Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher
Читать онлайн книгу.»Sagen S’ ihr«, ermunterte er ihn. »Sagen S’ ihr, was Sie für sie empfinden, und warten S’ ab, was Ihnen die Zeit bringen wird.«
Bert Fortmann erhob sich ebenfalls. Er reichte dem Pfarrer die Hand.
»Sie haben mir sehr viel Mut gemacht«, bedankte er sich. »Ich werde Ihren Rat befolgen.«
Vor der Kirche verabschiedeten sie sich. Erleichtert ging Bert zum Hotel zurück. Irgendwann morgen würde er Verena wiedersehen. Er sehnte den Augenblick herbei, in dem er ihr sagen konnte, daß er mit ihr den Weg ins Glück gehen wollte.
Bert ahnte noch nicht, daß es viele Wege gab, die ins Glück führten, leider aber auch viele Irrwege…
*
Noch bevor der Wecker klingelte, war Verena Berger auf den Beinen. In der Nacht hatte sie kaum ein Auge zugemacht, und in ihrem Bauch tanzten immer noch die Schmetterlinge.
Wiedersehen wollte er sie. Das hatte er gestern gesagt, und nur zu gerne hätte Verena sich gleich mit ihm verabredet. Aber das ging natürlich nicht. Deshalb hatte sie vage vom nächsten Tag gesprochen. So groß war St. Johann nun auch wieder nicht, daß sie sich nicht zufällig begegnen konnten.
»Na, Sie haben wohl richtig ausgeschlafen«, meinte Christel Rathmacher beim Frühstück. »So gut gelaunt, wie Sie sind!«
Verena schmunzelte, sagte aber nicht, was der Grund für ihre Fröhlichkeit war. Die beiden Frauen frühstückten zusammen, nachdem Verena der Pensionswirtin geholfen hatte, das Frühstück für die anderen Gäste zu bereiten.
»Das sollen S’ doch net«, wehrte Christel ab. »Sie sind doch auch Gast.«
»Ich tu’s gerne, Frau Rathmacher«, beteuerte die Lehrerin.
Das Telefon klingelte, als sie selber gerade mit dem Frühstück fertig waren. Die Zimmerwirtin nahm ab und meldete sich. Dann reichte sie den Hörer an Verena weiter.
»Für Sie.«
Die junge Frau machte ein erstauntes Gesicht. Wer wußte denn, daß sie hier wohnte, außer…!
»Fortmann hier. Guten Morgen«, vernahm sie die vertraute Stimme. »Ich hoffe, ich habe Sie nicht geweckt. Aber dann wären Sie wahrscheinlich nicht so schnell am Telefon.«
Verenas Herz klopfte bis zum Hals hinauf, und ihr Mund war vor Aufregung ganz trocken.
»Nein, nein, Sie haben mich net geweckt«, versicherte sie mit belegter Stimme.
»Ja also, ich wollt’ Sie fragen, ob wir unsere nette Unterhaltung von gestern nicht heute fortsetzen wollen? Vielleicht bei einer Wanderung in die Berge. Was halten Sie davon?«
»Sehr gerne«, antwortete sie freudig.
Bert fragte, wann er sie abholen dürfe, und sie verabredeten sich noch für den Vormittag. Verena eilte auf ihr Zimmer, und Christel Rathmacher sah ihr schmunzelnd hinterher. Sie ahnte jetzt den Grund, warum ihr Gast so fröhlich war.
*
Sie waren bis zum Höllenbruch in Berts Wagen gefahren. Dort stiegen sie aus und machten sich auf den Weg zur Hohen Riest hinauf. Es war ein ausgezeichneter Wanderweg, der viele Sehenswürdigkeiten bot, darunter auch die Zwillingsgipfel. Diesmal von der anderen Seite, als Bert sie gestern gesehen hatte.
Jeder von ihnen trug einen Rucksack, in dem sich jeweils Proviant und heißer Tee befand. Sie hatten darauf verzichtet, Wasser mitzunehmen, denn hier oben fanden sich genug klare Gebirgsbäche, deren Wasser so klar und rein war, daß die Mühe, eigenes mitzunehmen, nicht lohnte.
Gegen Mittag rasteten sie auf einer Wiese. Von dort hatten sie einen herrlichen Blick ins Tal hinunter.
»Schauen S’, Verena, dort steht ein Gamsbock«, deutete Bert zu den Felsen, die über ihnen in die Höhe ragten.
Schon bei der Begrüßung am Morgen, hatten sie verabredet, sich mit den Vornamen anzureden, so wie es unter Bergkameraden üblich war.
