Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola

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Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola


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aber erst das Anfangsstadium der Kunst; so lange er die Miethskontrakte ausgenützt, mit den Inwohnern paktirt und Staat und Privatleute ausgebeutet, hatte es keiner besonderen Schlauheit bedurft und er war der Ansicht, daß es sich so gar nicht lohne. Und es währte nicht lange, so erprobte er sein Genie an schwierigeren Aufgaben.

      Vorerst erfand Saccard die Spiegelfechterei des Ankaufs von Immobilien unter dem Vorwande, daß dies für Rechnung der Stadt geschehe. Eine Entschließung des Staatsrathes hatte die letztere in eine schwierige Situation gebracht. Auf dem Wege gütlicher Uebereinkunft hatte die Stadt eine große Anzahl von Häusern in der Hoffnung angekauft, sie werde die Miethskontrakte ausnützen, den Miethern ohne Entschädigung aufkündigen können. Doch wurden diese Käufe für thatsächliche Expropriationen angesehen und sie mußte zahlen. Zu dieser Zeit machte sich Saccard anheischig, als Strohmann für die Stadt zu operiren; er kaufte, nützte die Kontrakte aus und lieferte das betreffende Haus gegen eine kleine Abfertigung zum festgesetzten Termin ab. Schließlich spielte er sogar ein doppeltes Spiel: er kaufte für die Stadt und den Präfekten zu gleicher Zeit. War ein Kauf gar zu verführerisch, so behielt er das Haus für sich und der Staat bezahlte. Man belohnte seine Dienstwilligkeit, indem man ihm einzelne Straßenabschnitte, projektirte Straßen-Kreuzungen überließ, welche er wieder verkaufte, noch bevor der Bau der neuen Straße gar in Angriff genommen worden. Es war ein wildes Spielen; man spielte auf die zu erbauenden Stadtviertel, wie man auf Rentenpapiere spielt. Gewisse Damen, schöne Mädchen, vertraute Freundinen hoher Funktionäre, waren mit von der Partie; eine derselben, die von ihren herrlichen Zähnen her berühmt ist, hat zu wiederholten Malen ganze Straßen aufgeknabbert. Saccard fühlte sein Verlangen, seinen Durst nach Reichthum immer höher steigen, als er sah, wie das Gold durch seine Hände strömte. Es schien ihm, als breitete sich rings um ihn ein Meer von Zwanzigfrancsstücken aus; die Fluth wurde zum Ozean und erfüllte den unabsehbaren Horizont mit einem unbestimmten Wogen und Rauschen, einer metallischen Melodie, die sein Herz umschmeichelte und immer weiter wagte er sich als kühner Schwimmer, der seine Unerschrockenheit mit jedem Tage zunehmen fühlte, in die Fluth hinaus, untertauchend, dann wieder zum Vorschein kommend und bald auf dem Rücken, bald auf dem Bauche liegend, durchschnitt er die unabsehbare Wasserfläche bei heiterem und bei stürmischem Wetter, voll Vertrauen zu seiner Kraft und seiner Geschicklichkeit, die ihn nicht untergehen lassen würde.

      Zu jener Zeit war Paris in eine Wolke von Gipsstaub gehüllt. Die Epoche, welche Saccard in dem Restaurant auf dem Montmartre vorausgesagt, war gekommen. Die Stadt wurde unerbittlich zerstückelt und Aristide war bei jedem Einschnitt dabei. An allen vier Enden der Stadt besaß er Trümmerhaufen. Selbstverständlich war er in der Rue de Rome auch in die erstaunliche Geschichte jenes Loches verwickelt, welches eine Gesellschaft ausheben ließ, um fünf- oder sechstausend Kubikmeter Erde fortführen zu lassen und den Glauben an gigantische Arbeiten zu erwecken und welches wieder verschüttet werden mußte, wozu die erforderliche Erdmenge aus Saint-Ouen herbeigeschafft wurde, als die Gesellschaft fallit wurde. Aristide zog sich mit reinem Gewissen und vollen Taschen aus der Geschichte, dank seinem Bruder Eugen, der Vermittelnd eingriff. In Chaillot war er bei der Abtragung des Hügels behilflich, der in eine Niederung geschafft wurde, um für den Boulevard Raum zu gewinnen, der sich vom Arc-de-Triomphe bis zur Alma-Brücke erstreckt. In der Nähe von Passy regte er den Gedanken an, die Trümmer des Trokadero auf das Plateau schaffen zu lassen, so daß sich die fruchtbare Erde heute zwei Meter tief befindet und nicht einmal das Gras auf diesem Schutt gedeihen will. Man konnte ihn an zwanzig Punkten zu gleicher Zeit antreffen, an allen Orten, wo es irgend ein unüberwindliches Hinderniß gab: Trümmer, mit denen man nichts anzufangen wußte, Aufschüttungen, die man nicht auszuführen vermochte, ein Haufen Erde und Gips, der der fieberhaften Eile der Ingenieure im Wege war, den er mit seinen Fingern durchwühlte und welchen er dann stets auf irgend eine Weise zu verwerthen verstand. An einem und demselben Tage besichtigte er die Arbeiten am Arc-de-Triomphe und auf dem Boulevard Saint-Michel, die Demolirungen am Boulevard Malesherbes, sowie die Erdarbeiten zu Chaillot, stets gefolgt von einer Armee von Arbeitern, Gerichtsvollziehern, Aktionären, Bethörten und Gaunern.

