Seewölfe Paket 34. Fred McMason
Читать онлайн книгу.einer der beiden bewegte, „sonst beiße ich euch die Ohren ab!“
Die Angst vor den beiden Arwenacks ließen Jonny und Stan erstarren. Steif und hölzern hockten sie auf der Ducht und bewegten sich nicht. Sie wollten sich nicht den Zorn des Narbenmannes zuziehen.
Die Jolle wurde von den Mangroven gebremst und rutschte über morastigen Schlick. Die Luft war unheimlich warm und schwül.
„Ihr seid da“, sagte Jan Ranse.
Die beiden sahen sich unbehaglich an.
„Was sollen wir hier? Was geschieht hier?“ fragte Stan.
„Hier passiert gar nichts“, erwiderte Carberry. „Ihr sollt euch nur die Beine vertreten und euch an der Landschaft erfreuen. Ihr könnt hier so lange bleiben, wie ihr wollt, sogar bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag.“
Der Bärtige kletterte umständlich aus der Jolle und hielt sich krampfhaft an den hohen Stelzwurzeln fest. Unter ihm schmatzte hörbar der Mangrovensumpf, aus dem Blasen stiegen.
Der andere folgte unsicher und schwankend.
„Noch etwas, ihr Helden: Seid vorsichtig und latscht den Krokodilen nicht auf die Köpfe. Die haben das nicht so gern“, sagte der Profos. „Es gibt zwar nur vier- oder fünfhundert hier, aber man muß schon aufpassen, wohin man tritt.“
Stan und Jonny blieben stocksteif stehen.
„Was ist mit unserer Jolle?“ fragte Stan kleinlaut.
Carberry sah die beiden Kerle von Nebel umwabert wie Holzfiguren dastehen.
„Die behalten wir vorläufig als Andenken an zwei Rübenschweine, die kläglich gescheitert sind. Außerdem brauchen wir sie, um zurückzupullen. Oder sollen wir etwa schwimmen?“
Eine große Blase zerplatzte mit einem blubbernden Geräusch.
„Ein Krokodil!“ schrie Jonny entsetzt. „Schnell weg hier!“
Stan durchbrach die Mangroven wie ein Wasserbüffel. Er schnaufte entsetzlich, stieß einen Schrei aus und rannte in den Verhau, bis er keuchend irgendwo hängenblieb.
Da sah sich auch der andere von Krokodilen umringt und stürzte blindlings in Nebel, Finsternis und Mangroven hinein.
Jan Ranse und Carberry hörten es nur noch krachen und bersten, dann herrschte nach einer Weile Stille.
„Das sind vielleicht zwei Würstchen“, meinte der Profos abfällig. „So was schickt man doch nicht als Späher aus! Da lachen ja die Hühner.“
Als sie ein Stückchen weitergepullt waren, klangen Flüche aus dem Dschungel. Die beiden Kerle wurden wieder großmäulig – in der Annahme, jetzt könne ihnen keiner mehr was tun. Sie beschimpften die Arwenacks und fluchten dabei lautstark.
Der Profos lauschte andächtig den Beschimpfungen. Es waren recht üble Bezeichnungen darunter, aber zum Lernen reichte es nicht, denn sein eigenes Repertoire an Flüchen war weitaus größer und wortreicher.
Nach ein paar Minuten verklang auch die Flucherei, und im Dschungel der Bucht kehrte Ruhe ein.
Sie erreichten die Schebecke und legten wieder an.
„Kerle abgesetzt“, meldete der Profos. „Sollen wir uns noch mal um die Passage kümmern, Sir? Wenn wir dort mit der Schebecke hindurch könnten, wären wir in Sicherheit und könnten in aller Ruhe unser Schiff reparieren. Das wäre ein enormer Vorteil für uns.“
„Ja, ich weiß“, erwiderte Hasard. „Wir brauchen noch ein paar Stunden für das Ruder. Es geht nicht so einfach. Also gut, kümmert euch noch darum. Sieht so aus, als sei der Teil der Passage fast gänzlich zugewuchert. Ich gebe euch ein paar Schiffshauer hinüber.“
Batuti brachte drei Schiffshauer und stieg ebenfalls in die Jolle.
Die Sicht war merklich besser geworden. Man konnte jetzt von der Bucht aus zum Tapti blicken. Die Oberfläche des Flusses kräuselte sich unter leichtem Wind.