Die Lehrerin nahm ihren Fotoapparat zur Hand, der um ihren Hals hing. Doch bevor sie abdrücken konnte, war das Tier wieder verschwunden.
»Schade«, bedauerte sie.
»Kommen S’, ich mach’ ein Foto von Ihnen«, bot Bert an. »Auf den meisten Urlaubsfotos ist man selbst nie zu sehen. Immer nur andere.«
Verena stellte sich in Position, und er schoß zwei Bilder von ihr. Dann kletterten sie weiter. Bald wurde es steiler, der Weg war nicht mehr so befestigt, wie zuvor. Einmal rutschte Verena aus und wäre gestürzt, hätte Bert nicht geistesgegenwärtig zugegriffen und sie gepackt. Danach blieb er dicht hinter ihr, sorgsam darauf bedacht, daß sie nicht noch einmal stolperte.
Schließlich hatten sie ihr Ziel erreicht. Die hohe Riest war ein steiniges Plateau, von dem zwei Wege weiterführten. Der eine zum östlichen Talausgang, von dort konnte man auf Umwegen nach St. Johann zurückwandern. Der andere Weg führte weiter zu einer Alm hinauf. Bis dorthin waren es noch gut zwei Stunden zu marschieren.
»Ist das net ein herrlicher Anblick?« deutete Verena auf die Almwiesen, die Steilhänge der Berge, und ins Tal hinunter. »Am liebsten möcht’ man immer hier oben bleiben.«
Bert Fortmann konnte ihre Begeisterung verstehen.
»Ja«, nickte er. »Es ist wirklich wunderschön.«
Dann sah er sie an. Verena spürte, wie sie unter seinem Blick unsicher wurde. Sie schluckte.
»Ganz bezaubernd«, sagte Bert lächelnd.
»Was meinen Sie…?«
Er kam einen Schritt näher und zog sie in seine Arme.
»Kannst du dir das nicht denken?« fragte er. »Du bist bezaubernd. Du bist überhaupt das bezauberndste Wesen, das ich kenne.«
Um sie herum schien sich alles zu drehen, als sein Mund ihre Lippen fand. Der Kuß war fordernd und zärtlich zugleich, und nichts auf der Welt hätte sie dafür eintauschen mögen.
Lange standen sie stumm da, hielten sich in den Armen und hatten die Augen geschlossen. Dann nahm Bert ihren Kopf in seine Hände und schaute sie liebevoll an.
»Ich liebe dich, Verena«, sagte er. »Ich habe lange gebraucht, um es herauszufinden, aber jetzt weiß ich es. Du bist die Erfüllung eines Traum’s.«
Heiß und kalt durchfuhr es sie bei diesen Worten, und sie wartete auf den Augenblick, in dem sie erwachen und in ihrem Bett in der Pension lag.
Aber es war wirklich und wahrhaftig. Sie lag in seinen Armen und hörte seine liebevollen Worte, und keine Macht der Welt konnte sie trennen.
*
Der rote Sportwagen hielt mit quietschenden Reifen vor dem Hotel. Verwundert schauten einige Passanten auf die rassige Frau, in dem kurzen Rock und der eleganten Bluse, die dem Wagen auf hohen Stöckelschuhen entstieg. Ohne auf die Leute zu achten, schlug sie die Autotür zu und ging erhobenen Hauptes in das Hotel hinein.
Natürlich hatte Gloria von Haiden die Blicke gespürt, die sie da auf sich zog. Sie war solche Auftritte gewöhnt, sie gehörten zu ihrem Leben, wie die goldene Uhr am Handgelenk, und der teure Wagen vor der Tür.
Sepp Reisinger, der Löwenwirt, stand gerade an der Rezeption und ging mit einer Angestellten die Zimmerreservierungen durch, als die Frau durch die Tür kam.
»Grüß Gott, im Hotel ›Zum Löwen‹«, begrüßte er sie. »Sie haben ein Zimmer reserviert?«
Ein wenig von oben herab, sah Gloria ihn an.
»Nein, habe ich nicht«, antwortete sie. »Haben Sie nichts mehr frei?«
Sepp hob bedauernd die Schulter. Natürlich, es gab noch ein kleines Zimmer, oben, unterm Dach, ein Notbehelf. Aber das konnte man unmöglich so einer Frau zumuten.
»Es tut mir leid«, sagte er. »Wir haben Hochsaison. Wenn Sie vorher angerufen hätten, vielleicht wäre dann noch etwas