Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


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Ehe nur wenige Wochen mit ihrem reisigen Gatten vereint und blieb kinderlos. Es wird mir schwer, zu begreifen, Gagabu, wie Du, der Du sonst freisprichst, wo wir Alle verdammen, einen der größten Wohlthäter unseres Tempels so schonungslos verurtheilen magst.«

      »Und ich verstehe sonder Mühe!« rief der Alte, »wie ihr, die ihr sonst so gern verdammt, diesen, diesen – nennt ihn, wie ihr wollt, so emsig entschuldigen mögt!«

      »Er ist uns unentbehrlich in dieser Zeit,« sagte der Horoskop.

      »Zugegeben!« rief Gagabu, indem er seine Stimme senkte. »Auch ich denk' ihn noch zu gebrauchen, wie ihn der Oberpriester seit Jahren benützt hat zum Besten unserer gefährdeten Sache; denn auch ein schmutziger Weg ist gut, wenn er zum Ziele führt. Selbst die Gottheit leitet oft durch das Böse zum Heil; aber sollen wir darum das Böse gut und das Häßliche schön nennen? Braucht den Wegeführer wie ihr wollt, verlernt aber nicht, weil ihr ihm Gaben schuldet, ihn nach seinen Empfindungen und Thaten zu beurtheilen, wenn ihr euren Namen der Eingeweihten und Erleuchteten verdienen wollt. Laßt ihn all' sein Vieh in den Tempel treiben und all' sein Gold in unsere Schatzkammer schütten, aber befleckt euch nicht mit dem Gedanken, daß Gaben aus solchem Herzen und von solcher Hand der Gottheit genehm sind! Vor Allem,« und bei diesen Worten gewann die Stimme des Alten eine von Herzen kommende Innigkeit, »vor Allem spiegelt dem irrenden Manne nicht vor, – und das thut ihr noch immer, – daß er auf dem rechten Wege wandle, denn eure, denn unsere erste Pflicht, ihr Freunde, bleibt es, die Seelen Derer, die sich uns anvertrauen, dem Guten und Rechten zuzuführen.«

      »O, mein Lehrer,« rief Pentaur, »wie mild ist Deine Härte!«

      »Ich zeigte euch die häßlichen Schwären dieses Mannes,« sagte der Alte, »indem er sich erhob und die Halle verließ, »euer Lob wird sie verhärten, euer Tadel erweichen. Gefällt es euch fürder nicht, hier eure Pflicht zu thun, so kommt der alte Gagabu eines Tages mit seinem Messer, wirft den Kranken nieder und schneidet!«

      Der Horoskop hatte während der Rede des Greises mehrmals die Achseln gezuckt. Jetzt sagte er, indem er sich an die Priester aus Chennu wandte: »Gagabu ist ein alter, weicher Brausekopf und ihr habt aus seinem Mund eine Predigt vernommen, wie man sie wohl auch bei euch den jungen Schreibern hält, die das Amt des Seelsorgers antreten sollen. Seine Gesinnung ist rein, aber er vergißt gern dem Kleinen zu liebe das Große. Ameni wird euch sagen, daß es auch unter uns auf zehn Seelen, oder hundert nicht ankommt, wenn es sich um das Heil des Ganzen handelt.«

      Fünftes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Die Nacht, in welcher die Prinzessin Bent-Anat mit ihren Begleitern an die Pforte des Setihauses geklopft hatte, war vorüber.

      Die würzige Frische der Frühstunden wich der Glut, welche das tiefblaue, wolkenlose Himmelsgewölbe wie eine erhitzte Stahlglocke auszustrahlen begann. Das Menschenauge scheute sich zu dem überkräftigen Lichtball in der Höhe aufzuschauen, dessen Strahlen sich in dem feinen, weißlichen Staube brachen, der den gräberreichen Abhang des Gebirges überwehte, welcher die Todtenstadt nach Westen hin abschloß. Blendend hell strahlten die Kalkfelsen, die Atmosphäre zitterte wie die über Leuchtgasflammen schwebende, erhitzte Luft, die Schatten wurden immer kleiner, aber ihre Umrisse um so schärfer.

      All' jene Thiere, die wir am Abend die Nekropolis bevölkern sahen, hatten sich in ihre Schlupfwinkel zurückgezogen. Nur der Mensch trotzte der Glut des Sommertages. Unbeirrt verrichtete er sein Tagewerk und legte nur aufathmend sein Handwerkszeug auf kurze Augenblicke nieder, wenn vom hochangeschwollenen Strome her ein kühlender Lufthauch seine Stirn berührte.

      Der Hafen, in welchem die vom östlichen Theben kommenden Fahrzeuge landeten, war überfüllt mit reichen Festbarken und dem Verkehr gewidmeten Booten.

      Die Mannschaft der ersteren, priesterlichen Genossenschaften und vornehmen Häusern angehörende Ruderknechte und Schiffsführer, pflegte der Ruhe, denn die Fahrgäste, welche sie über den Nil gesetzt hatten, zogen jetzt in langen Aufzügen den Gräbern entgegen.

