Die schönsten Pferdegeschichten. Lise Gast

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Die schönsten Pferdegeschichten - Lise Gast


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um dich. Überleg dir das mal. Und zwar haben sie diese Angst bereits seit Tagen. Haben sie das verdient?“

      Sie sah nicht zu ihm hinüber, sondern konzentrierte sich auf die Straße.

      „Jetzt links – ja, den kleinen Weg dort. Der führt wahrscheinlich hin –“ Mehr sagte Heiner nicht.

      Dies war das richtige Dorf. Sie fragten nach den Leuten, denen Lord gehörte, und bekamen sofort freundlich Bescheid.

      Cornelia sah zu Heiner hinüber – was machte er für ein Gesicht? Verschlossen? Verbockt? Oder nur verzweifelt? Vielleicht ein wenig aufgelockert? Sie wurde nicht klug daraus.

      „Das Haus muß es sein! Heiner, nun sag doch was!“

      „Ja doch. Ich will ja. Wenn wir zurück sind, ruf’ ich meine Eltern an“, sagte er leise.

      Cornelia wagte nicht aufzuatmen, aber ihr fiel ein Stein vom Herzen. Ganz kurz faßte sie nach seiner Hand und drückte sie.

      „Bravo“, sagte sie, „gut so, Heiner. Und nun gehst du rein und fragst, und wenn sie nichts wissen, ist auch noch nicht alles verloren. Verstanden? Nun geh, mein Junge!“

      Heiner stieg langsam aus. Erst war es, als könnte er nicht vorwärts, als hielte es ihn magnetisch fest. Dann gab er sich einen Stoß und rannte los. Er verschwand im Haus und kam nach drei Minuten wieder herausgeschossen.

      „Sie ist da! Sie ist da!“ schrie er und winkte Cornelia zu, rannte zurück, drehte wieder um, zögerte und kam dann an die linke Autotür, die Cornelia soeben aufgestoßen hatte, um auszusteigen. Er stieß mit dem Kopf an, schrie: „Au!“, lachte und fing dann an zu schluchzen.

      Cornelia war inzwischen ausgestiegen und drückte ihn an sich. „Na also! Na also! Wunderbar! Und nun heul mal tüchtig, damit du nachher wieder lachen kannst!“

      Sie machten dann doch noch einen Ritt, aber erst spät am Nachmittag. Einen kurzen. Heiner blieb daheim, er winkte ihnen nach, ohne Bedauern, Zessi am Halsband. Auch Dagmar verzichtete, damit Cornelia mitreiten konnte.

      Wenn Cornelia mitritt – sie hatten ihr Pußta gegeben –, konnte sie gut daheim bleiben. Sie wußte Cornelia paßte schon auf, eine so gute Reiterin, wie sie es war.

      „Komm rein, Heiner, du frierst“, sagte sie, „wir machen inzwischen ein schönes Abendbrot zurecht.“

      Heiner hatte daheim angerufen. Die Eltern hatten sehr freundlich reagiert. Vater sagte, alles andere wäre Nebensache, wenn er nur gesund wäre; Mutter weinte, was Heiner nicht ausstehen konnte, er hörte es durchs Telefon und zog eine Grimasse. Vater versprach, sofort zu kommen.

      Hier nun hatte sich Cornelia eingeschaltet. Sie hatte das Gespräch mitgehört und nahm Heiner den Hörer sanft aus der Hand.

      „Hier spricht Frau Dr. Nolde, Kinderärztin. Ja, ich habe die Geschichte so ziemlich miterlebt“, sagte sie. „Und Heiner hat sich ganz prima benommen, er gefällt mir sehr. Darf ich Sie um etwas bitten? Kommen Sie doch bitte erst heute abend. Ich würde gern noch ein wenig mit ihm Zusammensein.“ Heiners Eltern stimmten zu.

      Dann waren sie geritten, Petra, Anja und Cornelia. Dagmar und Heiner gingen in die Küche, Dagmar wollte etwas Gutes zum Abendbrot vorbereiten.

      „Und wenn Zessi eines Tages Junge bekommt, kriegst du eins davon“, versprach sie Heiner. „Das setze ich bei meinen Eltern durch. Wir lassen jede Hündin einmal Junge bekommen, denn es verlängert ihr Leben. Und die kleinen Zessis sind sicher süß, noch süßer als die von unserer Willia. Möchtest du?“

      „Oh, schrecklich gern. Glaubst du wirklich, deine Eltern haben nichts dagegen?“

      „Bestimmt nicht. Ich glaube, das kann ich dir fest versprechen. So, da bimmelt das Telefon schon wieder. Nicht einen Augenblick hat man Ruhe!“

      Sie lief hinüber, Heiner mit Zessi folgte. Er stand in der Tür, während Dagmar telefonierte. Sie lachte und antwortete, und dabei sah sie Heiner an, so strahlend froh, daß er ganz neugierig wurde. Was konnte das sein? Daß es ihn anging, merkte er deutlich.

