhnen möget, daß mich Darius, um euch für ihn zu gewinnen, hierher gesandt habe, so will ich jetzt eine That begehen, welche jeden Zweifel vernichten und euch beweisen wird, daß mir die Wahrhaftigkeit und die Ehre der Achämeniden lieber ist, als mein Leben. Seid gesegnet, wenn ihr meinem Rathe folgt, verflucht, wenn ihr euch nicht wieder der Herrschaft bemächtigen und an den Magiern rächen werdet! – Seht her, ich sterbe als ein wahrhaftiger und als ein braver Mann!«
Mit diesen Worten stieg der Redner auf die höchste Zinne des Thurms, stürzte sich kopfüber von demselben herab und starb, mit einem schönen Tode das einzige Verbrechen seines Lebens sühnend671.
Das Volk, welches seiner Rede lautlos gefolgt war, brach jetzt in ein lautes Geschrei der Wuth und Rache aus, sprengte die Thore des Palastes und wollte eben mit dem Rufe: »Tod den Magiern!« in das Innere desselben eindringen, als sich die sieben Stammhäupter der Perser dem wüthenden Haufen entgegenstellten.
Sobald die Bürger ihrer ansichtig wurden, jubelten sie laut auf und riefen nur noch ungestümer: »Nieder mit den Magiern! Sieg dem Könige Darius!«
Nun stellte sich der Sohn des Hystaspes, getragen von der Menge, auf einen erhöhten Ort und erzählte dem Volke, daß die Magier soeben, als Lügner und Kronenräuber, von der Hand der Achämeniden getödtet worden wären. Neue Jubelrufe beantworteten diese Rede. Nachdem man endlich die blutenden Köpfe des Oropastes und Gaumata dem Volke gezeigt hatte, eilte die heulende Menge in rasender Wuth durch die Straßen der Stadt und tödtete jeden Magier, dessen sie habhaft zu werden vermochte. Nur der Einbruch der Nacht konnte diesem furchtbaren Blutbade ein Ende machen672.
Vier Tage später wurde der Sohn des Hystaspes, im Hinblick auf seine Geburt und Vortrefflichkeit, von den Häuptern der Achämeniden zum Könige erwählt und als solcher von den Persern mit Jubel begrüßt.
Darius hatte den Magier Gaumata mit eigener Hand getödtet, indessen Megabyzus, der Vater des Zopyrus, den Oberpriester durchbohrte. Während Prexaspes das Volk anredete, waren nämlich die sieben verschworenen Stammfürsten; Otanes, Intaphernes, Gobryas, Megabyzus, Aspatines, Hydarnes und Darius, welcher seinen im hohen Greisenalter stehenden Vater Hystaspes vertrat, durch ein schlecht bewachtes Thor in den Palast getreten, hatten bald erkundet, wo sich die Magier aufhielten, und waren sodann, da sie die innere Einrichtung des Schlosses kannten und die meisten Wachen das der Rede des Prexaspes zuhörende Volk beaufsichtigen mußten, ohne Aufenthalt bis zu den Gemächern gedrungen, in denen die Magier verweilten. Hier traten ihnen einige Eunuchen unter Anführung des uns wohlbekannten Boges entgegen, wurden aber, trotz des Widerstandes, den sie zu leisten versuchten, bis auf den letzten Mann von den Verschworenen niedergestochen. Boges starb von der Hand des Darius, der ihn erkannt und darum mit doppelter Wuth angegriffen hatte. Die Magier stürzten, von dem Geschrei der sterbenden Eunuchen erschreckt, herzu und setzten sich, als sie sahen, was sich ereignet hatte, zur Wehr. Oropastes riß dem sinkenden Boges die Lanze aus der Hand, stieß dem Intaphernes ein Auge aus und verwundete Aspatines am Schenkel, wurde aber dafür von Megabyzus erdolcht. Gaumata war in das Nebenzimmer geflohen und wollte die Thür desselben zuriegeln; Darius und Gobryas stürzten aber mit ihm hinein. Letzterer umfaßte den Magier, warf ihn zu Boden und hielt ihn, auf ihm liegend, an der Erde fest. Darius stand in dem halbdunkeln Gemache unschlüssig neben den Beiden, denn er fürchtete, wenn er zustoßen würde, auch Gobryas zu treffen, der, als er dieses bemerkte, ausrief: »Stoß’ zu, auch wenn Du uns Beide durchbohren solltest!« Da schwang Darius den Dolch, traf aber glücklicher Weise nur den Magier673.
Also endete Oropastes, der Oberpriester, und der unter dem Namen des »Pseudo-« oder »falschen Smerdes« bekanntere Gaumata.
Wenige Wochen nach der Königswahl des Darius, welche, wie das Volk erzählte, durch wunderbare göttliche Zeichen und die List eines Stallmeisters674 unterstützt wurde, feierte der Sohn des Hystaspes zu Pasargadae ein prachtvolles Krönungs- und ein noch glänzenderes Hochzeitsfest mit der Geliebten seines Herzens, Atossa675, der Tochter des Cyrus. Das durch ernste Schicksale gereifte junge Weib blieb bis an’s Ende des thaten- und ruhmreichen Lebens ihres Gatten die treue, geliebte und hochverehrte Gefährtin desselben; Darius aber wurde, wie