Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.Pförtner, der von einem Thurme des Pylon auf die Ruhestörer herniederschaute, zu verrathen, daß sie den vornehmsten Ständen, ja vielleicht der königlichen Familie angehörten.
Mit lauter Stimme rief er dem Klopfer zu und fragte nach seinem Begehr.
Der Letztere schaute aufwärts und rief mit einer Stimme, deren verletzend herrischer Ton die Ruhe der Todtenstadt so roh und plötzlich unterbrach, daß sich die Frau in der Sänfte erschrocken aufrichtete:
»Wie lange sollen wir hier auf Dich warten, fauler Hund? Erst komme herunter und öffne das Thor und dann frage! Wenn die Fackeln nicht hell genug brennen, um Dir zu zeigen, wer hier wartet, so wird Dir meine Peitsche auf den Rücken schreiben, wer wir sind und wie man fürstliche Gäste aufnimmt!«
Während der Pförtner eine unverständliche Entgegnung murmelte und die Treppe hinabstieg um das Thor zu öffnen, wandte sich die Frau auf dem Wagen ihrem ungeduldigen Gefährten zu und sagte mit wohllautender, aber entschieden klingender Stimme; »Du vergißt, Paaker, daß Du wieder in Aegypten bist und es hier nicht mit wilden Schasu, sondern mit freundlichen Priestern zu thun hast, von denen wir noch dazu einen Dienst zu erbitten haben. Man klagt auch sonst über Deine Rauhheit, die mir in den ungewöhnlichen Verhältnissen, unter denen wir uns diesem Heiligthume nahen, am wenigsten angebracht zu sein scheint.« –
Obgleich diese Worte mehr im Tone des Bedauerns als in dem des Tadels gesprochen worden waren, so verletzten sie doch die Empfindlichkeit des Angeredeten, denn die Flügel seiner breiten Nase begannen sich heftig zu bewegen, seine Rechte schloß sich fest um den Griff der Geißel und während er sich demüthig zu verneigen schien, führte er einen so kräftigen Schlag auf die nackten Beine seines neben ihm stehenden Sklaven, eines alten Aethiopiers, daß dieser wie von Frost geschüttelt zusammenfuhr, dabei aber, denn er kannte seinen Herrn, keinen Klagelaut vernehmen ließ.
Indessen hatte der Pförtner das Thor geöffnet und zugleich mit ihm trat ein junger hochgestellter Priester in's Freie, um sich nach dem Begehr der Ruhestörer zu erkundigen.
Paaker wollte wiederum das Wort ergreifen, die auf dem Wagen stehende Frau kam ihm aber zuvor und sagte. »Ich bin Bent-Anat, die Tochter des Königs und diese Frau in der Sänfte ist Nefert, die Gattin des edlen Mena, des Rosselenkers meines Vaters. Wir begaben uns in Begleitung dieser Großen in das Nordwestthal der Nekropole, um die neuen Arbeiten zu besichtigen. Du kennst die schmale Felsenpforte, welche in die Schlucht führt. Auf dem Heimwege führte ich selbst die Zügel und hatte das Unglück, ein Mädchen, das mit einem Korbe voll Blumen am Wege saß, zu überfahren und dabei zu beschädigen; recht schlimm zu beschädigen fürcht' ich. Die Gattin des Mena hat die Kleine erst mit eigenen Händen verbunden, dann ließen wir sie in das Haus ihres Vaters schaffen, eines Paraschiten, Pinem soll er heißen; ich weiß nicht, ob Du ihn kennst.«
»Du hast seine Hütte betreten, Prinzessin?« sagte der Priester.
»Ich mußte ja, heiliger Vater,« gab sie zurück. »Zwar weiß ich, daß man sich verunreinigt, wenn man die Schwelle dieser Leute betritt, aber . . .«
»Aber,« rief die Gattin des Mena, sich in ihrer Sänfte aufrichtend, »Bent-Anat kann sich heute von Dir oder von ihrem Hauspriester reinigen lassen, dem armen Vater wird sie indessen schwer, vielleicht auch niemals ein gesundes Kind wiederzugeben vermögen.«
»Doch bleibt eine Paraschitenhöhle bei alledem unrein,« unterbrach der Kammerherr Penbesa, der Prinzessin Ceremonienmeister, die Gattin des Mena, »und ich habe mein Bedenken nicht zurückgehalten, als Bent-Anat ihren Willen, das verfluchte Nest in eigener Person zu betreten, zu erkennen gab. Ich schlug vor,« fuhr er zu dem Priester gewendet fort, »das Mädchen nach Hause tragen zu lassen und dem Vater ein königliches Geschenk zu übersenden.«
»Und die Prinzessin?« fragte der Priester.
