Die schönsten Pferdegeschichten. Lise Gast

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Die schönsten Pferdegeschichten - Lise Gast


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der Straße angekommen, guckten sie nach rechts und links. Links ging es ins Dorf, rechts aufs freie Feld hinaus. „Wohin?“

      „Dort! Dort!“ Heiner deutete nach rechts. Wahrhaftig, da sah man etwas Schwarzes verschwinden: den Pudel, der in eiligen Hoppelsätzen davonlief, sicherlich den anderen nach, die längere Beine hatten und deshalb ungleich schneller waren.

      „Hinterher!“ rief Cornelia und ließ den Motor aufheulen. Es ging ein wenig bergauf, und als sie oben waren, hatten sie eine ganz gute Rundsicht. Dort, wo der Pudel sich um eine größere Geschwindigkeit abmühte, sah man in der Ferne zwei kleine Bälle, einen schwarzweißen und einen braunen.

      „Na also, da sind sie ja! Die kriegen wir!“ sagte Cornelia und gab Gas. „Hast du eine Leine mit?“

      „Ja. Und ein Halsband hat sie auch.“

      Heiners Stimme klang wie abgewürgt. Er starrte mit weit aufgerissenen Augen den Hunden nach, die immer kleiner wurden. Kein Wunder, sie rannten querfeldein, während Cornelia sich mit dem Wagen an die Wege halten mußte. Schlecht genug fuhr es sich auch da, alles war ja voller Schnee.

      „So, verschwunden“, sagte Cornelia nach einer Weile wütend, nahm Gas weg und ließ den Wagen auslaufen, „verdammt, verdammt und zugenäht! Wie kriegen wir sie nun wieder!“

      Sie sah zu Heiner hin, der neben ihr saß. Sein Gesicht hatte alle Farbe verloren.

      „Na, na“, sagte sie schnell tröstend und ein wenig gutmütig spottend. „Vielleicht tut es ihr gut, sich einmal richtig auszurennen.“

      „Aber – aber –“

      „Wie lange ist sie denn schon läufig? Erst den zweiten Tag? Da passiert nichts“, tröstete Cornelia, „und nach Hause findet sie sicherlich auch. Solche Hunde haben gute Nasen.“

      „Aber es kann doch – wenn sie nun überfahren wird“, stammelte Heiner. Cornelia dachte an das, was Dagmar ihr erzählt hatte. Eine Hündin von Heiner war überfahren worden …

      „Das muß ja nicht passieren. Hier auf den Feldern schon gar nicht.“

      „Aber wenn sie woandershin läuft? Der Dalmatiner gehört doch jemandem, der vielleicht in der Stadt wohnt, wo viel Verkehr ist.“

      „Das ist möglich“, sagte Cornelia und versuchte den Wagen zu wenden. „Sei so gut und steig aus, damit du mich einwinken kannst – ja, noch weiter zurück? Oder lande ich da im Graben?“

      „Hier ist keiner“, schnupfte Heiner, „noch ein Stück – so, und jetzt nach links einschlagen!“

      „Du fährst wohl manchmal heimlich mit dem Wagen von deinem Vater?“ fragte Cornelia freundlich. Sie wollte ihn ein wenig auf andere Gedanken bringen. „Ich meine, weil du mit der Heizung so gut Bescheid wußtest. Dafür danke ich dir übrigens schön. Sie tut’s wieder, wie man merkt.“

      „Es war nur eine Kleinigkeit. Ich hätte Zessi nicht mitnehmen dürfen“, flüsterte er, „aber sie wollte mit in den Hof. Sie hing an mir –“ Er brach ab.

      „Du hattest sie ja im Wagen eingesperrt“, sagte Cornelia müde. Der Junge war nicht abzulenken. „Ich hab’ sie rausgelassen. Ich bin schuld.“

      „Wollen wir nicht doch – könnten wir nicht – irgendwo muß sie ja sein“, sagte er verzweifelt, „in den Dörfern ringsherum fragen, meine ich – Vielleicht hat jemand sie gesehen?“

      „Wir fahren erst einmal zurück“, sagte Cornelia, „vielleicht weiß Dagmar, wohin der Dalmatiner gehört. Dann fahren wir dorthin.“

      „Ja! Ja! Und vielleicht –“, er brach ab. Dann kam es, stoßweise, halblaut, außer sich: „Es war nämlich – es war gerade heute vor einem Jahr, als meine – als unsere Mia überfahren wurde.“

      „Heute vor einem Jahr? Ach, armer Junge“, sagte Cornelia sachte, „da kann ich mir denken, wie dir zumute ist. Es muß aber trotzdem nicht –“

      „Es war so entsetzlich – so –, ich habe um diese Zeit, um Silvester herum, nie Glück“, sagte Heiner nach einer Weile; es klang gleichzeitig ergeben und bitterlich traurig, „immer erwischt mich gerade da etwas Furchtbares!“

      „Das ist doch Aberglaube. Das muß nicht jedes Jahr zutreffen“, sagte Cornelia herzhaft. Sie sagte es gegen ihr eigenes Gefühl. Natürlich gibt es Zeiten – in denen man Glück hat und einem alles gerät, und dann wieder welche, in denen alles schiefgeht.

