Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.denn . . .?«
»Das ging wie es ging,« unterbrach der alte Gagabu den Frager. »Des Winzers Sohn hat den Mund voll Trauben und das Kind des Thürhüters sprengt mit Worten die Schlösser.«
»Immerhin,« fügte ein älterer Priester, der bis dahin geschwiegen hatte, hinzu, »hat sich Paaker als Mohar Verdienste erworben und besitzt Eigenschaften, die zu loben sind. Er ist unermüdlich und zäh, weicht vor keiner Gefahr zurück und war ein Frommer von großer Werkthätigkeit schon als Knabe. Wenn die anderen Schüler ihr Taschengeld zu den Obstverkäufern und Zuckerbäckern an den Tempelpforten trugen, so kaufte er Gänse, und, wenn ihm von seiner Mutter reichere Geschenke zuflossen, junge Gazellen, um sie den Himmlischen aus den Altar zu legen. Kein Großer des Landes besitzt einen reicheren Schatz an Amuleten und Götterfiguren als er, – heute noch ist er der Frömmsten einer und die Todtenopfer, welche er seinem verstorbenen Vater stiftete, sind geradezu königlich zu nennen.«
»Wir wissen ihm Dank für diese Gaben,« sagte der Schatzmeister, »und die hohe Verehrung, mit der er seines Vaters auch nach dessen Tode gedenkt, ist ungewöhnlich und rühmlich.«
»Er eifert ihm nach in allen Stücken,« spottete Gagabu, »und wenn er auch in keinem Zuge seinem Vater gleicht, so ist er ihm doch nach und nach ähnlich geworden; aber, ach und weh, wie die Gans dem Schwan oder die Eule dem Adler! Da war Stolz, hier ist Hochmuth, da freundliche Strenge, hier ist rohe Härte, da war Würde, hier ist Dünkel, da war Beharrlichkeit, hier ist Trotz. Fromm ist er und seine Gaben können wir brauchen. Der Schatzmeister soll sich ihrer freuen und die Datteln von einem verkrüppelten Baume schmecken so gut wie die von einem graden! Aber wär' ich die Gottheit, ich schätzte sie nicht höher als eine Wiedehopffeder, denn wie sieht es in dem Herzen aus, das sie darbringt, ach und weh, wie sieht es aus! Die Wolken und der Sturm gehören dem Seth, und da drinnen, da, da,« und der Alte schlug seine breite Brust, »da tobt es und wirbelt es, und vom blanken, blauen Himmel des Ra, der in der Seele des Frommen freundlich und rein erglänzen soll, keine Stelle so groß wie dieser Weizenkuchen.«
»Hast Du sein Herz ergründet?« fragte der Horoskop.
»Wie diesen Becher!« rief Gagabu, indem er den Rand des blanken Trinkgeschirrs auf seinen Nagel preßte. »Seit fünfzehn Jahren, unabläßlich! Dieser Mensch war uns dienlich, ist es noch und wird es bleiben. Unsere Aerzte brauchen auch bittere Fischgalle und Menschen mordende Gifte als Heilmittel; und Leute wie dieser . . .«
»Der Haß redet aus Dir,« unterbrach der Horoskop den erregten Alten.
»Der Haß?« wiederholte dieser und seine Lippen zuckten. »Der Haß?« – und er schlug mit der Faust auf die breite Brust. »Wohl ist er kein fremder Gast in diesem alten Gefäße; aber jetzt öffne Deine Ohren, Horoskop, und ihr Anderen alle sollt mich hören! Zwei Arten des Hasses kenn' ich. Die eine ist der des Menschen gegen den Menschen und diesen hab' ich in mir geknebelt, ertödtet, erstickt, vernichtet – ach und weh, unter welchen Kämpfen! Vor Jahren freilich hab' auch ich seine Bitterniß geschmeckt und wie die Wespen gehandelt, die, ob sie gleich wissen, daß sie das Leben verlieren, wenn sie stechen, dennoch ihren Stachel gebrauchen. Nun aber wurden mir viele Tage des Daseins, das heißt der Belehrung zu Theil und ich weiß, daß von allen starken Trieben, die unser Herz bewegen, nur einer ganz dem Seth, nur einer vollkommen dem Bösen angehört, und das ist der Haß des Menschen gegen den Menschen. Die Habsucht kann den Fleiß, die sinnliche Begierde edle Frucht erzeugen; aber der Haß ist ein Verwüster, und in dem von ihm erfüllten Herzen wächst alles Edle statt in das Licht hinein, rückwärts in den Boden und in das Dunkel. Alles mag die Gottheit vergeben, nur nicht den Haß des Menschen gegen den Menschen! – Aber es gibt eine andere Art des Hasses, die den Himmlischen gefällt, und die ihr hegen mögt, wie ich sie nicht missen möchte in meiner Brust: Das ist der Haß gegen Alles, was der Entfaltung des Lichten und Guten und Reinen hindernd entgegensteht, der Haß des Horus gegen Seth. So sollen die Götter mich strafen, wenn ich den Wegeführer Paaker, dessen Vater mir lieb war, hasse; aber die Geister der Finsterniß mögen dieses alte Herz aus meiner Brust reißen, wenn es den Abscheu einbüßt vor dem unlautern, habsüchtigen Opferspender, der irdisches Glück von den Göttern mit Thierschenkeln und Weinkrügen kaufen will, wie man von den Händlern einen Rock und einen Esel erschachert, und in dessen Seele sich finstere Triebe tummeln. – Paaker's Gaben können die Himmlischen nicht mehr erfreuen, wie Dich, Horoskop, ein Gefäß voll Rosenöl, in dem Skorpione, Tausendfüße und Giftschlangen schwimmen. Lange hab' ich die Gebete dieses Mannes geleitet und nimmer hört' ich um edle Güter, tausendmal um das Verderben des Menschen flehen, den er haßt.«
