Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


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sich zu dem Kaninchen hernieder und sagte. »Wie merkwürdig! Das Thierchen lebt und athmet noch immer! Ein Mensch würde schon längst nach solcher Behandlung gestorben sein. Sein Organismus ist wohl auch von kostbarerer, feinerer und darum leichter zerstörbarer Beschaffenheit?«

      Nebsecht zuckte die Achseln und sagte. »Vielleicht.«

      »Ich dächte doch, daß Du das wissen müßtest!«

      »Ich?« fragte der Arzt. »Woher denn? Ich sagte es ja; – sie erlauben mir nicht einmal zu untersuchen, wie sich die Hand eines Fälschers bewegt.«

      »Bedenke nur, daß die Schrift lehrt, die Wohlfahrt der Seele sei abhängig von der Erhaltung des Körpers.«

      Nebsecht erhob seine klugen, kleinen Augen und sagte achselzuckend: »Das muß wohl so sein. Uebrigens gehen mich diese Dinge nichts an. Macht ihr mit den Seelen der Menschen, was ihr wollt; ich suche nur ihren Körper kennen zu lernen und flicke ihn, wenn er Schaden leidet, so gut zusammen, wie es eben gehen will.«

      »Nun, Toth 16 sei gelobt, daß Du Dir wenigstens in dieser Kunst die Meisterschaft nicht abzusprechen brauchst!«

      »Wer wäre ein Meister,« fragte Nebsecht, »außer Gott? Ich kann nichts – gar nichts und führe meine Instrumente kaum sicherer als ein Bildhauer, der im Dunkeln zu arbeiten verdammt ist.«

      »Etwa so wie der blinde Resu,« lachte Pentaur, »der besser zu malen verstand als alle sehenden Künstler im Tempel.«

      »Es gibt auch in meiner Thätigkeit ein ›besser‹ oder ›schlechter‹,« erwiederte Nebsecht, »aber ein ›gut‹ gibt es nicht.«

      »Dann müssen wir uns schon mit Deinem ›besser‹ begnügen und ich komme, um es in Anspruch zu nehmen.«

      »Bist Du krank?«

      »Isis sei gelobt; ich fühle mich so kräftig, daß ich eine Palme entwurzeln könnte, aber ich wollte Dich bitten, noch heute Abend ein krankes Mädchen zu besuchen. Die Prinzessin Bent-Anat . . .«

      »Die königliche Familie hat ihre eigenen Aerzte.«

      »Laß mich doch aussprechen! Die Prinzessin Bent-Anat hat ein Mädchen überfahren und das arme Kind soll schwer verwundet sein.«

      »So–o,« sagte der Gelehrte gedehnt. »Liegt sie drüben in der Stadt oder hier in der Nekropole?«

      »Hier; es ist freilich nur die Tochter eines Paraschiten.«

      »Eines Paraschiten?« fragte Nebsecht und schob sein Kaninchen wiederum unter den Tisch. »Dann geh' ich hin!«

      »Sonderling! Ich glaube, Du erwartest irgend eine seltene Waare bei den Unreinen zu finden.«

      »Das ist meine Sache; aber ich werde kommen. Wie heißt der Paraschit?«

      »Pinem.«

      »Wird nichts mit ihm anzufangen sein,« murmelte der Gelehrte; »aber, wer weiß.«

      Nach diesen Worten stand er auf, öffnete ein fest verschlossenes Fläschchen und pinselte Strychnosgift auf die Nase und in das Maul des Kaninchens, welches sofort zu athmen aufhörte. Dann legte er es in eine Kiste und sagte. »Ich bin bereit.«

      »Aber in diesem beschmutzten Kleide kannst Du das Haus nicht verlassen!«

      Der Arzt nickte, nahm ein reines Gewand aus seiner Kleiderlade und wollte es über das andere ziehen; Pentaur wehrte aber dem Freund und sagte lachend. »Erst wird der Arbeitsrock ausgezogen. Ich werde Dir helfen. Aber beim Gotte Besa 17, Du bist ja vielhäutig wie eine Zwiebel!«

      Pentaur war als ein gewaltiger Lacher unter seinen Standesgenossen bekannt und seine laute Stimme erschütterte das stille Gelehrtengemach, nachdem er sich überzeugt hatte, daß sein Freund nun zum dritten Mal ein reines über ein beschmutztes Gewand zu ziehen im Begriff stehe, und also schon jetzt nicht weniger als drei Kleider trug.

