Die schönsten Pferdegeschichten. Lise Gast

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Die schönsten Pferdegeschichten - Lise Gast


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kann.“

      „Heute ist Silvester“, sagte Dagmar und schob ihr die Marmelade hin, „da bleiben wir wach und feiern. Was wollen wir trinken?“

      „Jedenfalls lieber keinen Punsch, wie ihn die Erwachsenen gut finden. Die haben einen Geschmack –“ Anja schüttelte den Kopf. „Jedenfalls meine Eltern. Sogar in den Obstsalat tun sie was, was bitter schmeckt. Danke, ohne mich. Apfelsinensaft oder so was schmeckt viel besser, auch heiß, aber nicht mit so was verdorben, bei dem die Großen die Augen verdrehen.“

      „Schön, keinen Punsch. Wie wär’ es mit Eis?“ fragte Petra mit glitzernden Augen. „Eis zum Sattessen, das kriegt man sonst nie.“

      „Eis zu Silvester? Etwas kalt für die Jahreszeit“, sagte Dagmar nachdenklich, „aber warum nicht. Ich könnte auch einen Apfelstrudel backen.“

      „Apfelstrudel ist immer gut, heiß mit kalter Schlagsahne! Hmm! Vielleicht aber hinterher doch noch Eis?“

      Sie einigten sich auf diese Speisefolge, und Dagmar begann, auf einem Zettel zu notieren, was sie alles kaufen mußten. Es wurde eine lange Liste. „Morgen ist schließlich Feiertag, und da sind die Läden zu, das müssen wir einkalkulieren.“

      „Die Läden! Es gibt ja nur einen einzigen in eurer Metropole“, sagte Petra, „das ist ja das praktische. Dort kriegt man alles. – Und das willst du alles schleppen?“ fragte sie bedenklich, als Dagmar noch immer notierte.

      „Ich denke ja nicht dran. Wißt ihr, was wir machen? Wir spannen Brumme vor den Rodelschlitten, und auf den Schlitten stellen wir den Wäschekorb. Da kommen die Einkäufe hinein. Wollen wir? Das mach’ ich immer so, wenn Schnee ist und Mutter mich einkaufen schickt.“

      „Richtig, Schnee! Ist noch welcher dazugekommen?“ Petra war schon am Fenster. „Und wieviel! Herrlich! Aber Brumme ist schon eine alte Dame …“

      „Einen Schlitten mit Einkäufen kann sie immer noch ziehen, das wirst du erleben“, sagte Dagmar. „Sie sieht halt nur ein bißchen schlecht. Wir führen sie. Sie ist immer sehr begeistert, wenn sie mitdarf.“

      Nun war es vorbei mit dem Frühstückshunger. Petra rannte, um den Schlitten zu holen, und Dagmar ging in die Sattelkammer und suchte nach dem Hundegeschirr. Schließlich fand sie es. Es war ein selbstgebasteltes Brustblatt mit kleinem Kammdeckel und dazugehörigem Bauchgurt, daran lederne Zugstränge. Sehr einfach, aber ausreichend.

      „Früher hat Brumme uns gezogen, aber wie! Wie eine Wilde! Man kann einem Hund ja keinen Zügel anlegen, sondern muß ihn mit der Gerte lenken, wenn man selbst fährt. Das haben wir im Fernsehen bei Eskimos gesehen, nur daß es da nicht ein Hund ist, sondern viele. Brumme ging immer los wie das Donnerwetter, und weil der Schlitten keine Deichseln hat, muß man aufpassen, daß es glatt ist oder bergab geht. Aber jetzt, wenn wir sie führen, kann nichts passieren. Komm, hier, trag das.“ Sie legte Anja das ganze Lederzeug in den Arm. „Ich hol’ inzwischen den Korb.“

      Das ganze Dorf war verändert. Dikke Schneelasten auf Dächern und Zäunen, überall schippten die Leute die Gehsteige frei.

      „Das müssen wir auch noch tun“, sagte Dagmar, „wir sind ja jetzt Hausherren und verantwortlich“, und sie versuchte, ein würdiges Gesicht zu machen.

      Wenige Autos waren unterwegs; sie hatten rüttelnde Schneeketten angelegt. „Vielleicht können wir welche mit den Pferden aus dem Schnee ziehen, das hab’ ich schon gemacht“, erzählte Dagmar. „Da kriegt man Trinkgeld. Hoffen wir das Beste.“

      Vor dem Geschäft, in dem Anja gestern ihr Tagebuch gekauft hatte, befahl Dagmar: „Sitz!“, und Brumme ließ sich gehorsam nieder. Sie nahmen den Korb und gingen in den Laden. Und nun wurde eingekauft, daß es eine Freude war.

