Infiziert. Teri Terry

Читать онлайн книгу.

Infiziert - Teri Terry


Скачать книгу
sie soll.«

      »Seltsam«, sagt der Wissenschaftler. »Als ich gerade die Tür geöffnet habe, ist mir ein warmer Lufthauch ins Gesicht geweht.«

      Der Techniker dreht sich zu ihm um. »Die Temperatursensoren zeigen keine Abweichung. Und außerdem können Sie durch den Anzug überhaupt keine Temperaturschwankungen wahrnehmen. Das wissen Sie doch.«

      Der Wissenschaftler strafft die Schultern. »Behalten Sie die Anlage heute Nacht einfach im Blick.« Damit stampft er davon.

      Ich hefte mich an seine Fersen. Schlüpfe durch die Tür und lasse die Beutel mit der Toten-Asche hinter mir.

      Auch meinen.

image

      KILLIN, SCHOTTLAND

      Time Zero: 23 Stunden

      Erst spät in der Nacht gelingt es mir, Zugang zu meiner Erinnerung von jenem Tag zu finden; ich spiele sie ab, als würde alles gerade in diesem Moment passieren:

      Die Sonne scheint, aber im Wald ist es kühl.

      Ich beobachte sie mit ihrem dunklen Haar und dem roten Kapuzenpulli. Sie kommt näher und näher.

      Am liebsten würde ich ihr zurufen, sie möge auf mich warten. Ihr sagen, ich würde sie auf den Gepäckträger nehmen und mit ihr nach unten ins Tal zur Polizei fahren oder Kai anrufen. Nur kann ich nicht in der Zeit zurückgehen. Ich bin unfähig, mich zu rühren. Gezwungen, alles noch einmal zu erleben. Genau so zu erleben, wie es passiert ist. Nun hat sie mich fast erreicht.

      »Hallo. Hast du dich verlaufen?«

      »Ich bin’s nur, keine Angst. Hast du dich verlaufen?«

      Sie dreht sich um. Ihre Augen sind blau, aber nicht so langweilig mittelblau wie meine, sie sind dunkel, fast lila. Zwischen den Bäumen hindurch fällt ein Lichtstrahl genau auf sie und um ihren Hals glitzert und funkelt etwas. Eine Kette mit einem Anhänger. Ich blinzle und sie tritt etwas aus der Sonne. Ein Anhänger wie ein Strahlenkranz. Auch wenn ich mir sicher bin, so was noch nie gesehen zu haben, weckt es eine Erinnerung.

      »Nein«, sagt sie, wendet sich ab und läuft weiter.

      Abermals habe ich den Impuls, ihr hinterherzulaufen, doch ich bin wie versteinert. Erst als ich sie fast aus dem Blick verloren habe, kann ich mich wieder rühren und ihr bis zur Straße folgen. Wie an jenem Tag hole ich mein Handy aus dem Rucksack.

      Ruf diesmal wirklich die Polizei an, Shay. Mach schon!

      Der Wagen kommt. Er ist schwarz, vier Türen, ein glänzender Mercedes mit getönten Scheiben. Mit zusammengekniffenen Augen schaue ich auf das Nummernschild, aber mir ist der Blick von dem Gestrüpp am Fahrbahnrand versperrt. Ich sehe nur die obere Hälfte der Zahlen und Buchstaben, das reicht nicht.

      Ein Mann steigt aus. »Da bist du ja«, sagte er. Er ist halb von mir abgewandt. Sein Gesicht kann ich nicht besonders gut erkennen. Er hat schütteres Haar, oben schon eine Glatze. Dunkel, nicht grau. Von meiner Warte lässt sich die Größe schlecht schätzen, aber vielleicht um die 1,80.

      Sie geht zu ihm hin, steigt in den Wagen ein – hinten.

      Als er sich umdreht, um auf dem Fahrersitz Platz zu nehmen, erkenne ich ihn für den Bruchteil einer Sekunde von vorn. Ich nehme jedes Detail auf. Die kaum verhohlene Wut in den braunen, weit auseinanderstehenden Augen, eine kleine Narbe am linken Auge. Das rechte wirkt ein wenig rot und geschwollen, als wäre er kürzlich geschlagen worden und würde morgen ein blaues Auge haben. Um den Hals glitzert etwas Goldenes.

      Vorne sitzt noch eine Person. Abgewandt. Durch die getönten Scheiben kann ich nur eine Silhouette ausmachen. Eine vage Vorstellung von Größe. Stärke. Noch ein Mann?

