Die schönsten Pferdegeschichten. Lise Gast

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Die schönsten Pferdegeschichten - Lise Gast


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ist recht. Sehr vernünftig“, sagte Cornelia und nahm Werners Hand.

      „Jetzt aber gehen wir alle wieder zu den anderen. Vielleicht sind sie noch nicht fertig mit der Feier, und keiner hat uns vermißt.“

      „Halt! Halt! Ich muß ja noch das Geschenk für den Nikolaus holen. Für den richtigen!“ Anja sauste ab, dem Stall zu. Cornelia stand, Werner an der Hand, und wartete auf sie. Jetzt erst kam das Gefühl der Erleichterung in ihr hoch, daß alles gutgegangen war, die Gefahr abgewendet, ein Unheil verhütet. Einen Augenblick lang war ihr ganz schwindlig und schwach vor Dankbarkeit und Erlösung – sie meinte, seit Jahren nicht mehr so glücklich gewesen zu sein wie in diesem Augenblick. Was hätte geschehen können, heute und weiterhin …

      „Es schneit! Sehen Sie, es fängt wieder an zu schneien!“ sagte Werner in diesem Moment. Seine Stimme klang hell und froh und glücklich. „Anja, es schneit!“

      „Wunderbar, nicht?“ rief Anja, den Weg herunterrennend, glitt aus und landete genau vor Cornelia und Werner auf dem Hosenboden. „Aua – lach nicht, Werner, du Ungeheuer –“

      Werner lachte trotzdem weiter. Und Cornelia mußte auch lachen, es hatte zu komisch ausgesehen.

      „Ärgere dich nicht, Anja, ärgern macht häßlich.“

      „Und schön bist du so nicht, sonst wirst du gräßlich“, ergänzte eine fröhliche Männerstimme. Sie guckten alle drei – Onkel Kurt.

      „Wo wart ihr denn? Drinnen sind sie gleich fertig mit der Bescherung“, sagte er. Anja hatte sich aufgerappelt und hielt das Paket in der Hand, das für den Nikolaus bestimmt war.

      „Wenn jetzt was kaputt ist. Wenn da was Zerbrechliches drin war“, sagte sie düster.

      „Wird schon nicht“, sagte Onkel Kurt tröstend, „warum soll denn was Zerbrechliches drin gewesen sein.

      Heute ist doch ein Glückstag, oder nicht?“

      „Wenn du wüßtest“, dachte Cornelia, aber sie sagte es nicht. Alle vier wandten sich wieder der Halle zu. Ach doch, es war ein Glückstag, dieser Nikolaustag, den sie nie vergessen würden. Gott sei Dank!

      Eine neue Welt

      „So, das war die letzte Gabel. Der Wagen ist leer. Hätte auch nichts mehr Platz“, seufzte Petra und winkte Herrn Anders zu, der das Heu heraufgegabelt hatte. Sie hatte es an der Luke angenommen und nach hinten zu Anja gegeben, die es stopfte. Kein anderer vom Reitverein war dagewesen, als der Bauer es brachte. Dieser mußte den Tag wahrnehmen, an dem es nicht schneite, damit das Heu trocken auf den Boden kam. Er war mit dem Trekker hier, wendete jetzt und zog den leeren Wagen hinter sich her, zur Straße hinunter.

      Petra ließ sich ins Heu fallen, blies die Backen auf und pustete.

      „Ja, wenn wir nicht wären! Der Reitverein weiß gar nicht, was er an uns hat!“

      „An dir. Ich bin ja gar nicht drin, leider.“

      „Was nicht ist, kann ja noch werden. Aber Spaß macht es zu schuften, nicht? Ich find’ es prima, grade dazusein, wenn jemand gebraucht wird. Da behandeln sie einen immer, als wäre man erwachsen.“

      „Ja. Na, Herr Anders tut das eigentlich sowieso. Wieviel mag es gewesen sein?“

      „Zwanzig Zentner sicherlich. Und gutes Heu. Ein einziges Glück, daß es nicht in Ballen kam.“

      Wenn das Heu in Ballen gepreßt geliefert worden wäre, hätten sie es kaum einräumen können. Ein Ballen wog ungefähr einen Zentner, und man mußte sie stapeln. Anja schnaubte sich die Nase aus, in die lauter Heustaub gekommen war, und zog das Kopftuch vom Haar, das Petra ihr zugeworfen hatte, ehe sie auf den Heuboden hinaufturnten: „Hier, umbinden, sonst mußt du heute abend den Kopf waschen, und deine Mutter wundert sich über die schwarze Brühe.“ Sie selbst hatte auch eins um, das sie jetzt abnahm. Ihr Haar war schon wieder ein wenig nachgewachsen, noch immer aber sah sie aus wie ein Stoppelkopf. Anja betrachtete die Freundin nachdenklich, dann seufzte sie wieder.