      „Man muß in solchen Zeiten besonders tapfer sein“, sagte sie aus diesen Überlegungen heraus, „besonders tapfer und besonders vorsichtig. Auf der Hut. Das hat mit Feigheit nichts zu tun. Vorsicht ist einfach Klugheit.“

      „Ich hab’ das auch gedacht. Ich habe schon immer Angst um Zessi gehabt, deshalb hab’ ich so auf sie aufgepaßt.“

      „Wir finden sie sicherlich wieder.“ sagte Cornelia und gab Gas. „Vielleicht ist sie schon zu Hause.“

      Das war Zessi leider nicht. Dagmar wäre ins Dorf gelaufen, erzählte Petra, und Anja suchte auf der Koppel hinter dem Stall. Petra hatte sich erboten, am Telefon zu wachen, sosehr sie auch darauf brannte, mitzusuchen.

      „Aber jetzt sind Sie ja da. Ich renne und suche wenigstens Dagmar“, sagte sie und lief ins Haus. Cornelia goß sich geistesabwesend eine Tasse Kaffee ein und trank sie im Stehen.

      „Trink auch was, Heiner“, sagte sie.

      Er gehorchte, aber er war vollkommen abwesend. Cornelia beobachtete ihn eine Weile, ohne sich etwas anmerken zu lassen. Dann gab sie ihm einen kleinen Schubs.

      „Heiner! Sei doch nicht so verzweifelt! Wir werden sie schon finden. Sobald Dagmar kommt –“

      Da kamen sie schon, Dagmar und Petra. Dagmar sah erschöpft aus und zog die Tür hinter sich zu.

      „Ein Glück, daß Sie da sind. Ja, ich weiß, wohin der Dalmatiner gehört. Er kam schon früher immer, wenn Brumme sich in diesem Zustand befand. Ich kenne den Kerl.“

      Sie schien erleichtert zu sein und sagte: „Wir rufen dort an. Sie sind über die Felder gerannt, querfeldein. Das ist gut. Da kommen sie von hinten an das Haus der Leute, denen Lord gehört. Ja, er heißt Lord, der Schlawiner. Der hat uns das Leben schon vergällt, dieser Lord, erst mit Brumme –“ Dagmars Worte verloren sich in Murmeln. Sie war schon am Telefon. Nach einer Weile kam sie wieder

      „Nichts. Es meldet sich niemand.“

      „Sicher suchen sie nach Lord.“

      Sie saßen da und sahen einander an. Was konnte man noch unternehmen?

      Nichts. Abwarten. Das war sehr schwer. Sie blieben im Zimmer, um dazusein, wenn jemand anrief. Ans Reiten dachte keiner.

      Einmal ging das Telefon. Alle sprangen auf. Aber es war nur Cornelias Bekannte aus der Rabestraße.

      „Doch, es kann stimmen“, sagte sie. „Die Leute, denen der Papagei gehören soll, hab’ ich zwar nicht gesprochen, aber es gibt dort ein Ehepaar, das einen hat. Ich versuche es später noch einmal. Nein, Telefon haben die Leute selbst nicht.“

      Immerhin, das war ein Hinweis. Cornelia sah zu Heiner hinüber, dessen Augen noch trostloser geworden waren. Er hatte den Papagei auf der Hand sitzen und streichelte ihn unablässig. Er dauerte sie.

      „Nun sei nicht so verzagt! Es kann mit Zessi immer noch gut werden“, sagte sie, als sie es nicht mehr mit ansehen konnte. „Nur die Sache ist verloren, die man aufgibt. Wir geben nicht auf. Weißt du was, Junge? Wir fahren zu den Leuten, denen Lord gehört. Vielleicht ist er inzwischen heimgekommen, mit Zessi im Kielwasser. Ihr Mädchen bleibt hier und achtet aufs Telefon.“

      Sie nickte den dreien zu. Die seufzten, sagten aber ja. Unterwegs gab sich Cornelia einen Ruck und sagte: „Heiner, ich hab’ die anderen absichtlich zu Hause gelassen. Ich wollte mit dir allein reden. Wirst du mir antworten?“

      Heiner schniefte.

      „Ja,


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