      Der Wagen fährt davon.

image

      SHETLAND INSTITUTE, SCHOTTLAND

      Time Zero: 22 Stunden

      Ich folge dem Wissenschaftler durch einen Gang und durch noch einen weiteren. Wir gelangen zu einer dieser Doppelsicherheitstüren. Mit einem Ausweis öffnet er sie. Ich bin ihm wieder dicht auf den Fersen.

      Vor der nächsten Tür bleibt er stehen und hält sein Auge außen an ein Gerät. Die Tür gleitet auf. Und erst als sie sich hinter uns schließt, wird mir klar, dass wir uns in einem Fahrstuhl befinden.

      Ich hasse Fahrstühle. Überhaupt hasse ich es, eingepfercht zu sein, doch Fahrstühle sind am schlimmsten. Zitternd rolle ich mich in einer Ecke zusammen, aber es ist nicht der Fahrstuhl allein. Dieser ganze Ort, die langen Flure, Labore, nirgends gibt es Fenster. Nirgends. Ich will hier raus! Endlich mal die Sonne, den Himmel sehen, ein paar Bäume, selbst ein halb vertrockneter Park in einer grauen Großstadt wäre mir recht.

      Wir sind eine ganze Weile in dem Fahrstuhl. Fahren wir rauf oder runter? Ich spüre keine Bewegung und über der Tür werden auch keine Stockwerke angezeigt.

      Endlich geht der Fahrstuhl auf. Der Wissenschaftler steigt aus, ich folge ihm wie ein Schatten durch einen merkwürdigen Tunnel aus Plastikplane. Erst tritt er unter einen Wasserstrahl, dann unter einen Nebelstrahl und anschließend durch einen Bereich mit seltsamen blauen Lichtern. Mir kommt es vor, als würden wir durch eine Autowaschanlage marschieren. Am Ende zieht er den Anzug aus, legt den Helm und den ganzen Krempel ab und steckt ihn in eine Klappe. Nun sieht er nicht mehr wie ein Alien aus, sondern eher wie ein griesgrämiger alter Mann in zerknautschtem Hemd und knittriger Hose.

      Er streicht sich das Haar glatt und hält das Auge mal wieder vor ein Gerät bei der Tür. Als sie aufgeht, stehen wir in einem großen Raum. Auch wenn es keine Fenster gibt, ist der Saal zumindest geräumig, und meine Panik legt sich. Die Menschen hier tragen keine Schutzanzüge, sondern normale Klamotten. Manche haben ziemlich ausgefallene Röcke und Anzüge an, andere laufen mit weißen Laborkitteln über der Kleidung rum und wieder andere mit Arbeiterkleidung und schweren Stiefeln. An der Wand hängen riesige Monitore, davor stehen Schreibtische mit Computern. Alle wirken aufgedreht, etwas liegt in der Luft.

      »Da bist du ja. Ich dachte schon, du verpasst den ganzen Spaß hier unten«, sagt eine Ärztin im weißen Kittel zu dem Mann, mit dem ich gekommen bin.

      »Ich wurde aufgehalten«, sagt er. »In der Kühlkammer gab es ein Problem mit der Temperatur. Habe ich es verpasst?«

      »Nein. T minus zwei Minuten bis zur Strahlung«, sagt sie.

      Allmählich kommen die Stimmen im Raum zur Ruhe. Eine große Digitaluhr über den Bildschirmen zählt die letzte Minute herunter. Es herrscht Stille.

      3 … 2 … 1 …

      Alle scheinen die Luft anzuhalten, während sie auf den großen Bildschirm in der Mitte starren.

      Ein schwaches Piepen ertönt und auf dem Monitor leuchtet ein grelles Licht auf.

      Allgemeiner Jubel. Die Leute unterhalten sich aufgeregt, schütteln sich die Hände. Offenbar gratulieren sie sich gegenseitig. Ich schnappe Bruchstücke der Unterhaltung auf: Noch ein Erfolg … Immer eine spannende Sache … Wir haben es wieder geschafft …

      Und das für so ein bisschen Leuchten am Bildschirm?

      Aber es gibt auch besorgte Gesichter. Etwas abseits starren Leute auf andere Monitore und eine hitzige Diskussion entbrennt. Ich schwebe rüber, um zu lauschen.

      »Siehst du? Alles okay. Besteht kein Grund zum Runterfahren. Fünf Durchgänge sind noch drin, bevor …«

      »Verzögert die Kollision. Überprüft mal Sektor 24.«

      »Nicht nötig. Die Messungen zeigen …«

      »Mach


Скачать книгу