Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher
Читать онлайн книгу.steht denn dein Wagen?« fragte der Beamte.
»Ich hab’ keinen Wagen«, erwiderte der Bauer. »Den kann ich mir nämlich net leisten. Aber sag’ doch mal, wo wird denn gewildert?«
»Drüben, im Ainringer-Forst. Mit Drahtschlingen. Und ich wünsch’ dem Kerl, wer immer es ist, daß er net dem Xaver vor die Flinte kommt. Der hat nämlich eine Mordswut im Bauch.«
Max Trenker sah ein, daß eine weitere Befragung sinnlos war. Er konnte ohne handfeste Beweise nichts unternehmen. Ein solcher Beweis wäre vielleicht das Auto mit den abgefahrenen Reifen. Doch wenn der Moosbacher behauptete, er besitze keines, dann mußte Max dies zunächst glauben. Ohne einen Durchsuchungsbefehl, durfte er noch nicht einmal die Scheune betreten, um nachzusehen, ob dort eventuell doch ein Fahrzeug versteckt wurde.
Auf jeden Fall würde er eine Überprüfung bei der KFZ-Stelle in der Kreisstadt vornehmen. Hatte der Moosbacher doch ein Auto, so mußte es dort registriert sein.
Der Polizeibeamte fuhr mit einem unguten Gefühl davon. Zum einen hatte er den Eindruck gewonnen, daß der Bauer nervös geworden war und nicht ganz die Wahrheit sagte. Zum anderen mochte er nicht recht glauben, daß der Moosbacher der Täter war. Die Gestalt, die er in der Nacht verfolgt hatte, war größer und schlanker gewesen.
Max war eben von der kleinen Straße auf die Hauptstraße abgebogen, als von der anderen Seite ein alter Geländewagen kam und auf den Moosbacherhof fuhr. Aber das konnte der Polizist schon nicht mehr sehen.
*
Entgegen ihrem Vorhaben, hielt es Verena am Nachmittag nicht mehr im Liegestuhl aus. Ihre Gedanken kreisten ständig um den Mann, der ihr Herz so im Sturm erobert hatte. Sie mußte etwas unternehmen, um sich abzulenken. Ihr gefiel der Gedanke, auf der Terrasse des Hotels, ein Eis zu essen. Früher, mit den Eltern, hatte sie oft dort oder im Biergarten gesessen. Schnell zog sie sich um, fuhr mit der Bürste durch die Haare und nahm ihre Handtasche.
Die Terrasse war auch von der Straße her zu erreichen, so daß man nicht durch das Gebäude gehen mußte. Ein Kiesweg führte von der Seite um das Hotel herum zum Biergarten. Verena konnte sich nicht erinnern, es dort jemals so voll gesehen zu haben. Beinahe alle Tische waren belegt. Die Menschen labten sich an Kaffee und Kuchen, Eisbecher wurden herumgetragen und Bier und Mineralwasser fanden reißenden Absatz.
Die junge Lehrerin hatte Glück und fand noch einen freien Tisch. Er stand im Windschatten unter einem riesigen Sonnenschirm. Schnell setzte sie sich und schlug die Karte auf. Verführerische Eisbecher wurden darin angeboten, mit oder ohne Sahne, mit Früchten oder Likören, heißer Schokoladensauce oder gar mit brennendem Enzian flambiert. Verena entschied sich für ein gemischtes Eis. Auf Schlagsahne verzichtete sie lieber. Die Sommerhose, die sie trug, hatte beim Anziehen verdächtig im Bund gekniffen…
Die freundliche Bedienung brachte das Gewünschte sehr schnell, und während Verena langsam und genüßlich ihr Eis verzehrte, fiel ihr ein, daß Bert Fortmann ja in diesem Haus wohnte… Ein siedendheißer Schrecken durchfuhr sie.
Was, wenn er jetzt, in diesem Moment, durch die Eingangstür des Hotels kam?
Sie warf einen Blick zur Tür – und glaubte, ihr Herz bliebe stehen. Da stand er! Beige Hose, hellblaues Hemd, die dunklen Haare ein wenig zerzaust, und über dem Arm einen Blouson, so stand er in der offenen Tür und hielt nach einem freien Platz Ausschau. Unwillkürlich rutschte sie in ihrem Korbsessel ein wenig tiefer. Aber, natürlich war es zwecklos, er mußte sie doch sehen! Ihr Tisch war der einzige, an dem es noch freie Plätze gab.
Da kam er auch schon heran. Ein Lächeln glitt über sein Gesicht, als er sie erkannte.
»Grüß’ Gott«, sagte er. »Ist noch ein Platz bei Ihnen frei?«
Für dich immer, hätte sie ihm am liebsten gesagt. Statt dessen nickte sie nur. »Bitte, setzen Sie sich«, gelang es ihr endlich zu sagen.
