Die schönsten Pferdegeschichten. Lise Gast

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Die schönsten Pferdegeschichten - Lise Gast


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ein Auto ein Stück mitgenommen, dem Fahrer hab’ ich vorgeschwindelt, ich müßte zur Apotheke und was holen. Und dann bin ich halt weitergelaufen, bis hierher. Ich hab’ euch gesehen, wie ihr mit den Pferden losgegangen seid – und dann sah ich die kleine Leiter und die Luke. Da bin ich raufgeklettert – bloß mal, um nachzugucken – und drin war es schön, und Hunger hatte ich auch –“ Er schwieg.

      „Und da hast du den Kühlschrank inspiziert“, sagte Petra vergnügt. „Stimmt’s? Und da stand Schlagsahne drin.“

      „Ja“, sagte Heiner verlegen, „ich hatte solchen Hunger.“

      „Und wir haben uns gegenseitig verdächtigt“, lachte Dagmar, „jemand mußte die Sahne ja getrunken und den Becher schön säuberlich in den Abfall getan haben. Ordentlich bist du, das muß man sagen!“

      Die beiden anderen lachten ebenfalls.

      „Ich hab’ aber niemanden verdächtigt“, verwahrte sich Anja. „Ihr wahrscheinlich mich!“

      „Na, jemand mußte es ja gewesen sein“, sagte Dagmar, und Petra krähte: „Ich dachte, es wäre der Müller!“

      „Quatsch, da wußten wir ja noch gar nichts vom Müller und seinem Erscheinen“, sagte Anja. „Gott sei Dank, daß du es warst, Heiner, und kein Gespenst! Wir dachten nämlich schon, es spukt.“

      „Im Haus?“ fragte Heiner ungläubig. Und dann lachten sie alle vier und fanden es wunderbar, daß es Heiner und kein Spuk gewesen war.

      Cornelia

      Es gibt Menschen, die kommen ins Zimmer, und man hat das Gefühl, ein Fenster voller Sonne geht auf. So war es bei Cornelia. Anja wußte das, sie empfand es aber wieder neu, als Cornelia plötzlich da war – sie stand auf einmal in der Küche, in flaschengrünen Hosen und einer karierten Jacke, das kurze Haar mit Schneeflocken besternt, und alles war anders, alles war neu.

      „Cornelia!“ schrien Anja, Dagmar und Petra wie aus einem Mund, und alle drei sprangen auf sie zu, so daß sie umgeflogen wäre, wenn der Ansprung nicht von drei Seiten stattgefunden hätte.

      „Himmel, laßt mich leben!“ sagte sie und drückte alle drei auf einmal an sich. „Die Haustür war auf, da hab’ ich mich reingeschlichen. Ist das hier immer so?“

      „Auf? Ich meine: offen?“ fragte Dagmar sofort erschrocken. Cornelia lachte.

      „Nein. Nicht sperrangelweit, sondern nur nicht verschlossen. Warum erschrickst du denn so?“

      „Nur wegen Zessi. Zessi darf nicht allein raus, aber sie ist ja da.“ Sie deutete zu Heiner hinüber, der sich gerade erhob, um Cornelia zu begrüßen, Zessi an seiner Seite.

      „Das ist Heiner, unser männlicher Schutz. Er ist extra zu uns gekommen, damit wir uns nicht fürchten, wir drei Weiber allein. Aber jetzt sind Sie ja da. Wunderbar!“

      „Ja, ich find’s auch wunderbar. Ich wollte unbedingt mal nach euch sehen. Ich war bei deiner Mutter, Anja. Ihr wohnt ja so nahe am Reitverein. Sie läßt grüßen – und dein Vater auch. Und die Zwillinge – nein, sind die niedlich!“

      Cornelia hatte sich gesetzt, ihr Gesicht glühte in der Wärme der Küche nach der Kälte draußen. „Meine Heizung im Wagen tut’s nicht, weiß der Teufel, was da nicht stimmt. Ich bin halb erfroren auf der Fahrt“, erzählte sie.

      Dagmar brachte ihr einen heißen Tee und verkündete: „Gleich gibt’s Mittagessen.“

      Cornelia lachte. „Jetzt? Am Abend?“

      „Ja, wir wußten doch nicht, wann Sie kommen und für wie lange. Bis morgen bleiben Sie doch auf jeden Fall?“ Sie sahen sie alle drei bittend an.

