Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays. Rudolf Stratz

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays - Rudolf Stratz


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hellerleuchtetes Zimmer – ein Tisch mit köstlichen Speisen und funkelndem Wein – und an dem Tische ein wunderschönes Weib. »Jetzt gilt's!« dachte der von Habstein noch einmal in grimmem Mut, ging raschen Schrittes den Söller entlang und trat ins Zimmer.

      Vier kahle Wände umgaben Herrn Albin. In den Ecken da und dort etwas Gerümpel. Durch die klapperigen Holzläden der Fenster pfiff der kühle Abendwind und ließ beinahe das Talglicht erlöschen, das mühsam flackernd auf dem Boden stand. Kein Mensch war zu erblicken.

      In die Ecke des Gemachs war ein Bett geschoben. Ein tiefes Stöhnen drang plötzlich von dort zu dem Obristen, und ein paar geisterhafte Augen richteten sich auf ihn. Rasch trat er hinzu.

      In dem Bette lag ein Sterbender.

      Da war kein Zweifel. Der Obrist kannte den Tod. Dem hageren Manne, der da vor ihm lag, das leidende, abgemagerte Gesicht von grauem Barte umrahmt, dem waren nur noch wenige Stunden vergönnt.

      Der Kranke richtete sich mühsam auf. »Ich danke dem Herrn, daß er den Weg, zu mir gefunden hat,« sprach er schweratmend. »Ich bin Melchior von Ampringen – der Herr der Burg, oder was von der Burg noch steht, seit sie die Schweden zweimal eingeäschert – und Ihr?«

      »Albinus Reichsfreiherr von Habstein, Feldobrist in der Kaiserlichen Armada. Volk und Rosse gingen mir heute bei einem Ueberfall der Freibeuter zu schanden. So muß ich zu Fuß wie ein Landstörzer gen Augsburg zu meinem Regimente wandern.«

      »Bleibe der Herr die Nacht hier,« murmelte der Kranke, »so seid Ihr in Sicherheit vor Mensch und Tier und handelt einem Sterbenden zu Dank.«

      »Was will ich!« erwiderte Herr Albin, zog aber den Degen an sich und spähte mißtrauisch im Zimmer umher.

      Melchior Ampringen schüttelte das Haupt. »Sei der Herr unbesorgt! Kein Mensch lebt in diesen Trümmern hier außer mir und Ruth, meiner Nichte. Mir aber möge der Herr vertrauen. Auch ich stand einst im Dienst des Kaisers – und war mehr als Ihr – war zu Wien schon, kaiserlicher Rat, als Ihr wohl noch in der Wiege lagt.«

      Albinus Habstein überlegte. »Ich hörte von Euch,« sprach er. »Ein Ampringen war, wenn mir recht ist, am eifrigsten unter denen, die vor dreißig Jahren auf Seine selige Majestät einsprachen, endlich der Ketzerei in Böhmen ein Ziel zu setzen.«

      Der Sterbende sah ihn an, mit einem langen, unergründlichen Blick. »Der Ampringen war ich!« sprach er. »Aber ich bin es schon lange nicht mehr. Ich ward des Krieges und Blutes müde. Ich habe mich hierher in die Stille getan, um es nicht mehr zu schauen! Man sagt mir, man könne das Hessenland tagelang aufwärts reiten, ohne ein menschliches Angesicht zu sehen. Wo in der Kurpfalz sonst fünfzig Christen waren, da ist jetzt kaum mehr einer übrig. Zerbrochen liegen die Burgen, verwüstet Dörfer und Städte. Wo vor dem Kriege aus beiden Kirchen das Gebet zu Gott hinaufging, da stehen jetzt noch die kahlen Mauern, und statt der Glocken läutet das Wolfsgeheul den Sonntag ein.«

      »Dem ist so,« erwiderte der von Habstein finster, »eine Prüfung, die Gott uns sendet, um die Gerechten von den Angerechten zu scheiden. Die Krankheit hat Euch zugesetzt, daß Ihr das nicht erkennt.«

      »Die Krankheit hat mir zugesetzt, daß ich verbleichen muß,« murmelte der Kranke, »aber ich will in Frieden mit Gott von hinnen fahren. Nicht im Krieg der Menschen. Mein bußfertiger Geist sucht die heilige Taube. Ihr Kriegsleute aber solltet den Geier über Euch sehen. Gott ist die Liebe! Ihr seid der Haß!«

      Der Feldobrist entzog sich ihm mit einem ungeduldigen Ruck. »Wisset!« sagte er ärgerlich, »ich komme wieder, wenn Ihr nicht mehr närrisch seid! Vielleicht, daß Ihr mir dann verratet, wie ich Euch als ein Edelmann dem anderen zu Diensten sein kann –«

      Der andere seufzte auf. »Ich werd's Euch sagen – bald – wann meine letzte Stunde schlägt. Lebt wohl indes.«

      Er deutete matt auf eine Tür, die zu einem Nebenraum führte.