„Wird verdammt Zeit“, sagte der Profos besorgt. „Wir haben den mehr als dreißig Kanonen im Augenblick nicht viel entgegenzusetzen. Die ballern uns in Grund und Boden, und wir können uns nicht richtig zur Wehr setzen.“
„Aber dort drüben wären wir sicher“, sagte Batuti. „Vorausgesetzt, die andere Bucht ist so tief, daß wir nicht über Grund schrammen. Möglicherweise gelingt uns der Durchbruch.“
Carberry grinste hart. Er stellte sich die Gesichter von Garcia und Ruthland vor, wenn sie in der Bucht lagen und nichts ausrichten konnten. Die Vorstellung erheiterte ihn geradezu, doch er wußte auch, daß es bloßes Wunschdenken war. Sie würden es wahrscheinlich nicht mehr schaffen.
„Wenn das wider Erwarten klappt“, sagte er bedächtig, „dann spannen wir die beiden Jollen vor und pullen in die andere Bucht. Wind zum Segeln haben wir in dieser Ecke kaum. Was haltet ihr davon?“
„Die Idee ist gut“, sagte Jan. „Also beeilen wir uns, damit wir einen Durchschlupf finden.“
Sie pullten auf das Mangrovendickicht zu und besahen sich die Lücke, die jetzt deutlicher zu erkennen war.
„Die Schebecke würde gerade durchgehen“, sagte Jan, „aber vorher müssen wir den Verhau beseitigen, sonst schaffen wir es nicht. Und der sieht schlimmer als der eigentliche Dschungel aus.“
Die Lücke zur anderen Bucht war eng und so niedrig, daß gerade die Jolle durchkam. Ein Schiff mit Masten hätte es nie geschafft.
Sie mußten selbst die Köpfe einziehen, um nicht an hohe Luft- und Stelzwurzeln zu stoßen, die an allen Seiten im Wasser standen.
Es sah nach einer stundenlangen und mühsamen Plackerei aus, die Durchfahrt zu roden.
Nach ein paar Schlägen waren sie auf der anderen Seite, wo Carberry unwillkürlich einen Pfiff ausstieß.
„Donnerwetter, das ist das ideale Plätzchen“, sagte er anerkennend.
Die Bucht war größer als die andere und tiefer eingeschnitten. Sie hatte sogar eine Art Landzunge aufzuweisen, hinter der sich ein besonders hervorragendes Versteck anbot. In der Nähe der Landzunge fiel das Ufer flach ab, das an jener Stelle erst unmerklich in den Urwald überging. Linkerhand befand sich ein einziger Mangrovenwald, durch den niemand hindurchgelangte. Diese Seite war also hervorragend gegen Angriffe geschützt.
Am Ende der Bucht sah es ähnlich aus: Mangroven und dahinter eine sanft ansteigende Hügellandschaft mit wildem Bewuchs.
Die rechte Seite mit der Landzunge bedeutete schlechthin das Paradies. Diese Bucht war – außer durch die Passage – von keiner Seite zugänglich, nicht mal für bewaffnete Seesoldaten, die hoffnungslos im Sumpf steckenbleiben würden.
Der Profos maß die Wassertiefe und fand keinen Grund. Erst zum Land hin wurde es unmerklich flacher. Dort an der Landzunge konnten sie die Schebecke in aller Ruhe aufslippen.
Die Exkursion durch die Bucht dauerte nicht lange. Carberry drängte auf schnelle Rückkehr, um mit dem Abholzen der Durchfahrt beginnen zu können. Dabei maßen sie auch noch einmal die Wassertiefe in der Passage, die sich wie ein Dach über ihren Köpfen wölbte.
Auch hier war das Wasser tief genug, um die Schebecke passieren zu lassen. Der Haken war nur das aus Wurzeln und Ästen bestehende Dach.
Carberry sprang wortlos aus der Jolle, schnappte sich einen Schiffshauer und schlug wie ein Wilder auf die Stelzwurzeln ein.
Das Holz war hart, und es gab bei jedem Schlag mit einem Federn nach, was ihn schier zur Verzweiflung trieb.
Sie drückten die Jolle zwischen die anderen Wurzeln und gingen jetzt systematischer vor. Aber ihre Bemühungen wurden nur von schwachem Erfolg gekrönt.
Der Profos ließ den Schiffshauer sinken und wischte sich den Schweiß vom Gesicht.
„So geht das nicht“, sagte er. „Bis wir eine Lücke geholzt haben, vergeht ein halber Tag. Macht trotzdem weiter,