      Seinen größten Triumph feierte er aber mit dem Crédit Viticole, den er mit Toutin-Laroche gründete. Dieser war der offizielle Direktor der Gesellschaft, während er selbst nur als Mitglied des Aufsichtsrathes figurirte. Auch bei dieser Gelegenheit hatte Eugen seinen Bruder nach Thunlichkeit unterstützt. Dank seiner Vermittlung begünstigte die Regierung die Gesellschaft und behandelte dieselbe mit großem Wohlwollen. Als anläßlich einer kitzlichen Unternehmung dieser Gesellschaft ein übelwollendes Blatt sich herausnahm, an dieser Operation Kritik zu üben, ging der amtliche »Moniteur« so weit, eine Note zu veröffentlichen, in welcher jede Diskussion über ein solch' ehrenwerthes Unternehmen, welches der Staat selbst seiner Gunst würdigte, untersagt wurde. Der Crédit Viticole beruhte auf einem vorzüglichen Finanzsystem: er streckte den Weingartenbesitzern die Hälfte des Betrages vor, auf welchen deren Eigenthum geschätzt wurde, sicherte das Darlehen durch eine Hypothek und behob von den Parteien die Zinsen des Kapitals, sowie eine Anzahlung auf die Tilgung der Schuld. Noch nie hatte es einen besseren, weiseren Mechanismus gegeben. Mit einem feinen Lächeln hatte Eugen seinem Bruder erklärt, daß man in den Tuilerien den Wunsch habe, es möge Alles ehrbar zugehen. Herr Toutin-Laroche deutete diesen Wunsch in der Weise, daß er die Darlehen an die Weingartenbesitzer nach wie vor bewilligte und nebstbei ein Bankhaus errichtete, welches die großen Kapitalien an sich zog und sich mit fieberhafter Spielwuth in allerlei Abenteuer stürzte. Dank dem vom Direktor ausgehenden kräftigen Antrieb hatte sich der Crédit Viticole in kurzer Zeit den Ruf einer blühenden und über jeden Zweifel erhabenen Institution erworben. Um an der Börse zu Beginn der Operationen mit einem Schlage eine ganze Masse neuer Aktien, die eben erst die Presse verlassen hatten, auf den Markt zu werfen und den Papieren ein Aussehen zu geben, als befänden sie sich schon seit Langem im Umlauf, verfiel Saccard auf den ingeniösen Gedanken, sie während einer ganzen Nacht von den Dienern mit Birkenbesen bearbeiten zu lassen. Man hätte die Anstalt für eine Filiale der Bank von Frankreich ansehen können. Das Haus, in welchem sich die Bureaux befanden, schien mit seinem von Equipagen wimmelnden Hofe, seinem massiven Eisengitter, dem breiten Perron und der monumentalen Treppe, mit seiner Flucht glänzend eingerichteter Kabinete, seinen zahllosen Beamten und livrirten Dienern ein ernster, würdevoller Tempel des Geldes zu sein und die Leute, die mit ihren Angelegenheiten hierher kamen, wurden von einem andächtigen Schauer erfaßt, wenn sie das Heiligthum, die Kasse erblickten, zu welchem ein vollkommen kahler Korridor führte und in welchem man die eiserne Kasse sehen konnte, die an die Wand geschmiedet, mit ihren drei Schlössern und mächtigen Seitentheilen das Aussehen einer grimmigen Gottheit hatte.

      Saccard vermittelte damals ein bedeutendes Geschäft für die Stadt. Nachdem die Stadt durch den Wirbeltanz der Millionen, welchen sie selbst entfesselt hatte, um dem Kaiser gefällig zu sein und gewisser Leute Taschen zu füllen, fortgerissen und in Schulden gestürzt worden, war sie genöthigt, ihre Zuflucht zu versteckten Anlehen zu nehmen, um nicht zu verrathen, daß auch sie von der Spekulationswuth angesteckt worden. Sie hatte gerade ihre sogenannten Delegationsbons, welche eigentlich unverfälschte Wechsel auf lange Zeit waren, in's Leben gerufen, um die Unternehmer sofort am Tage des Kontraktabschlusses zu bezahlen und diesen durch Veräußerung dieser Bons die Möglichkeit zur Beschaffung neuer Mittel zu bieten. Der Crèdit Viticole hatte dieses Papier entgegenkommend von seinen Klienten angenommen und an dem Tage, da es der Stadt an Geld mangelte, trat Saccard an sie heran. Sie erhielt eine bedeutende Summe ausbezahlt, auch eine neue Emission von Delegationsbons, welche Herr Toutin-Laroche von Konzessionen besitzenden Gesellschaften bekommen zu haben vorgab und welche er durch alle Pfützen der Spekulation zog. Fortan war der Crèdit Viticole unantastbar; er hielt ja Paris an der Kehle gefaßt. Der Director sprach nur mehr mit einem Lächeln von der famosen Marokkaner Hafengesellschaft; indeß lebte diese noch immer und die Zeitungen fuhren fort, die großen Handelsstationen zu preisen. Eines Tages redete Herr Toutin-Laroche Saccard zu, er möge Aktien dieser Gesellschaft kaufen; Jener lachte ihm aber in's Gesicht und fragte ihn, ob er ihn denn wirklich für so dumm ansehe, daß er sein Geld in Papieren der »Gesellschaft von Tausendundeiner Nacht« anlegen werde.

      Bislang hatte Saccard mit Glück gespielt, hatte betrogen, sich selbst verkauft und aus jeder Operation Nutzen gezogen. Doch bald genügte ihm diese Thätigkeit nicht mehr; es widerstrebte ihm, sozusagen die Nachlese zu halten und das Gold zusammenzuraffen, welches Toutin-Laroche, Baron Gouraud und ihresgleichen


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