Toni der Hüttenwirt Paket 2 – Heimatroman. Friederike von Buchner
Читать онлайн книгу.sehr. Ich hoffe, sie irgendwann doch überreden zu können, zu mir zu ziehen.«
Karoline verstand nicht, was damit gemeint war: Austragshäuserl, Altenteil. Gustl erklärte es ihr. Dabei erzählte er von seinem Leben. Sein Vater war der älteste Sohn auf dem Straubinger Hof gewesen. Der Sitte nach hätte er den Hof übernehmen und das Erbe antreten sollen. Dann wäre sein Onkel Wilhelm Straubinger ausgezahlt worden. Doch Gustls Vater hatte zu Gunsten seines jüngeren Bruders auf den Hof verzichtet.
»Meine Großeltern legten meinem Vater keine Steine in den Weg. Er ist der Liebe gefolgt nach Kirchwalden.«
Karoline hörte aufmerksam zu, was Gustl weiter berichtete. Seine Großeltern mütterlicherseits hatten in Kirchwalden einen Laden für Haushaltswaren und Wäsche. Gustls Mutter arbeitete dort, sie wollte auch nach ihrer Heirat die Eltern weiter unterstützen.
»Wenn mein Vater den Straubinger Hof übernommen hätte, hätte meine Mutter jeden Tag nach Kirchwalden fahren müssen.«
Gustl schilderte auch, was es für einen Hof bedeuten kann, wenn die Bäuerin tagsüber nicht da war.
»Mein Großvater sah darin eine Gefahr für die junge Ehe. Außerdem gefiel meinem Großvater die junge tüchtige Frau, in die sich mein Vater verliebt hatte. Mein Großvater hieß übrigens auch Gustav. Ich bin nach ihm benannt.«
Also hatte der jüngere Bruder Wilhelm, genannt Willi, den Straubinger Hof übernommen. Gustls Vater stieg mit seinem Erbe in das Geschäft seiner Schwiegereltern ein.
»Meine Eltern sind sehr glücklich! Einer meiner Brüder wird den Laden später übernehmen. Ich wollte es nie. Mich zog es immer mehr nach Waldkogel. Auf dem Straubinger Hof war ich glücklich. Ich verbrachte die Ferien in Waldkogel und den Bergen, später jeden freien Tag, während des Studiums. Viele können das nicht verstehen, daß ich einer bequemen Arbeit als Wissenschaftler in der Forschung die Arbeit auf einem Hof vorziehe.«
»Was hast du studiert?«
»Biologie! Ich habe im letzten Jahr Examen gemacht, danach ein Praktikum beim Staat. Im Frühjahr fragten mich Tante Traudel und Onkel Willi, ob ich den Hof möchte.«
»Da hast du Ja gesagt!«
»Ja!«
»Das verstehe ich!«
»Wirklich?«
»Ja! Es ist doch ein Traum, das im Leben machen zu können, was man wirklich will! Es ist die Erfüllung!«
»Das hast du schön gesagt, Karo! Wunderschön!«
Gustl schaute Karoline in die Augen.
»Warum schaust du jetzt ein bissel traurig aus?«
Karoline seufzte.
»Weil ich auch ein…« Karoline lächelte. »Mit deinen Worten, weil ich ein bissel traurig bin. Ich würde auch lieber etwas anderes tun, als was man von mir erwartet. Leider habe ich keine so verständnisvollen Eltern wie dein Vater. Das ist ein Dilemma!«
Gustl konnte sich nicht mehr zurückhalten. Daß Karoline so traurig blickte, ging ihm sehr nah.
»Du bist net allein, Karo! Wenn du magst, dann kannst du mir alles anvertrauen. Ich bin gern für dich da. Wenn ich dir irgendwie helfen kann, dann tue ich es gern!«
Er legte den Arm hinter Karoline auf die Lehne der Sitzbank. Behutsam glitt sein Arm um Karolines Schultern.
»Ach, Gustl!« seufzte sie.
Karoline legte ihren Kopf an seine Schulter und schloß die Augen. Gustl hielt sie ganz fest. Er wagte sich nicht zu bewegen. Er wagte kaum zu atmen. Sein Herz klopfte wild und heftig. Karoline kuschelte sich an ihn.
