Die schönsten Pferdegeschichten. Lise Gast

Читать онлайн книгу.

Die schönsten Pferdegeschichten - Lise Gast


Скачать книгу
denn immerzu?“ wunderte sich Dagmar.

      „Ach was. Jetzt gehen wir. Wenn ihr mich schon aus der warmen Küche gezerrt habt, will ich jetzt auch rodeln. Her mit den Schlitten – einer steht ja noch draußen von vorhin, als Brumme ihn ziehen sollte. Den nehm’ ich. Dürfen die Hunde mit?“

      „Natürlich! Die freuen sich.“

      Es war wirklich einiges los am Haselberg. Kinder und Erwachsene tobten dort, zogen ihre Rodelschlitten bergauf, schrien: „Aus der Bahn!“, wenn sie hinabsausten, und lachten, wenn ein anderer kippte oder im Haselbach landete, der unterhalb des Hügels vorbeifloß. Er war nur an den Rändern zugefroren und in der Mitte noch offen, und es gab viel Geschrei und Gekreische, wenn jemand hineinfuhr.

      So vergingen die letzten Stunden des alten Jahres sehr schnell; einer nach dem anderen sah auf die Uhr, die sich im Halbdämmern schwer erkennen ließ, und wandte sich dem Dorf zu.

      „Wir müssen auch heim, es ist fast Mitternacht“, mahnte Dagmar, und befriedigt zogen sie ihre Schlitten heimwärts. „Brumme, Zessi, wo steckt ihr! Kommt, es gibt heute nacht noch was Gutes!“

      Hach, war es schön, wieder in die Wärme der Küche zurückzutauchen! Petra und Anja sahen einander an und lachten – sie hatten beide knallrote Gesichter und nasse Schöpfe, denn Mützen hatten sie nicht aufgehabt. Dagmar kam mit einem Frottiertuch und rubbelte sie trocken, und sie schrien ach und weh. Dann stellten sie das Radio ein und warteten, bis „Prost Neujahr!“ gesagt wurde. Lachend wünschten sie einander ein gutes neues Jahr, und schon schrillte das Telefon.

      „Richtig, wir hatten ja vergessen –“

      Beide Elternpaare riefen an, und gleich danach auch Dagmars Mutter. Sie wünschte ihnen allen dreien ein gesegnetes neues Jahr und berichtete glücklich, daß der Professor sich über die kleine Cosy im besten Sinne geäußert hätte. „Sie wird bestimmt ganz gesund, hat er gesagt“, erzählte sie, und man hörte ihrer Stimme ihre große Freude und Erleichterung an. Dagmar freute sich sehr.

      „Das ist die schönste Neujahrsbotschaft für uns alle“, sagte sie, „ich hatte nicht gewagt zu fragen. Wie wunderschön! Und jetzt wird Blei gegossen“, bestimmte sie, „das hätten wir beinahe vergessen.“ Sie holte eine Schüssel mit Wasser und alles andere, was noch dazugehörte: Blei und eine Kerze und einen Blechlöffel, und nun drängten sie sich um den Tisch, denn jede wollte anfangen.

      „Halt, halt, wir waren ja noch gar nicht bei den Pferden!“ erinnerte Petra. Ja, das ging vor. Sie eilten in den Stall und verteilten die Mohrrüben und wünschten allen Tieren einen guten Jahresanfang. Dann machten sie sich ans Bleigießen. Sie knobelten, wer anfangen dürfte, und es traf Petra. Sie goß ein Pferd, wie sie behauptete – der Klumpen Blei, den sie aus dem Wasser gefischt hatte, sah zwar überhaupt nicht danach aus, aber sie fand, es wäre eins. Anja, die nun drankam, konnte an ihrem Bleiklumpen keins entdekken, sosehr sie auch daran herumrätselte. Und bei Dagmar sah das blinkende Bleistückchen eher aus wie ein Papagei, so meinte sie, und Papageien liebte sie wirklich nicht, wie sie beschämt zugab.

      „Man kann nicht alles gleich gern haben, ich mag halt Pferde am allerliebsten und dann Hunde, aber Federvieh – ich weiß nicht … Aber jetzt ins Bett, Herrschaften! Füttern müssen wir morgen zur richtigen Zeit, da gibt’s kein Längerschlafen. Pferde haben ihr Recht. Wir können ja, wenn wir sehr müde sind, nachher wieder ins Bett kriechen.“

      „Du, Dagmar, könnten wir heute nacht nicht –“ Anja stockte und sah hilfeflehend zu Petra hinüber. Die verstand.

