Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays. Rudolf Stratz
Читать онлайн книгу.rasch wieder aufgestiegen, weiter jagten, vereinzelt aufzuckende Feuerblitze das Geleit gaben. Und schon sah man von dem Lagerhügel aus, wo finster und stumm Melander Holtzapfel inmitten seiner Offiziere hielt, ein undeutliches Flimmern und Blinken im Gelände. Dunkle, schwarze Klumpen strebten da eilfertig trabend vorwärts, über der verworrenen Masse der Rosseleiber schaukelten Hunderte und aberhunderte von Helmen und Kürassen im zitternden Sonnenlicht auf und nieder, und über ihnen schwankten in der Mitte der Fähnlein die aufrecht gehaltenen Standarten.
Standarten überall und Reitermassen um sie her, und über sie zum blauen Himmel sich aufschwingend die langgezogenen Töne der Drommeten, zu denen von allen Seiten wie ein verstärktes Echo der Widerhall erklang. Ueber die Hügel trabte es heran, es wand sich in eiligem, funkelndem Gewimmel aus dem Dickicht der Sumpfwaldungen und zog sich in glänzenden Schuppenlinien den Talweg herauf.
Die kaiserlichen Offiziere, die sich auf den Boden geworfen hatten und mit niedergesenktem Kopfe lauschten, standen finsteren Gesichtes wieder auf. Ein unheimliches, dumpfes Dröhnen belebte die Erde, wie die Luft unter den hundertfältigen Trompetenstößen zitterte, ein Trappeln und Poltern von Tausenden von Pferdehufen. Das war keine Streifpartei, die vor dem Lager hin- und hertournierte – das war die ganze Reiterei der Konfederierten, die da zum Angriff vorging!
Die Feldherren selbst, Turenne und Wrangel, an ihrer Spitze. Auf einem Hügel dem Flecken Zusmarshausen gegenüber haltend, hatten die beiden jugendlichen Kavaliere die feindliche Stellung in kalter, forschender Sachkenntnis geprüft. Jetzt trennten sie sich. Wrangel ritt mit seinen Regimentern in vollem Trabe nach links ab, den Gegner zu flankieren, Turenne aber trieb sein Pferd dem Kapitän von des Obristen Kurke Dragonern entgegen, der ihm die Meldung brachte, daß die Dragoner der Vorhut die kaiserliche Armada auf den Höhen im Abmarsch befindlich getroffen hatten.
Der Franzose überlegte nicht lange. Gestreckten Laufes kehrte der Bote zum Obristen zurück und brachte ihm den Befehl: »So greife der Herr in Gottes Namen an und bringe die Kaiserlichen auf die Sprünge!«
Knatternd und krachend schlug den aufwärts dringenden Dragonermassen der Gruß der Holtzapfelschen Knechte entgegen. Fünfzehnhundert Musketiere, das auserlesenste Fußvolk der Armee, standen auf den Pässen über dem Morast und empfingen mit stetigen Salven den Feind. Zehn Glieder hoch waren die Kompagnien, in denen ein ununterbrochenes Gewirre und Getümmel herrschte. Hatte ein Glied Feuer auf den Feind herausgegeben, so rannte es eilfertig nach rechts und links hinter die Front, um wieder zu laden. Das nächste Glied rückte vor und löste die beinahe mannslangen, auf hohe Gabeln gestützten Musketen, während die dahinter befindlichen Knechte in Eile aus den Holzkapseln, die sie am Bandelier auf der rechten Hüfte trugen, die Kugeln nahmen, das Pulver aus der Blechflasche holten und vorsichtig aus den Lederbeuteln die langen Lunten mit der durch eine weiße Kapsel geschützten, glimmenden Spitze herauszogen, um damit das lose auf die Zündpfanne geschüttete Pulver zu entflammen.
Rasch kam vor diesen feuerspeienden Häuflein, die die Pässe krönten, und aus deren flammenden Reihen wie Igelstacheln die achtzehn Fuß langen Piken der Hellebardiere starrten, der Angriff der Schweden zum Halten. Zu Haufen zusammengekoppelt, von den Troßjungen geführt, liefen die ledigen Dragonerpferde den Abhang herab. Ihre Reiter waren abgesessen und fochten ebenfalls als Fußvolk, die Pikeniere in einem Haufen zusammengezogen, zu beiden Seiten eifrig in kleinen Klumpen feuernd die mit Musketen bewaffneten Reiter.
So stand hier das Gefecht, und Schwede wie Franzose warteten in langsamem Feuerkampf die Zeit ab, wenn Wrangel mit den Seinen den Kaiserlichen in die rechte Flanke fallen würde.
Dort hielt, solches Angriffs gewärtig, mit den anderen Reitern das Kürassier-Regiment von Habstein. Fünf Rosse tief stand, sich weithin erstreckend und von flatternden Feldzeichen überragt, die eisengepanzerte Front. Vor der Mitte der zehn Eskadrons die Leutnants, vor ihnen die Trompeter. Noch weiter nach vorn endlich die Rittmeister, den blanken Degen in der Hand, hinter ihnen die Knechte mit den Handpferden.