      „Komm, wir ruhen uns noch ein Weilchen aus, das haben wir verdient“, sagte Petra und ließ sich ins Heu zurückfallen. „Nirgends liegt es sich so gut wie im Heu. Im Sommer, wenn es frisch ist – das duftet! Aber da darf man nicht drin schlafen, da bekommt man Kopfweh. Jetzt ist es abgelagert.“

      „Hast du schon im Heu geschlafen?“ fragte Anja sehnsüchtig. „Ich noch nie.“

      „Ich oft. Mit meinen Schwestern zusammen.“

      Sie lagen nebeneinander auf dem Bauch und guckten zur Luke hinaus. „Einmal, bei Bekannten – wir verreisen doch immer nur zu solchen Leuten, die auch Pferde haben, oder wenigstens Ponys. Da durften wir mit unsern Schlafsäcken auf dem Heuboden schlafen, und einmal hat mich nachts eine meiner Schwestern geweckt, Angelika, die älteste – die sagte, eine von den Stuten fohlte. Ich war ganz verdattert und verpennt, und als ich es endlich kapierte und hinunterkletterte, war das Fohlen schon da. Es lag hinter der Mutter, winzig klein, noch naß, sein Fell war ganz gelockt. Also so was Süßes, sag’ ich dir!“

      „Ja? So schnell ging das?“

      „Ganz schnell. Wie ein Wunder.“

      „Ich möchte das auch mal erleben“, sagte Anja leise. „Gibt’s bei Pferden auch manchmal Zwillinge?“ Es war wohl naheliegend für sie, das zu fragen. Zu Hause hörte man ja immerzu nur: die Zwillinge, die Zwillinge.

      „Ganz selten. Einmal hab’ ich es erlebt. Da hatte die Stute eines Bauern, von dem wir auch Heu beziehen, in der Osternacht Zwillinge bekommen, und im September war sie noch im Turnier gegangen, hatte sogar den Zweiten im Springen gemacht mit ihrem Reiter. Fichte hieß sie.“

      „Und wieso hast du sie gesehen?“

      „Ach, so was spricht sich rum, schneller als ein Alarmsignal, sagt mein Vater immer. Und Mutter ist ja sowieso überall, wo was los ist. Wir sind also sofort hingefahren, als ich davon hörte. Früh um zehn waren wir dort. Und schon kam das Fernsehen und hat gefilmt, am ersten Osterfeiertag, stell dir vor –“

      „Na endlich! Hier seid ihr?“

      Petra und Anja fuhren zusammen. An der Luke war ein Kopf erschienen, jetzt kam er höher, sie konnten aber nicht erkennen, wer es war, sahen nur den überstrahlten Schattenriß vor dem weißlichen Himmel, der gegen das Dämmerlicht hier auf dem Heuboden sehr hell wirkte. Ächzend stemmte der Mann sich hoch, stieg von der Leiter auf den Heuboden, sich seitlich setzend, während seine Beine noch hinunterhingen. Jetzt erkannten sie ihn – es war Onkel Kurt.

      „Was machst du denn hier?“ fragte Anja maßlos erstaunt.

      „Euch suchen. Herr Anders wies mich endlich auf eure Fährte. Ich suche schon anderthalb Stunden lang.“

      „Hat Mutter dich etwa geschickt?“ fragte Anja erschrocken. Immer hatte sie ein schlechtes Gewissen, wenn sie sich heimlich in den Reitverein absetzte.

      „Keine Ahnung, Mutter doch nicht. Sie ist mit den Jungen heute zum Kinderarzt. Nein, zu Hause ist niemand. Auch Vater nicht, und er hat auch nicht nach dir gefragt, als er ging.“

      Anja atmete auf. Wenn Onkel Kurt „nur so“ kam, war keine Gefahr. Er war seit ein paar Tagen bei ihnen zu Gast, und alle freuten sich darüber, keiner fragte, warum. Jetzt saß er da und kaute an einem Heuhalm.

      „Du, Petra …“, sagte er nach einer Weile, brach aber wieder ab.

      „Ja?“ fragte Petra vorsichtig.

      „Ich wollte – also du kennst doch Cornelia, wie ihr sie nennt. Übrigens heißt sie wirklich so, ihr tut immer, als wäre es ein Spitzname. Kennst du sie näher?“

      „Was heißt näher? Wenn sie kommt, begrüße ich sie halt. Und ich mag sie furchtbar gern, weil sie so nett zu uns ist. Gar nicht wie sonst Erwachsene, sondern so, als wären wir gleich alt.“

      „Aber –“, er gab sich einen Stoß. „Aber – weißt du zum Beispiel, ob sie verheiratet


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