Die schönsten Pferdegeschichten. Lise Gast

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Die schönsten Pferdegeschichten - Lise Gast


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hat doch heutzutage nichts zu sagen. Frauen können ihren Namen jetzt beibehalten, wenn sie – also, sie ist nicht verheiratet?“ fragte er gleich darauf schnell. Petra schüttelte den Kopf.

      „Nein. Auch nicht verlobt. Aber das war sie mal.“

      „Verlobt? Und war? Und ist nicht mehr?“

      „Nein. Das hat sie mir zufällig mal erzählt. Sie hat kurz vor ihrer Hochzeit, also vielleicht vier Wochen vorher, Kuchen war noch nicht gebacken, aber sonst alles fertig, das Aufgebot bestellt, die Kirche, die Predigt, alles – da hat sie wieder abgesagt. Einfach ganz schnell von einer Sekunde zur anderen. Weil –“, sie machte eine Pause. Sie fand es selbst spannend, aber daß Onkel Kurt es noch spannender fand, das merkte sie genau, Anja übrigens auch. Sie beneidete Petra wieder mal.

      „Weil – ja, ihr damaliger Verlobter mochte keine Tiere. Weder Hunde noch Pferde noch sonstwas. Und –“

      „Und?“ Onkel Kurt sah sie an, als hinge sein Seelenheil von ihrer Antwort ab.

      „Und – ja, und er war kein Arzt. Kein Mediziner. Mit dem Mediziner – sagte sie damals – fängt bei mir der Mensch an. Jedenfalls der, mit dem ich ein Leben lang zusammensein könnte. Das hatte ich mir vorher nicht genau genug überlegt. Ist er keiner, dann ade. So sagte sie, ungefähr so, ich weiß es nicht mehr wörtlich.“

      „Ach.“ Onkel Kurt hatte jetzt die Beine heraufgezogen und angewinkelt und die Ellbogen drauf gestützt. „Das also ist es.“ Dann schwieg er wieder.

      Petra betrachtete ihn heimlich, mit spitzbübischer Aufmerksamkeit. Sie hatte es ja von Anfang an gemerkt.

      „Und warum fragen Sie?“ fragte sie nach einer Weile scheinheilig. Anja knuffte sie noch, aber zu spät.

      „Ach, nur so. Tja, horcht mal, ihr beiden“, sagte er dann, und man merkte richtig den Schubs, den er sich geben mußte, um das zu sagen. „Eure Cornelia hat doch am Mittwochnachmittag frei. Sagte sie jedenfalls mal. Morgen ist Mittwoch. Wollen wir da – würdet ihr da –, also, ich hab’ eine große Bitte an euch. Ich möchte mal nach Hause, nachsehen, wie es dort geht. Wenn man fort ist, ist ja meistens der Teufel los, das werden eure Eltern auch sagen, wenn sie mal wegfahren müssen und euch allein lassen. Und ich finde, es wäre ein hübscher Ausflug. Hättet ihr Lust mitzufahren? Ich hab’ auch – also Pferde hab’ ich nicht, das sag’ ich gleich. Aber hm – einen Hund schon – oder besser – na ja, egal. Und da wäre es doch herrlich, wenn eure Cornelia auch mitkäme. Sie allein mitzunehmen, trau’ ich mich nicht, lacht ruhig, ihr albernen Gören. Aber wenn ihr sie bittet, ihr – dann sagt sie vielleicht nicht nein?“

      Es klang sehr bittend. Petra lachte.

      „Klar fahren wir mit. Wenn wir abends wieder zu Hause sind. Meinst du, ob du darfst, Anja? Aber schließlich ist es ja dein Onkel. Und ich komm’ eher mal weg von zu Hause, ich hab’ nicht solchen Seltenheitswert wie du.“ Sie lachte aus vollem Halse. Anja mußte auch lachen.

      „Würdest du für mich fragen, Onkel Kurt?“ bettelte sie. „Ich möchte schrecklich gern mit!“

      „Natürlich frage ich für dich. Und für dich, Petra. Ich kann doch deine Eltern anrufen?“

      „Geht vielleicht auch so. Wenn Cornelia mitkommt, die war ja schon bei uns, damals, als ich im Bett lag. Hat mich besucht und kennt meine Mutter. Also, das wird schon in Ordnung gehen. Was für einen Hund haben Sie denn?“

      „Einen? Ach, lassen wir das mal, die Rasse kennst du sicher nicht. Nein, man muß sich auch mal überraschen lassen können. Könnt ihr das? Na also. Und Cornelia, ob sie das auch kann?“

      „Cornelia, Cornelia, alles reimt sich bei ihm auf dasselbe“, lachte Petra, als Onkel Kurt gegangen war. „Merkst du es? Bis über die Ohren verschossen. Na, an uns soll es nicht liegen, Hauptsache, du bekommst die Erlaubnis.“

      Anja bekam sie. Natürlich dürfe sie mit, sagte die Mutter, als Onkel Kurt sein Sprüchlein gestammelt hatte, „wenn sie nicht in den Reitverein muß?“ Mutter blinzelte, Anja wurde rot, hauptsächlich aus Ärger. Sie wollte etwas Patziges sagen, aber Onkel Kurt trat ihr so heftig auf den Fuß, daß sie vor Schreck stöhnte.