»Sie handelte wie immer nach ihrem eigenen höchsten Willen,« gab der Ceremonienmeister zurück.
»Und der trifft stets das Rechte,« rief die Gattin des Mena.
»Wollten doch die Götter, es wäre so!« sagte die Prinzessin mit gedämpfter Stimme. Dann fuhr sie, indem sie sich an den Priester wandte, fort; »Du kennst den Willen der Himmlischen und die Herzen der Menschen, heiliger Vater, und ich bin mir bewußt, daß ich gern gebe und den Armen helfe, auch wenn sie keine anderen Fürsprecher haben, als ihre Armuth. Aber nach dem, was hier geschehen ist und diesen unglücklichen Menschen gegenüber war ich die Bedürftige.«
»Du?« fragte der Kammerherr.
»Ja, ich!« antwortete die Prinzessin entschieden.
Der Priester, welcher bisher ein stummer Zeuge dieser Verhandlung geblieben war, erhob nun wie zum Segen seine Rechte und sagte.
»Du hast recht gehandelt. Die Hathoren 4 bildeten Dein Herz und die Herrin der Wahrheit lenkt es. Gewiß störtet ihr unsere Nachtgebete, um uns um einen Arzt für das verwundete Mädchen zu bitten?«
»Du sagst es!«
»Ich werde den Oberpriester um die besten Heilkünstler für äußere Verletzungen bitten und sie sogleich zu der Kranken senden. Aber wo befindet sich das Haus des Paraschiten Pinem? Ich kenne ihn nicht.«
»Nördlich von dem Terrassenbau der Hatasu, dicht bei . . .; aber ich gebe einem meiner Begleiter den Auftrag, die Aerzte zu führen. Es liegt mir ohnehin daran, morgen früh zu erfahren, wie es der Kranken geht. – Paaker!«
Der Gerufene, der rohe Klopfer, welchen wir bereits kennen, verbeugte sich mit herabhängenden Armen bis zur Erde und fragte;
»Was befiehlst Du?«
»Ich bestimme Dich zum Führer der Aerzte,« sagte die Prinzessin. »Dem Wegeführer des Königs wird es leicht sein, das versteckte Häuschen wieder zu finden; auch bist Du mein Mitschuldiger, denn,« und hiebei wandte sie sich an den Priester, »denn, daß ich's nur gestehe, das Unglück geschah, als ich mit meinen Rossen Paaker's syrische Renner, die er für schneller als die ägyptischen ausgab, zu überholen versuchte. Es war ein wildes Jagen.« –
»Und Amon sei gelobt, daß es so ablief,« rief der Ceremonienmeister. – »Paaker's Wagen liegt zerschellt in dem engen Thale und sein bestes Pferd ist schwer verwundet.« –
»Er wird, wenn er den Arzt zu dem Paraschiten geführt hat, nach ihm sehen wollen,« sagte die Prinzessin. »Weißt Du, Penbesa, Du sorgsamer Hüter eines unbesonnenen Mädchens, daß ich mich heute zum ersten Male freue, daß der Vater im fernen Satilande Krieg führt?«
»Er würde uns wenig freundlich empfangen haben,« lächelte der Ceremonienmeister.
»Aber die Aerzte, die Aerzte!« rief Bent-Anat. »Paaker, es bleibt dabei, Du führst sie und bringst uns morgen Nachricht über das Befinden der Kranken.«
Paaker verneigte sich; die Prinzessin winkte, der Priester und seine inzwischen aus dem Heiligthum hervorgetretenen Genossen erhoben segnend die Hände und der nächtliche Zug bewegte sich dem Nil entgegen.
Paaker blieb allein mit seinen beiden Sklaven zurück. Der Auftrag, den die Prinzessin ihm gegeben, verdroß ihn. So lange der Mondschein die Sänfte mit der Gattin des Mena zu unterscheiden gestattete, schaute er ihr nach, dann versuchte er die Lage des Hauses des Paraschiten in sein Gedächtniß zurückzurufen. Der Hauptmann der Sicherheitswache hielt noch immer mit seiner Mannschaft am Thore des Tempels.
»Kennst Du die Wohnung des Paraschiten Pinem?« fragte Paaker.
»Was suchst Du bei dem?«
»Das geht Dich nichts an,« herrschte Paaker.
»Grobian!« rief der Hauptmann. »Linksum und vorwärts, ihr Leute!«
»Halt,« rief Paaker ingrimmig, »ich bin der Wegeführer des Königs.«
»Dann wirst Du um so leichter den Ort wiederfinden, von dem Du herkommst. Vorwärts, Soldaten!«
Diesen Worten folgte wie im Echo ein vielstimmiges Gelächter, bei dessen übermüthigen Tönen Paaker so heftig erschrak, daß er seine Geißel zu Boden fallen ließ. Der