Schwer saßen die unförmlichen, klirrenden Eisengestalten auf den grobknochigen dänischen Hengsten. Von den Reitern selbst war nichts zu sehen. Der eiserne Helm mit Visier, Halsberge, Doppelküraß und Tasseten, die eisernen Stulphandschuhe, die Beinschienen und hohen Stiefel mit ungeheuren Sporen verhüllten die Männer, die als die stolzeste Truppe der Armada mit Verachtung auf alles Kriegsvolk zu Fuße und zu Pferd herabsahen, das nicht wie sie die Rüstung trug und dem Feinde mit dem blanken Stoßdegen zu Leibe ging.
Unter diesen alten, erfahrenen Kriegern war keine Aufregung des Kampfes zu bemerken. Zuweilen bog sich einer klirrend über den Pferdehals und prüfte die beiden langen, in den Halftern steckenden Pistolen, ein anderer schob sich ein sorgsam zusammengefaltetes Tuch unter den Helm, um sich vor überstarken Hieben zu schützen, oder rückte sich in dem ungeheuren Sattel zurecht, in dem er, wie zwischen zwei Kissen eingeklemmt, saß. Sonst aber blieb alles still und stumm, indessen von oben her verworren das Geschrei und Geböller des Kampfes erklang.
Weit vor seinen Leuten hielt auf freiem Felde, nur von seinem Stabe gefolgt, der Obrist von Habstein und spähte, die Augen mit der Hand beschattend, in die Ferne.
Oft schon war er mit dem Feind zusammengestoßen, hatte ihn der Friesenhengst, der ungeduldig unter ihm tänzelte, vor der donnernden Front seiner Eisenreiter in Pulverqualm und Tosen der Feldschlacht getragen.
Aber so wie heute hatte es ihn noch nie zum Kampfe gedrängt. Das war der Ort, über den bösen Feind zu siegen, der ihm seit vorgestern so hart zusetzte! Im Wirbel des Handgemenges, wenn sich die Pferde im Sturm umeinander drehten und zu dem Aufleuchten der Pistolen Klinge und Küraß Funken sprühten, da fand man keine Zeit, an ein Mädchen zu denken, da wurde er wieder er selbst, der grimme Feldobrist von Habstein, vor dem schon mancher tapfere Reiter des Gegenparts lieber sein Roß im Bogen herumgeworfen, als den Degen mit ihm gekreuzt hatte.
Unbändig regte sich in ihm die Streitlust. Heute – das fühlte und wußte er – heute mußte er siegen, zu seinem eigenen Seelenheil, das in solch unerschrockener Kriegstat Vergebung für die Sünden des gestrigen Tages finden mußte.
Und näher und näher kamen die Schweden. Schon hörte man das Rasseln ihrer Kürasse in dem scharfen Trab der Kompagnien, deutlich sah man die Edelleute vor den Gliedern reiten und mit vorgestrecktem Degen unter den Stößen der Trompete die Richtung winken, die Richtung wider das Regiment Habstein.
Wenn es ihm vergönnt wäre, den Feind mit blutigen Köpfen und leeren Sätteln seines Wegs zurückzuschicken, den Tag zu wenden, der für die Kaiserlichen und die gute Sache so unheilvoll zu werden versprach! Ein Gefühl wilden Triumphes stieg in dem Habsteiner auf, während er, wie es seine Gewohnheit vor dem Treffen, langsam und mit durchdringendem Blicke die Front der Seinen entlang ritt. Er sah nicht mehr die hohlwangigen Gesichter, die unter aufgeklapptem Visier ihn da und dort in finsterem Zweifel anstarrten, nicht mehr die abgemagerten Leiber der Hengste – heute mußte das Geschick ihm helfen und Mann und Roß zum Angriff stärken.
Und kein gewöhnlicher Angriff sollte es werden, wo nach dem Brauche des Krieges die Reiter zuerst vom Sattel aus mit der Pistole einander beschossen und auf und nieder ritten, ehe sie sich entschlossen, die blanke Waffe zu ziehen – nein, diesmal wollte der von Habstein sofort den antrabenden Gegner im Choc überreiten und zerstreuen.
Er rief den Rittmeister heran. Sein Gesicht war finster, seine Augen sprühten.
»Es ist heute meine Maxime,« befahl er rauh, »daß wir mit Schwenken und Caracollieren nicht viel Krummes machen, sondern gerade auf den Feind zugehen und ihn chocquieren. Die beiden ersten Glieder sollen, wenn sie dem Feind das Weiße in den Augen sehen, Feuer geben. Die anderen aber ohne einigen Schuß sofort zum Seitengewehr greifen, dem Schwed' mit bloßem Degen unter die Rippen kommen und die Pistolen sich auf die meslée zur Reserve behalten!«
Die Rittmeister sahen sich an und machten ernste Gesichter. Doch er schnitt ihnen das Wort ab:
»Reiten die Herren zu ihren Kompagnien! Sie kommen uns sonst über den Hals!« Und sich im Sattel umwendend, gab er den Trompetern das Zeichen zum Angriff.
Da geriet die eiserne Mauer klirrend in Bewegung. Langsam, wie zögernd, schoben sich die steifgewordenen Pferde im Schritte vor, dann wurde das