      „Entschuldige, aber –“, und dann drängelte er sie hinaus und flüsterte im Flur nur: „Tut mir leid, kriegst ein Schmerzensgeld. Aber jetzt, wo sie ja gesagt hat, ist doch alles andere Nebensache …“

      Ja, er mußte sehr verliebt sein. Denn die Geschichte mit dem Reitverein war keineswegs Nebensache, fand Anja, und sie mußte wieder einmal über die Erwachsenen seufzen. Die hatten Sorgen! Wenn man dagegen an sich selbst dachte!

      Es wurde wahr. Cornelia sagte ahnungslos zu, als Onkel Kurt ihr den Vorschlag machte, am Mittwoch nachmittag ein Stück mit den beiden Kindern und ihm zu fahren; er habe Winterreifen und im Kofferraum Schneeketten, und es würde bestimmt nichts passieren, und – und – und –

      Cornelia saß vorn neben Onkel Kurt, Petra und Anja hinten. Kinder müssen hinten sitzen, das ist Vorschrift. Die beiden hatten nichts dagegen, von hinten sah man genausoviel, und sie konnten sich gut unterhalten. Das taten sie auch, flüsterten und kicherten und prusteten. Onkel Kurt dagegen zog seinen Wagen schweigend und aufmerksam durch eine Kurve nach der anderen. Es war schönes Wetter, hell durch den Schnee, schneite aber nicht. Sogar der Wald, der die Straße rechts und links begleitete, war weiß, es hatte noch nicht gestürmt, und die Bäume trugen ihren Schmuck mit Stolz.

      „So ein wunderschönes Vorweihnachtswetter hatten wir lange nicht“, plauderte Cornelia, als Onkel Kurts Schweigen beklemmend zu werden drohte. Und als er darauf immer noch nichts antwortete, wandte sie sich ein wenig zurück zu den beiden Mädchen. „Habt ihr eigentlich dieses Jahr schon Wunschzettel geschrieben? Oder tut man das heute nicht mehr? Ich fand es eigentlich immer praktisch, den ‚Großen‘ eine Auswahl an Wünschen vorzulegen. Sie konnten sich dann etwas heraussuchen, sich für ein neues Fahrrad oder einen Fingerhut entscheiden, je nachdem, wie dick und voll ihr Geldbeutel im Augenblick war.“

      „Was ist denn das, ein Fingerhut?“ fragte Petra. Cornelia lachte.

      „Wahrhaftig, das weiß heute niemand mehr. Genäht wird mit der Nähmaschine, und geflickt überhaupt nicht mehr. Wenn was kaputt ist, schmeißt man es weg. Viele Leute jedenfalls, die ich kenne, machen das so.“

      „Haben Sie sich mal einen – nun, so einen Nähhut gewünscht?“ fragte Petra, und man hörte ihrer Stimme an, wie verächtlich, ja unwürdig sie das gefunden hätte. „Ich kann mir Sie nicht vorstellen, wenn Sie nähen. Ich wünsche mir dies Jahr eine neue Reithose, die alte platzt schon überall. Und eine Sprunggerte. Ich will im Sommer das Jugend-Reitabzeichen machen, das kann ich mir leider nicht wünschen, sondern muß es selbst schaffen. Das ist viel schöner. Ein geschenktes Abzeichen würde ich nie anstecken.“

      „Aber ein erworbenes?“ fragte Cornelia.

      „Klar. Sogar an den Schlafanzug. Himmel, wenn ich mir vorstelle“ Ihre Augen blitzten wieder einmal. „Springen muß man da auch, aber wenn ich den Abglanz bekomme, der springt! Bei mir jedenfalls.“ Sie starrte in die Luft und schien eine Vision zu haben.

      „Und du, Anja?“ fragte Cornelia nach einer Pause.“

      „Ich? Ich brauch’ keinen Wunschzettel.“

      „Weil du dir nichts wünschst?“

      „Ich wünsch’ mir nur eins. Aber das krieg’ ich nicht.“ Es klang bockig und auch ein wenig traurig. Cornelia merkte, daß sie einen wunden Punkt berührt hatte.

      „Vielleicht ist es ein zu teurer Wunsch? Ein unverschämter?“ fragte sie sachte.

      „Ach, ich weiß nicht. Wenn man sich aber nur eins, nur ein allereinziges wünscht, das aber so sehr –“

      „Tja, es kommt halt drauf an.“ Cornelia dachte sich ihr Teil. Sie meinte aber, es sei vielleicht besser, nicht in Anja zu dringen. Vielleicht sprach sie einmal mit deren Eltern …

      „Und Sie? Was wünschen Sie sich?“ fragte plötzlich Onkel Kurt.


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