»Halte mich nur ein wenig fest, Gustl! Darfst aber nicht denken, daß ich mich jedem an den Hals werfe.«
»Ich verstehe das nicht so! Brauchst wohl ein bissel Schutz, wie ein kleines Lamm oder ein kleines Zicklein, wenn es stürmisch ist. Scheint sehr stürmisch zu sein!«
»O ja, Gustl! Es ist dunkel und unheimlich und so stürmisch, daß es bedrohlich ist.«
»Als ich noch ein kleiner Bub war, hab’ ich mich auch ein bissel vor dem Unwetter hier in den Bergen gefürchtet. Dann hat mir meine Tante eine Geschichte erzählt. Soll ich dir auch eine Geschichte erzählen?«
»Ja! Erzähle mir vom Straubinger Hof.«
Gustl lächelte glücklich. Er erzählte ausführlich vom Straubinger Hof und seiner Arbeit. Er liebte Tiere und war mit Leib und Seele ein Bauer. Dabei ging es ihm nicht nur um Profit, er wollte auch rücksichtsvoll gegenüber der Natur und jeder Kreatur handeln. Ehrfurcht vor Gottes Schöpfung hörte Karo aus jedem Wort heraus. Sie stellte Fragen über die Viehhaltung und Ernährung. Gustl erzählte über den Anbau von alten Getreidesorten, die schon fast in Vergessenheit geraten waren. Er hatte Laufenten gekauft, die die Gemüsebeete von den lästigen Nacktschnecken freihielten.
»Weißt, die fressen nur diese Schnecken. Die Pflanzen rühren sie net an.«
Gustl erzählte und erzählte. Karoline hörte zu und Gustls Leben auf dem Straubinger Hof verstand sie immer besser.
»Und was machst du so? Bist bestimmt ein Madl aus einem reichen Elternhaus. Des denke ich mir, bei dem teuren Sportwagen!«
Karoline richtete sich auf. Sie schaute Gustl in die Augen.
»Dafür kann ich nichts! Ich habe mir das Auto nicht ausgesucht«, sagte sie. »Am liebsten hätte ich es stehen gelassen. Aber wie sollte ich sonst schnell in die Berge kommen?«
»Klingt logisch! Du hättest mit dem Zug fahren können und dann mit dem Bus!«
»Stimmt! Das nächste Mal werde ich das auch!«
»Ich könnte dich auch abholen!«
»Das würdest du tun?«
»Ja, das würde ich machen!«
Es knisterte zwischen ihnen. Karoline schaute Gustl in die Augen. Sie sah darin seine Liebe zu ihr. Ich liebe dich doch auch, dachte Karoline. Aber ich habe noch so viel zu regeln in meinem Leben. Ich bin so glücklich, daß ich dich gefunden habe.
Karoline seufzte.
»Wollen wir weitergehen?« fragte sie leise.
Gustl verstand, daß sie auswich. Er wollte sie auch nicht bedrängen.
»Gut, wenn du magst!«
Sie packten ihre Sachen ein und wanderten weiter den breiten Weg entlang. Doch jetzt hielten sie sich dabei an den Händen.
Es wurde ein wunderschöner Tag. Sie wanderten im weiten Bogen oberhalb von Waldkogel am Hang entlang. Mal säumten Almwiesen den Weg, dann schlängelte er sich durch dichten Tannenwald. Sie beobachteten Eichhörnchen und Salamander. Gustl zeigte Karoline einen wilden Bienenstock. Er ließ sie Wildkräuter kosten und erzählte ihr, was man alles damit machen konnte.
Am frühen Abend erreichten sie die Straubinger Hochalm. Gustl bat Karoline, bei der Kuhweide zu warten. Er ging auf die Suche nach dem Aushilfssenn. Es dauert nicht lange, dann verließ der Senn mit dem Rucksack auf dem Rücken die große Almhütte, die einem kleinen Chalet ähnelte. Wortlos, den Kopf gesenkt, ging er an Karoline vorbei in Richtung Marktwasen.
Gustl winkte Karoline herbei. Er stand an der Tür der Almhütte und hielt sie auf.
»Willkommen auf der Straubinger Hochalm! Komm rein. Es ist etwas unordentlich. Bitte entschuldige!«
»Du hast ihn rausgeworfen?«
»Ja! Nicht wegen der Unordnung hier! Da kann ich noch drüber wegsehen. Aber er kam seinen eigentlichen Aufgaben nicht nach.«
Gustl nahm Karoline den Rucksack ab. Sie stand mitten im Raum und sah sich um. Es war ein großer Raum, größer als der Wirtsraum der Berghütte. Es gab einen Kamin und schöne alte Bauernmöbel. In einer Ecke war die Küche eingerichtet. An der Stirnwand standen zwei Kammertüren offen.