      Nebsecht lachte mit ihm und sagte: »Jetzt weiß ich auch, warum mir mein Rock so schwer und es mir um Mittag so unmenschlich heiß vorkam. Geh' hinaus, während ich die überflüssigen Gewänder ausziehe und laß, bitte, den Oberpriester Ameni fragen, ob ich den Tempel verlassen darf.«

      »Er beauftragte mich, einen Arzt zu dem Paraschiten zu senden und fügte hinzu, die Kranke sollte wie eine Königin behandelt werden.«

      »Ameni? Und wußte er, daß es sich nur um ein Paraschitenkind handle?«

      »Jawohl!«

      »Dann fang' ich zu glauben an, daß man mit Beschwörungen Glieder einzurenken vermag. Ja, die Beschwörungen! Du weißt – weißt ja, daß ich nicht mehr allein zu den Kranken darf, weil mein Schlauch von einer Zunge zu schwer ist, um die Sprüche herzusagen und den Sterbenden reiche Opfergaben für den Tempel abzuängstigen. Geh' Du, während ich mich ausziehe, zu dem Propheten Gagabu und bitte ihn, daß er den Pastophoren Teta mit mir gehen läßt, der mich gewöhnlich begleitet.«

      »Ich würde mir doch statt des blinden Alten einen jüngeren Helfer aussuchen.«

      »Laß nur! Ich wäre schon zufrieden, wenn er selbst zu Hause bleiben und nur seine Zunge mir nachkriechen wollte wie ein Aal oder eine Schnecke. Kopf und Herz haben mit seinem Sprachwerkzeuge doch nichts zu schaffen und es geht seinen Gang wie der Ochse, der das Korn drischt.« 18.

      »Das ist wahr,« sagte Pentaur; »ich sah neulich selbst, wie der Alte an einem Krankenbette seine Litaneien absang und dabei heimlich die Datteln zählte, von denen man ihm einen ganzen Sack voll geschenkt hatte.«

      »Er wird ungern mit zu dem Paraschiten gehen, denn der ist arm und er würde eher diese Skorpionenfamilie in dem Topfe da oben anfassen, als ein Stück Brod aus der Hand des Unreinen kosten. Sag' ihm, er möge mich abholen und meinen Wein austrinken. Da stehen noch die Portionen von drei Tagen; er trübt bei dieser Hitze die Schärfe meiner Augen. Wohnt der Paraschit im Norden oder Süden der Nekropole?«

      »Ich glaube im Norden. – Paaker, der Wegeführer des Königs, wird Dir den Weg zeigen.«

      » Der?« lachte der Gelehrte. »Was steht denn heute im Kalender? 19 Ein Paraschitenkind soll wie eine Prinzessin behandelt und ein Arzt wie der Pharao selbst geführt werden. Ich hätte aber doch meine drei Röcke anbehalten sollen.«

      »Die Nacht ist warm,« sagte Pentaur.

      »Aber Paaker hat seltsame Gewohnheiten. Vorgestern wurde ich zu einem armen Jungen gerufen, dem er mit seinem Stabe das Schlüsselbein kurz und klein geschlagen hatte. Wär' ich ein Roß der Prinzessin, ich hätte lieber den, als ein armes Mädchen niedergetreten.«

      »Ich auch!« lachte Pentaur und verließ das Zimmer, um den zweiten Propheten des Tempels, Gagabu, der zugleich der Vorsteher der Aerzte im Setihause war, zu bitten, seinem Freunde den blinden Pastophoren Teta als Litaneiensänger mitzugeben.

      Viertes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Pentaur wußte, wo er den hochgestellten Priester zu suchen habe, denn er selbst war zu dem Gastmahle geladen worden, das derselbe zu Ehren zweier neuer aus der Hochschule von Chennu 20 in das Setihaus versetzter Gelehrten veranstaltet hatte.

      In einem offenen, von bunt bemalten Holzsäulen umgebenen und mit vielen Lampen beleuchteten Hofe saßen die schmausenden Priester in zwei langen Reihen auf bequemen Lehnstühlen. Vor jedem stand ein Tischchen und geschäftige Diener waren beflissen, sie mit den Speisen und Getränken zu versehen, welche auf einem überfüllten, inmitten des Hofes prangenden Büffet aufgestellt waren. Gazellenkeulen 21, gebratene Gänse und Enten, Fleischpasteten, Artischocken, Spargel und andere Gemüse, verschiedenartige Kuchen und Süßigkeiten wurden den Gästen zugetragen und die Becher reichlich mit den köstlichen Weinsorten gefüllt, an denen die luftigen Speicher 22 des Setihauses niemals Mangel litten.

      Zwischen den einzelnen


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