      „Aber natürlich! Mit dem größten Vergnügen –“

      Endlich legte sie auf.

      „Heiner, Glückskind! Und du hast zu Cornelia gesagt, du hättest um diese Jahreszeit immer Pech! Weißt du, was ich eben angeboten bekam?“

      „Na?“ fragte er gespannt. Jetzt mußte ja etwas Gutes kommen, das sah er Dagmar deutlich an.

      „Es war Cornelias Bekannte, du weißt schon. Sie hat das Ehepaar, dem der Papagei entflogen ist, gefunden. Und die beiden alten Leutchen sagten – na, nun rate mal!“ Dagmars Augen kobolzten vor Vergnügen.

      „Was denn?“ fragte Heiner gespannt.

      „Sie sagten, sie gingen nächstens ins Altersheim, und da könnten sie die Lora leider nicht mitnehmen. Wenn sich also jemand fände, bei dem sie es gut hätte –“

      „Dann – dann?“

      „Ich sagte, dieser Jemand sei schon gefunden. Und dieser Jemand hieße Heiner.“

      „Ich darf Lora behalten?“ Heiners Stimme überschlug sich fast. „Das erlauben meine Eltern bestimmt, sie mögen doch Vögel so gern!“

      „Du darfst. Und das ist doch ein Trost, und was für ein schöner! Wir sollen den Käfig abholen, und dabei wollen sie dich kennenlernen, denn sie haben ihre Lora sehr lieb und wollen natürlich gern wissen, zu wem sie kommt. Wie gut, daß dich dein Vater erst abends holt! Da können wir noch mit Cornelia dorthin fahren. Sie fährt uns bestimmt, wenn wir sie bitten!“

      Gerade kamen die Reiter zurück. Man hörte ihre Stimmen, und Heiner rannte sofort in den Stall, Zessi neben sich. Dagmar folgte.

      „Natürlich kommt mein festliches Abendbrot wieder nicht zustande“, sagte Dagmar und tat, als ärgere sie sich. „Na, wenn schon. Da bekommt ihr eben trocknes Brot und damit basta.“

      „Das macht uns nicht soviel aus!“ juchzte Petra. „Hauptsache, Heiner kriegt den Papagei. Und später eine kleine Zessi. So eine möchte ich aber auch. Was kriegen wir denn, Anja und ich, bitte schön?“

      „Einen Patsch auf den Bauch“, sagte Dagmar, „ihr werdet jetzt erst einmal füttern!“

      „Sind schon dabei!“ keuchte Anja und kam mit zwei vollgestopften Heunetzen. „Denkst du, wir vergessen die Pferde? Das wäre ja noch schöner. Ich bestimmt nicht.“

      „Nein, Anja. Du vergißt die Pferde nicht, nie“, sagte Cornelia und sah sie zärtlich an, „aber für die anderen leg’ ich auch die Hände ins Feuer, daß sie die Pferde nie vergessen. Es gibt einen Spruch, den finde ich sehr schön. Er hängt in manchen Ställen, schön eingerahmt. Ich möchte ihn Dagmar für ihren Stall schenken, als Dank für den schönen Tag hier bei euch.“

      Sie sahen alle zu ihr hin. Cornelia sagte:

      „Das lachende Wissen

      daß Gott uns liebt,

      solang es auf Erden

      die Pferde gibt.“

Anja und der Reitverein

      Was man alles wissen muß

      „Los, Anja, los! Du bist dran!“ flüsterte Petra. Sie flüsterte es so laut, daß man es über mindestens drei Kilometer hätte hören können. Anja fuhr zusammen.

      Sie hatte gerade bewundernd auf Gero geschaut, der an der Rosina voltigierte. Rosina, sicherlich das dickste Pferd des Reitvereins, galoppierte im Kreis, von der Longe, einer langen Leine, geführt, die der Reitlehrer in der Hand hielt, mitten im Kreis stehend. Rosina galoppierte pomadig rundherum, gleichmäßig, ergeben – sie kannte es seit Jahren, daß kleine und größere Kinder an ihr hochhampelten, auf ihrem Rücken saßen, die Schere, Fahne oder Mühle machten, manchmal standen sie auch auf oder hingen im Kosakenhang seitlich an ihr. Ein Genuß ist das nicht für ein Pferd, aber man gewöhnt sich an


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