      Herr Albin öffnete die Tür. Er atmete schwer. Der Kampf mit dem Teufel regte ihn auf. »Aber er soll mir nicht beikommen,« murmelte er kampfesfroh, »ob er mir nun in der Hülle eines Sterbenden meinen Glauben und mein Heil nehmen will, oder als ein schönes Weib–«

      Er verstummte und blieb erstaunt stehen. Nun ging's wahrhaftig um Kopf und Kragen! Der wohnlich, beinahe behaglich eingerichtete Raum, in den er trat, war hell beleuchtet. Ein weißgedeckter Tisch stand in der Mitte, darauf ein paar geheimnisvoll dampfende Schüsseln und eine Karaffe mit blutrot funkelndem Wein. Zwei Stühle waren an dem Tische traulich aneinander gerückt. Der eine war leer. Auf dem anderen saß seine schöne Führerin, den Kopf auf die Hand gestützt, und sah ihn schwermütig an.

      »Ich hab' indessen für den Herrn gesorgt,« klang ihre tiefe, sanfte Stimme, »nehme der Herr Platz, wenn es beliebt, und lange zu –«

      Herr Albin blickte sie mißtrauisch an. Dann ergriff er den leeren Stuhl und zog ihn an das andere Ende des Tisches. Dort ließ er sich schweigend nieder.

      Sie sah erstaunt auf, sagte aber nichts, sondern füllte einen Becher mit Wein und schob ihn ihm hin.

      Der Obrist wehrte mit der Hand ab. »Ich danke dem Fräulein,« sagte er spöttisch, »ein Trunk Wasser wäre mir lieber«.

      Sie erhob sich und goß ihm ein.

      Er dankte, nahm sich eine Schnitte Brot und begann, das kärgliche Mahl zu verzehren. Die anderen Speisen, die sie ihm anbot, wies er von sich.

      Das schien sie zu kränken. Doch sie schwieg, setzte sich wieder an die andere Seite des Tisches und schaute ihm aus ihren großen Augen forschend ins Gesicht. Zuweilen schüttelte sie sich mit einer kurzen Kopfbewegung das Lockengewirr aus der Stirne, und dann zog ein ganz feiner Wohlgeruch über den Tisch zu dem Ritter hinüber, der längst aufgehört hatte, sein trocken Brot zu kauen, und stumm vor sich hin sah.

      Es war eine schwüle Stille in dem kleinen Gemach. Nur von draußen klang das gewaltige Rauschen des Maiensturmes und zuweilen das Klatschen der Regengüsse, die er in tiefem Stöhnen vor sich her über die Lande trieb.

      So ging das nicht weiter. Herr Albin faßte sich ein Herz. Er schlug unbemerkt unter dem Tisch das Zeichen des Kreuzes, sah sein schönes Gegenüber fest an und fragte mit starker Stimme: »Fräulein, wer seid Ihr?«

      Sie schien erstaunt.

      »Ich bin Ruth von Ampringen. Hat's Euch mein Oheim nicht gesagt? Seit sieben Jahren – seit mir die Eltern starben – leb' ich bei ihm und hab' diese Burg nicht verlassen!«

      »Und warum rief das Fräulein mich in diese Burg?« fragte Herr Albin weiter und wiederholte verborgen das Kreuzeszeichen.

      »Ich rief Euch, um meinem Oheim beizustehen,« sagte Ruth und warf einen angstvollen Blick nach dem Nebenraum. »Ich bin doch nur ein schwaches Weib, und Klaus, unser letzter Knecht, ist letzthin mit den Bayern davongeritten. Er wolle seine Fortune im Lager suchen, schrie er mir noch aus dem Sattel zu Seitdem sind wir verlassen.«

      Der von Habstein lachte spöttisch auf.

      »Und das Dörflein unten?« fragte er, »was geht Ihr nicht hinunter und holt Euch, wen Ihr braucht?«

      »Im Dorf unten –?« Auch lächelte schmerzlich. »Herr, da ist's still genug. Ihr mögt von Haus zu Hause gehen und trefft keine Menschenseele mehr. Früher, als ich kam, entsinn' ich mich wohl, da gab es noch viele Menschen dort. Dann schwanden sie mehr und mehr – und seit verflossenen Herbst die Schweden zum drittenmal hier waren, haben sich die letzten verlaufen.«

      »Waren die Schweden nicht auch hier oben?«

      »Sie haben gesehen, daß alles hier zum Steinhaufen gemacht ist – da war ihnen der Weg herauf zu sauer.«

      »Und wenn sie doch einmal kommen?«

      »Dann flüchten wir in das Dickicht. Dort haben wir ein sicheres Versteck.«

      Der Obrist sah sie an.

      »Was aber mögt Ihr machen, Fräulein,« sagte er, »wenn Euer Oheim des Todes verfahren sollte?«

      »Des Todes?«


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