»In den heiligsten Gebeten aus alten Zeiten,« sagte der Horoskop, »werden die Götter angefleht daß sie unsere Feinde unter unsere Fußsohlen werfen möchten, und zudem hörte ich Paaker nicht selten für das Wohl seiner Eltern inbrünstig flehen.«
»Du bist ein Priester, ein Eingeweihter,« rief Gagabu, »und, ach und weh! Du weißt nicht oder willst nicht wissen, daß unter den Feinden, um deren Vernichtung wir bitten, nur die Dämonen der Finsterniß und die Aegypten gefährdenden Völker des Auslandes gemeint sind? Für seine Eltern hat Paaker gefleht? Das wird er auch für seine Kinder thun; denn sie werden seine Zukunft sein, wie die Eltern seine Vergangenheit sind. Hätt' er ein Weib, so würden auch ihm seine Opfer gelten, denn sie würde die Hälfte seiner eigenen Gegenwart bilden.«
»Und trotz alledem,« entgegnete der Horoskop Sephtah, »beurtheilst Du den Wegeführer zu hart, denn wenn er gleich unter glücklichen Zeichen geboren ward, so versagten ihm doch die Hathoren 31 Alles, was die Jugend beglückt. Der Feind, um dessen Vernichtung er fleht, ist Mena, der Rosselenker des Königs. Und wahrlich, er würde übermenschlich edel oder unmännlich weich handeln, wenn er Gutes für den Mann erwünscht wollte, der ihm das schöne Weib geraubt hat, das für ihn bestimmt war.«
»Wie konnte Solches geschehen?« fragte einer der Priester aus Chennu. »Ein Verlöbniß ist heilig.« 32
»Paaker war,« erwiederte der Horoskop, »mit der ganzen Kraft seines ungelenken, aber leidenschaftlichen und zähen Herzens seiner Base Nefert zugethan, dem holdesten Kind in Theben, der Tochter der Katuti, der Schwester seiner Mutter, und man hatte sie ihm zum Weibe versprochen. Da ward sein Vater, den er auf seinen Zügen begleitete, in Syrien tödtlich verwundet. Der König stand an dem Sterbelager des Helden, erhörte seine letzte Bitte und belehnte Paaker mit seiner Würde. Der brachte denn die Mumie seines Vaters nach Theben, ließ ihn fürstlich bestatten und mußte vor Ablauf der Trauerzeit nach Syrien zurück, wo es, während der König nach Aegypten heimgekehrt war, für ihn, der neue Gebiete auszukundschaften hatte, vollauf zu thun gab. Endlich durfte auch er mit der Hoffnung, sich nunmehr mit Nefert vermählen zu können, den Kriegsschauplatz verlassen. Er jagte seine Rosse zu Tode, um das Ziel seiner Sehnsucht schneller zu erreichen; aber schon in der Ramsesstadt Tanis erfuhr er, daß die ihm versprochene Base die Gattin eines Andern, des schönsten und tapfersten Mannes im Heere, des edlen Mena, geworden sei. Je kostbarer ein Ding ist, auf dessen Besitz wir hoffen, je berechtigter sind wir doch wohl, Demjenigen zu grollen, der es uns streitig macht und an sich zu bringen weiß. Paaker müßte Froschblut in seinen Adern haben, wenn er Mena vergeben hätte, statt ihn zu hassen, und es zählen auch die Rinder nach Hunderten, welche er unseren Göttern darbrachte, um ihren Zorn auf den Räuber seines Glücks zu lenken.«
»Und als ihr sie annahmt, obgleich ihr wußtet wofür, habt ihr unweise und unrecht gehandelt,« rief Gagabu. »Wär' ich ein Laie, ich würde mich wohl hüten, der Gottheit zu dienen, die sich gegen Lohn herbeiläßt, den unreinsten menschlichen Begierden zu Hülfe zu kommen. Aber der allwissende Geist, der nach ewigen Gesetzen freundlich die Welt regiert, weiß nichts von diesen Opfern, die nur die Nase des Bösen kitzeln. Der Schatzmeister freute sich, als man das schöne, blanke Vieh in unsere Hürden trieb; aber Seth hat seine rothen Fäuste 33 vor Vergnügen heiß gerieben, da er es annahm! Ihr Freunde, ich habe die Verwünschungen mit angehört, die Paaker wie Spülwasser, das man den Schweinen vorsetzt, über unsere reinen Altäre ausgoß. Pestilenz und Beulen, Jammer und Tod hat er auf ihn herniedergewünscht und Unfruchtbarkeit und Herzeleid auf das arme, holde Weib, dem ich wahrlich nicht verdenke, daß es ein Schlachtroß dem Nilpferd, einen Mena dem Paaker vorzog.«
»Die Himmlischen aber müssen seine