      „Ja, Schlagsahne, das haben wir doch ausgemacht, die brauchen wir zum Apfelstrudel und zum Eis. Mutter sagt, Schlagsahne muß man über die Feiertage immer auf Vorrat haben, es kann ja Besuch kommen.“

      „Na, hoffentlich nicht“, sagte Petra menschenfreundlich und verstaute ein paar Büchsen Hundefutter zwischen den Apfelsinen, „lieber mehr für die Tiere als für Besuch. So, reicht das bis nächstes Jahr? Oder wollen wir noch mehr nehmen?“

      „Ich glaube schon, daß es reicht. Ja, ein Bündel Mohrrüben kannst du noch dazutun, Anja, heute nacht bekommen die Pferde welche, wir gehen doch zu ihnen, wenn es zwölf ist. Auch noch Äpfel, ja, dort die dicken roten. Und –“

      Als sie aus dem Laden kamen, den vollen Korb zwischen sich, war Brumme samt Schlitten verschwunden. Sie guckten alle auf die Stelle hin, auf der sie gelegen hatte, und dann einander an.

      „Na so was! Nun aber los, Herrschaften! Hinterher!“

      Petra war schon mit ihrem bekannten Blitzstart losgefegt, Dagmar und Anja folgten langsamer, weil sie den Korb zwischen sich trugen. Trotzdem beeilten sie sich, so sehr sie konnten. Anja rutschte einmal aus und setzte sich auf den Hosenboden, und Äpfel und Apfelsinen kullerten durch den Schnee. Sie sammelten in Eile alles auf und gingen nun vorsichtiger.

      „Es hat keinen Zweck zu rennen, wir holen sie sowieso nicht ein, und wohin soll sie denn gelaufen sein, wenn nicht nach Hause“, sagte Dagmar atemlos.

      So war es auch. Zu Hause vor der Tür hockte Brumme. Sie war ganz verwickelt in die Zugstränge, und Petra kniete neben ihr und versuchte sie zu befreien. Dagmar und Anja setzten aufatmend den Korb ab.

      „So. Das war eine schöne Kraftersparnis“, seufzte Dagmar, „ein kleiner Silvesterscherz von Brumme. Eigentlich hätte ich ja mehr Einsicht von dir erwartet, Alte, du siehst doch, daß wir uns halb tot geschleppt haben.“

      Brumme, jetzt vom Geschirr befreit, wedelte heftig und raste dann laut bellend ins Haus, als Dagmar die Tür aufgemacht hatte. Sie sprang die Treppe hinauf und bellte oben, dann kam sie wieder heruntergerast, wobei sie Anja, die gerade hinaufwollte, beinahe mitnahm. Anja konnte sich noch nach der Seite biegen und am Strick festklammern. Eine Dogge, die auf einen springt, hat eine ganz schöne Wucht.

      „Was ist nur in sie gefahren, sie wird ja geradezu wieder jung“, sagte Dagmar kopfschüttelnd und zerrte den Korb in die Küche. „Wir müssen alles einräumen, vor allem das, was in den Kühlschrank gehört. Wenn man Hunde hat, darf nichts herumstehen. Zessi ist auch noch jung und sehr vernascht, sie macht alle Pakete auf, die herumliegen. Und dann gehen wir Straßenfegen. Oder fangt ihr schon an?“

      Der Vormittag war schon weit fortgeschritten, und sie beschlossen, nachher gleich zu reiten.

      „Mittagessen kann man das ganze Jahr über“, sagte Dagmar, „aber jetzt, wo die Tage so kurz sind, muß man die Zeit zusammennehmen. Willst du wieder Lotte, oder versuchst du mal Ströppchen, Anja?“

      „Lotte“, schrie Anja, „und den Westernsattel –“ Sie war schon vorangelaufen, den Besen in der Hand. Petra folgte mit dem anderen. Draußen hatte es wieder angefangen zu schneien.

      Dagmar beeilte sich in der Küche und kam Anja und Petra nach.

      „Es reicht, morgen fegen wir wieder“, sagte sie, „wir wollen lieber satteln. Das alte Jahr trabt uns sonst davon.“

      Heute hatten sie kein direktes Ziel, und so lenkte Dagmar zum Wald hinüber. Dort zu reiten war bei solchem Wetter ein besonderes Ereignis. Noch keine Spur war zu sehen, weder von einem Menschen noch von einem Fahrzeug, nicht mal von einem Tier, denn alles schneite ja sofort wieder zu. Ganz, ganz weiß und unberührt waren die Wege, und weil nicht der geringste Wind ging, lag der Schnee auf Ästen und Ästchen, ja sogar auf den Dolden der Schafgarben und auf Schlehen- und Hagebuttengesträuch. Der Waldrand sah geradezu zauberhaft aus.

      „Das ist etwas sehr Seltenes“, sagte Dagmar. „Wir hatten in den letzten Wintern fast gar keinen Schnee. Am Heiligen Abend war dies Jahr etwas gefallen, immer wünscht man sich da ja welchen, und diesmal gab sich der Petrus Mühe. Es war nicht viel, aber es sah doch weihnachtlich aus, und dann kommt man in die richtige Weihnachtsstimmung. Zu Silvester gehört eigentlich auch Schnee, finde ich. Wir gehen heute in die Kirche, um fünf, wollen wir? Unser Pfarrer ist jung und denkt sich immer


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