»Vielen Dank.«
Bert Fortmann setzte sich.
»Ah, das tut gut. Jetzt bräuchte ich noch ein kühles Bier, dann ist die Welt wieder in Ordnung.«
»War sie denn in Unordnung?« fragte Verena keck.
Irgendwie hatte sie ihre plötzliche Verlegenheit wieder verloren. Nur ihr Herz klopfte deutlich schneller, so sehr freute sie sich über dieses unerwartete Zusammentreffen.
»Was…? Ach so, nein, natürlich nicht«, lachte Bert. »Ich wollte sagen, daß es mir dann wieder besserginge. Wissen Sie, ich habe gerade eine lange Wanderung hinter mir. Ich war auf der Kanderer-Alm. Kennen Sie sie?«
Verena wußte, welche Alm er meinte, von der Spitzer-Alm, bis zur Kanderer, kannte die Lehrerin sie alle. Sie nickte.
»Es war zwar anstrengend, aber schön«, erzählte Bert weiter, nachdem er ein Bier bestellt hatte. »Aber sagen Sie, was macht ihr Auto. Ist es wieder heile?«
»Ja, Gott sei Dank. Der Sohn meiner Zimmerwirtin ist Automechaniker. Er hat den Wagen gestern abend noch repariert.«
»Na, da haben S’ ja noch mal Glück gehabt.«
Sie unterhielten sich über eine ganze Menge anderer Dinge, und je länger sie plauderten, um so freier und unbefangener wurde die junge Frau. Sie hatte das Gefühl, sie würde Bert Fortmann schon lange kennen. Der Anwalt ließ es sich nicht nehmen, Verena zu einem Getränk einzuladen, und schließlich erzählte er von sich selbst. Er wußte ja, daß Verena Lehrerin war, und sprach zuerst von seinem Beruf als Anwalt. Aber auch von seiner Vorliebe für gutes Essen, Theaterbesuche und lauschige Winterabende am knisternden Kamin. Dabei war es eine so vertraute Atmosphäre zwischen ihnen, daß Verena es bedauerte, sich verabschieden zu müssen. Mittlerweile hatten sie über zwei Stunden zusammengesessen, und Christel Rathmacher würde schon bald mit dem Abendessen auf sie warten.
Sie reichte Bert Fortmann zum Abschied die Hand, und als er sie nahm, da war es, als durchfahre sie ein elektrischer Schlag.
»Vielen Dank für die Einladung«, sagte sie.
Selbstverständlich war er aufgestanden, als sie sich erhob. Jetzt deutete er eine Verbeugung an.
»Es war mir ein Vergnügen. Ich würde mich freuen, wenn wir unsere Plauderei einmal fortsetzen. Schließlich sind wir ja fast so etwas, wie Reisegefährten.«
Verena stimmte in sein Lachen ein.
»Herzlich gern, Herr Fortmann. Vielleicht morgen schon.«
Er sah ihr nach, bis sie die Terrasse verlassen und durch den Biergarten gegangen war. Dann setzte er sich nachdenklich wieder auf seinen Platz. Es waren zwei herzerfrischende Stunden gewesen, die er in angenehmer Atmosphäre verbracht hatte. Bert mußte zugeben, daß Verena Berger eine ganz andere Frau war, als die kühle berechnende Gloria von Haiden. Offen und ehrlich, lustig und gleichzeitig von reizvollem und anziehendem Wesen. Während Gloria der verführerische Vamp gewesen war, zeigte sich Verenas Anziehungskraft in eleganter Zurückhaltung. Sie würde sich bestimmt nie einem Mann an den Hals werfen. Schon gar nicht aus Berechnung!
Bert lehnte sich in seinem Sessel zurück und stützte gedankenverloren das Kinn auf seine rechte Hand. Doch während sein Blick scheinbar in die Ferne schweifte, sah er zwei Gesichter vor sich. Das eine, mit dem kalten Blick aus den stolzen Augen, gehörte Gloria, seiner Vergangenheit. Das andere, mit dem warmen Lächeln und den voller Lebensfreude sprühenden Augen, gehörte Verena Berger. Der Frau, die er erst seit gestern kannte, und die ihm doch so vertraut schien.
War sie seine Zukunft?
*
Das kleine Haus stand auf einer Lichtung hinter dem Ainringer Forst. Max Trenker hatte, gut fünfhundert Meter vorher, seinen Wagen stehen lassen, und den Rest zu Fuß gehen müssen. Der Weg war hier so eng, daß er nicht mehr befahrbar war.
Der Polizeibeamte war noch nie hier draußen gewesen, und schaute erstaunt, als er das Haus sah. Man erzählte, der alte Breithammer habe es mit eigenen Händen erbaut. Offenbar verstand er was davon.
Rechts war ein