      „Anja meint, oben spukt es“, sagte sie lustig und so, als wäre es nur ein Spaß. „Der Müller geht ihr im Kopf herum, sie denkt, er ist uns nachgekommen und spukt oben. Deshalb –“

      „Aber ja, warum denn nicht?“ sagte Dagmar gutmütig und lachte auch. „Wir können noch ein bißchen Radio hören, ehe wir einschlafen. Heute ist allerlei Lustiges im Programm, paßt mal auf. Und zwei Couchen haben wir ja hier, eine schläft dann eben auf dem Fell.“ Sie zog von der einen Truhe ein dickes Schaffell herunter und breitete es auf dem Teppich aus. „Das machen wir manchmal, wenn viel Besuch kommt. Man schläft wundervoll darauf.“

      „O ja! Ich möchte auf das Fell!“

      „Nein, ich! Bitte, bitte ich!“

      Nun mußte geknobelt werden, und Petra gewann. Anja war so froh, daß sie nicht hinaufmußte, daß sie gern verzichtete.

      „Nur die Schlafanzüge müssen wir noch holen“, sagte Dagmar und gähnte. „Na, ich werde großmütig sein und eure mitbringen. Wenn das Gespenst kommt, schrei’ ich. Nehmt euch die Decken dort.“ Sie ging zur Treppe. Anja sah ihr angstvoll nach.

      „Wir müßten eigentlich mit – jedenfalls eine von uns“, flüsterte sie und rührte sich nicht.

      „Laß“, sagte Petra. „Wenn sie sich nicht fürchtet!“

      „Du meinst, dann tut ihr das Gespenst nichts?“

      Gottlob, da war Dagmar wieder. Sie warf jeder der beiden den Schlafanzug zu und rief dann nach Brumme.

      „Du legst dich unten an die Treppe. Ja, komm, du kriegst deine Decke dorthin. So, leg dich. Brav, meine Alte.“

      Zessi kam ungerufen und nahm neben Brumme Platz.

      „Also! Doppelt genäht hält besser. Jetzt kann kein Müller herunterkommen, ohne über die beiden zu stolpern“, sagte Dagmar zufrieden und rollte sich auf ihrer Couch zusammen. „Gemütlich haben wir’s, oder? Wer erzählt jetzt noch was?“

      „Du!“ riefen die beiden anderen wie aus einem Mund.

      „Auch das noch. Mit mir könnt ihr’s ja machen –“

      Dagmars Stimme verklang in Murmeln. Gleich darauf hörte man sie halblaut und melodisch schnarchen. Anja und Petra mußten lachen.

      Bei solch einem friedvollen Schnarchen kam bestimmt kein Spuk ins Zimmer. Überhaupt – Spuk …

      „Es gibt ja gar keinen“, sagte Anja noch, und Petra brummte zustimmend: „Hab’ ich ja immer gesagt. War meine Rede Tag und Nacht –“, und dann schliefen auch die beiden ein, von einer Sekunde zur anderen.

      Zwei neue Hausgenossen

      Sie hatten gefüttert, nachdem Dagmar die beiden Jüngeren mit großer Mühe wach gerüttelt hatte – nur eine alte Jakke überm Schlafanzug und die nackten Füße in Holzpantoffeln. „Wenn Mutter mich so sähe – dann gute Nacht!“ dachte Anja. Den Stall konnten sie auch später noch machen. Jetzt fanden sie sich erst einmal in der Küche ein, mit ganz kleinen Augen und gräßlich verschlafen. Dagmar hantierte am Herd, machte Milch heiß und fragte, ob sie einen Löffel Pulverkaffee hineinhaben oder gleich weiterschlafen wollten.

      „Mir bitte keinen, ich habe vor, bis morgen früh zu pennen“, stöhnte Petra. „Abends könnt ihr allein füttern, das werdet ihr wohl fertigbringen.“

      „So siehst du aus. Wir denken nicht dran“, sagte Dagmar und schob ihr den Milchbecher hin. „Komm, trink, ich hab’ Honig reingetan. Wie in der Mühle. Nun sagt bloß, was mit euch gestern abend los war. Habt ihr wirklich gedacht, der Müller geht oben um? Oder wart ihr nur zu faul, die Treppe hinaufzuklettern?“

      „Ach – es hat oben mal gepoltert, als keiner von uns dort war, auch die Hunde nicht“, sagte Anja verlegen, „und da –“

      „Jetzt sind die Rauhnächte, die zwölf heiligen Nächte, da geht so manches um“, sagte Dagmar – sie sagte es so ruhig und sachlich wie vorhin etwa: Möchtet ihr Pulverkaffee? – und schob auch Anja einen Becher zu. „Da darf man zum Beispiel keine Bettwäsche aufhängen und –“

      „Warum denn nicht?“ fragte Petra erstaunt dazwischen.

      „Weil das Unglück bringt. Es ist ein Aberglaube“, erklärte Dagmar und lachte. „Bleigießen und daraus die Zukunft sehen ist auch einer. Oder an Holz klopfen und toi, toi, toi sagen. Oder –“

      „Du


Скачать книгу