      Unter einer weithin schattenden Sykomore hatte ein Verkäufer von Eßwaaren, geistigen Getränken und Essig zur Kühlung des Wassers, seinen Tisch aufgestellt, und in seiner Nähe schrieen und stritten Schiffer und Aufseher, die das Moraspiel 34 mit Eifer betrieben.

      Viele Matrosen lagen auf dem Verdeck der Schiffe, andere aber am Ufer, hier unter dem undichten Blätterdach einer Palme, dort mitten in der Sonne, vor deren glühenden Strahlen sie sich schützten, indem sie das baumwollene Tuch, welches ihnen als Mantel diente, über ihr Angesicht breiteten.

      Zwischen diesen Schläfern hindurch wanderten in langen Reihen, Einer hinter dem Andern, braune und schwarze, unter dem Drucke von schweren Lasten gebeugte Hörige und Sklaven, welche die Lieferungen an die Tempel, die Opfergaben und die von den Händlern in der Nekropole bestellten Waaren ihrer Bestimmung entgegenzuführen hatten. Bauleute zogen auf Schlitten aus den Steinbrüchen von Chennu und Suan angelangte Quadern einer neu entstehenden Tempelanlage entgegen. Einige Handlanger gossen Wasser unter die Kufen, damit die Reibung nicht das belastete und ausgedörrte Holz entzünde.

      All' diese thätigen Leute wurden von ihren Aufsehern mit Stöcken angetrieben und sie sangen bei ihrer Arbeit; aber auch die Stimmen ihrer Chorführer, die sich am Abend, wenn nach der schlichten Mahlzeit die Zeit der Erholung gekommen war, laut genug vernehmen ließen, klangen jetzt gedämpft und heiser. Die vertrockneten Stimmbänder versagten in der Mittagszeit ihren Dienst.

      Dichte Mückenzüge folgten diesen geplagten Schaaren, die stumpf und mit gebrochener Widerstandskraft die Stiche der Insekten wie die Schläge der Vögte hinnahmen, und begleiteten sie bis in das Herz der Todtenstadt, wo sie sich zu Fliegen und Wespen gesellten, welche in unvertilgbaren Mengen die Schlächtereien, Garküchen, Fischbrätereien und Buden mit Fleisch, Gemüse, Honig, Backwaaren und Getränken umschwärmten, bei denen es, trotz der Glut des Mittags und der schwer zu athmenden, mit vielerlei Gerüchen und Staub gesättigten, erhitzten Lust, lebhaft genug herging.

      Je mehr man sich den libyschen Bergen näherte, je stiller ward es und über dem nordwestlichen, breiten Thal, in dessen südlichem Abhang der Vater des regierenden Königs seine tiefe Gruft hatte einhauen lassen und die Steinmetzen des Pharao ein Felsengrab für diesen Letzteren herstellten, herrschte die Ruhe des Todes.

      Eine neu angelegte Fahrstraße führte in diese felsige Schlucht, deren steile, gelben und braunen Wände, an manchen schwärzlichen Stellen von dem Brande der Sonne versengt und wie die in nächtlicher Stunde den Grüften entsteigenden Geisterheere des Schattens beraubt zu sein schienen.

      Am Eingange dieses Thales bildeten Felsblöcke eine Art von Thor und durch dieses zog, unbekümmert um die Hitze des Tages, eine kleine aber glänzend geschmückte Menschenschaar.

      Vier schmächtige, nur mit einem Schurze und einem bis auf ihre Rücken herabfließenden Kopftuche von Goldbrokat bekleidete Stabträger, halb Knaben, halb Jünglinge, liefen dem Zuge voraus. Die Mittagssonne spiegelte sich in ihrer glatten, rothbraunen, feuchten Haut und ihr elastischer nackter Fuß berührte kaum die Steine des Bodens.

      Ihnen folgte ein zierlicher zweirädriger Wagen, vor dem zwei braune Pferde tänzelten, welche rothe und blaue Federbüsche auf ihren feinen Köpfen wiegten, und durch die Haltung ihrer schön gebogenen Hälse und wallenden Schweife anzudeuten schienen, daß sie stolz wären auf die reichgestickten Schabracken in Silber, Blau und Purpur und den goldenen Zierat, der sie schmückte, mehr aber noch auf ihre schöne königliche Lenkerin, Bent-Anat, die Tochter des Ramses, auf deren leisesten Ruf sie ihre feinen Ohren spitzten und deren kleine Hand sie mit kaum wahrnehmbaren Bewegungen leitete.

      Zwei wie die Vorläufer gekleidete junge Männer folgten dem Wagen und hielten mit großen, an langen Stäben befestigten Wedeln von schneeweißen Straußenfedern die Sonnenstrahlen von dem Antlitz ihrer Gebieterin fern.

      Neben Bent-Anat wurde, so lange der Weg es gestattete, Nefert, die Gattin des Mena, in ihrer vergoldeten Sänfte von acht rothbraunen Leuten getragen, die in schnellem und taktmäßig


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