      „Klar bleib’ ich“, sagte sie vergnügt, „ich hab’ mir den ganzen morgigen Tag für euch reserviert. Wollen wir reiten?“

      Ob sie wollten! Es sollte jedoch ganz anders kommen …

      Nachdem sie gegessen hatten, setzten sie sich, Cornelia zu Ehren, ins Wohnzimmer an den Kamin. Sonst waren sie immer in der Küche geblieben, aus Faulheit und weil man dort am Tisch schön spielen konnte. Mit Cornelia wollten sie erst einmal richtig schwätzen, und das Kaminfeuer war natürlich eine feine Sache. Heiner baute die Scheite auf, wie Dagmar es ihm vormachte, und Petra fuchtelte mit den langen Kaminstreichhölzern herum und machte mehr Schaden als Nutzen, wie Dagmar behauptete. Cornelia hatte eine Flasche Wein mitgebracht und zauberte daraus einen Punsch, der sogar Anja schmeckte. Und nun mußte Cornelia erzählen.

      Es war ihnen, als wären sie schon viele Wochen nicht mehr im Reitverein Eulengut gewesen, und sie fragten und fragten: wie es Herrn Anders ginge, dem Pferdepfleger, und ob der Reitlehrer grimmig wäre oder gnädig, und wie oft Othello, der kleine Ziegenbock, sich unnütz gemacht habe. Der ging in jeden Stand, fraß, wo er konnte, den Pferden den Hafer weg, boxte die Reitvereinsleute und legte sich manchmal mitten in der Stallgasse zur Ruhe, so daß alle, Menschen und Pferde, vorsichtig um ihn herumgehen mußten, um ihn nicht zu wecken. Bei Othello tat das sogar der Reitlehrer.

      „Alles noch, wie es war, nur ihr fehlt“, sagte Cornelia. „Wenn ihr nicht da seid, ist der ganze Reitverein wie eine Suppe ohne Salz. Niemand bricht sich das Schlüsselbein“, sie versuchte, ein sehr betrübtes Gesicht zu machen –, „und niemand wird angeschnauzt, weil er –“

      In diesem Augenblick läutete das Telefon. Cornelia strahlte und sprang hinüber, als Dagmar, die abgehoben hatte, sie herbeiwinkte.

      „Das ist Onkel Kurt“, flüsterte Anja Petra so laut ins Ohr, daß es jeder gehört hatte, nur Cornelia nicht. Sie saß und lauschte in die Muschel, und ihr Gesicht wurde immer verklärter.

      „Kommt, wir wollten doch noch –“ murmelte Dagmar und machte den anderen ein Zeichen. Sie verließen das Zimmer.

      „Die turteln ja nach Noten. Natürlich, weil es Onkel Kurt ist. Sind sie nun verlobt oder noch nicht ganz?“ fragte Dagmar. Anja lachte.

      „Wenn ja, sind wir schuld, Petra und ich. Wir haben die zwei zusammengebracht, nicht wahr, Petra? Wir haben Onkel Kurt in den Reitverein geschleppt, und dort fand er, daß ‚der Junge‘ bei der Quadrille der Beste war, und das war Cornelia …“ Sie lachten, und Petra sang:

      „Gut läßt sich’s turteln

      mit Onkel Kurteln –“

      Sie hatte das Wort „turteln“ erstmals in diesem Sinne angewandt gehört und fand es wunderbar.

      Nach einer langen Weile, als sie aus dem Wohnzimmer nichts mehr hörten, gingen sie wieder hinein, einzeln und wie von ungefähr. Eine brachte ein Tablett mit Gläsern, die andere eine Büchse Keks – für Heiner hatten sie keine Aufgabe gefunden. Er hielt Zessi am Halsband.

      „Da hätte er sowieso nur eine Hand frei“, sagte Dagmar, hielt das Tablett schief, und: klirr, klirr, lagen die Gläser am Boden.

      „Nein, so was Dummes, schneidet euch nur nicht!“ rief sie. Sie sammelten alle miteinander die Scherben auf. Es waren nur zwei Gläser kaputt, die anderen hatten den Unfall heil überstanden.

      „Scherben bringen Glück“, sagte Heiner.

      „Na, Glasscherben auch?“ zweifelte Cornelia. „Überhaupt – das ist doch nur eine dummer Aberglaube.“

      Stichwort Aberglaube! Jetzt mußten sie erzählen, nachdem sie Cornelia ausgefragt hatten, und sie taten es, alle drei auf einmal. Vom Müller, vom Papagei – „Den holen wir! Heiner, du kannst das doch am besten.“ – und von all den seltsamen Dingen, die sie erlebt hatten. Cornelia hörte aufmerksam zu. Als Heiner ging, um den Papagei zu holen, fragte sie halblaut: „Wer ist denn das? Gehört der zu dir, Dagmar?“

      „Nein, ich kenne ihn auch erst seit kurzem. Genauso lange wie die anderen. Er ist uns – nein, das dürfen wir nicht erzählen, das heißt, eigentlich könnten wir schon, den Anfang jedenfalls.“

      Aber da war Heiner schon wieder da. Er hielt Cornelia den Papagei hin, und sie bewunderte ihn gebührend.


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