Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays. Rudolf Stratz
Читать онлайн книгу.der Lärm der Schlacht, immer massiger die dichten Pulverwolken, die sich über den Wald dahinwälzten, immer leidenschaftlicher die jammernden Gebete der Frauen vor dem Muttergottesbild, das im Strahlenkranze, vom Maienschein überflutet, sanft lächelnd auf sie herabsah.
Erbittert wogte unten der Kampf. Von drei Seiten hatte die feindliche Kavallerie den Wald umstellt, in dem Melander mit dem Kern des kaiserlichen Fußvolks den Rückzug seines Heeres und Trosses verteidigte.
Und schon waren da und dort die schwedischen Panzerreiter, die französischen Dragoner in den Waldsaum eingedrungen. In dem krachenden Unterholz begann das Handgemenge, zwischen den zu Tode bedrängten Musketieren und dem wohlberittenen Feind. In Haufen vermochten die Scharfschützen hier in der Enge des Waldes keinen Widerstand zu leisten. Sie verschanzten sich zu zweien und dreien in dickem Buschwerk, das sich hemmend um die Hufe der verfolgenden Rosse schlang, sie verbargen sich unter den Baumwurzeln, die aus dem sumpfigen Boden sich emporwölbten, und wateten bis an die Knie in die morastigen Stellen, in denen die schwergepanzerten Gegner versinken mußten.
Aber der Feind setzte ihnen unerbittlich zu. Stunde auf Stunde verstrich, und immer weiter arbeiteten sich die Konfederierten von drei Seiten in den Wald, zu Hunderten die Leichen der kaiserlichen Knechte hinter sich lassend, und immer drohender und angriffslustiger klangen fast schon im Rücken der Musketiere die Trompeten Wrangels und Turennes.
Mit starrem Antlitz hielt ihr Gegner, Graf Holtzapfel, mitten im Getümmel des Kampfes. Was die um ihn feuernden Knechte, die wütend fluchenden Offiziere nur erst dumpf ahnten und kaum auszusprechen wagten – er wußte es genau: der Tag war verloren und mit ihm alles, was in dem Walde da stritt, mit ihm der Troß und die Schätze des Heeres, mit ihm die Ehre des Feldherrn.
Er war geschlagen, bis zur Vernichtung geschlagen von seinen Glaubensgenossen, die er verraten. Der Zorn des Kaisers, der Spott der Feinde erwarteten ihn am Ende eines langen, sieggekrönten Lebens.
Der Generalissimus trieb sein Pferd an. Er ritt zu einer Lichtung, zu deren beiden Seiten das Feuergefecht zwischen seinen Musketieren und den abgesessenen Dragonern drüben am heftigsten tobte.
Er sah, wie seine Knechte ihm durch den Lärm zuschrien und ihm winkten, um ihn zu warnen. Er sah, wie drüben ein Offizier ihn scharf ins Auge faßte und, mit der Pike die Richtung weisend, den nächsten seiner Leute etwas zurief. Gleich darauf blitzte es drüben jählings auf. In Schulter und Brust getroffen sank der Generalissimus Holtzapfel zu Tode verwundet aus dem Sattel ...
Ein gellendes Geschrei, das von Mund zu Mund dahinlief, verkündete der Armada das neue Unheil und gab den Feinden doppelten Mut. Unaufhaltsam drangen sie vor, und wie die Stunden langsam verstrichen, ging durch den dampfenden Sumpfwald bis zu den Ufern der Schmutter hin das Morden seinen Gang.
Nun war es Abend geworden. Zwischen den Bäumen verhallte der Kampf.
Das kaiserliche Fußvolk war nicht mehr. Von den dreitausend Knechten, die dem Anprall des Feindes sich entgegengestellt, sahen nur noch kleine Häuflein die Sonne untergehen.
Aber des Blutvergießens war noch lange kein Ende.
Der siegestrunkene Feind hatte sich nach links gegen den Schmutterbach gezogen, da wo die von den Kaiserlichen schnell noch abgeworfene Mühlenbrücke hinüberführte. Gelang es ihm, die Furt zu passieren, dann gab es am nächsten Morgen kein kaiserliches Heer mehr. Dann wurden nicht nur die Reste der Kaiserlichen vernichtet, sondern auch die unter dem unentschlossenen Gronsfeldt heranziehenden Bayern in die Niederlage verstrickt.
Aber jenseits der Furt standen die kaiserlichen Kürassiere, das Regiment von Habstein auf dem rechten Flügel. Und durch das hochgeschwollene Frühlingswasser hindurch den grimmigen Gesellen in die Zähne zu gehen, das war eine Tollkühnheit, vor der selbst der verwegene Königsmarck zurückschrak.
Zornig ritt er mit den Seinen vom Ufer zurück und gab dem schweren Geschütz der Schweden die Bahn frei, das jetzt endlich, am Abend der Schlacht, heranpolterte.
Die Mühlen am Flusse brannten lichterloh. Ihr flackernder Schein, mit der letzten Sonnenglut gemischt, übergoß die schwerfälligen, feuerspeienden Ungetüme, die in den Hügeln am Flusse sich einwühlten und nach bangen Pausen der Erwartung mit brüllendem Donner ihre Ladung hinüberschleuderten, in die langen Mauern von Roß und Eisen, die ihnen dort starr gegenüber standen.
Wo solch ein Geschoß hinschmetterte, da klaffte jählings eine Lücke auf, und in ihr sah man die Leiber der sich am Boden wälzenden Pferde und die hilflos ausgestreckten oder schreiend durcheinander kriechenden Gestalten der Gewappneten.
Und eine Stück-Kugel folgte der anderen und schlug eine blutige Bresche nach der anderen in die Reihen der Panzerreiter. Schon schwärmte es an dem ganzen Ufer von ledigen Pferden und zog sich ein Gewimmel von mühsam tappenden Verwundeten nach rückwärts – und ungeduldig sich im Sattel wiegend, erwartete Königsmarck den Augenblick, da sich die Kürassiere vor dem mörderischen Geschützfeuer zurückziehen und ihm den Uebergang auf das andere Ufer gestatten würden.
Aber die Kürassiere hielten still. Sie wußten, daß das Schicksal der Armaden davon abhing, den Feind nicht über den Fluß zu lassen, und dauerten im Feuerhagel aus. Suchend ging der Tod ihre Reihen entlang, er holte sich da und dort einen heraus, immer mehr und mehr. Die Offiziere fielen, ganze Fähnlein schwanden zusammen, und es erfüllte sich, was Wrangel grimmig sagte, als ihm die einbrechende Nacht die letzte Hoffnung auf Fortsetzung des Kampfes nahm: »So wollen wir wenigstens dem Kaiser seine Reiter dergestalt zurichten, daß er auf lange Zeit hinaus wenig Dienst davon zu gewarten haben wird.«
Bis ins tiefste Dunkel hinein feuerten die Geschütze.
Drüben am anderen Ufer wußte man nicht mehr, wer lebte und wer tot war, konnte man kaum mehr den nächsten Nachbar erkennen. In Haufen, wie sie sich gerade zusammenfanden, ritten die noch rüstigen Panzerreiter am Flusse auf und nieder, oft stolpernd über Rossesleiber und die Leichen der Gefallenen.
Dann endlich blitzte drüben der letzte Schuß auf. Der Lärm der Schlacht verhallte. Ein ungeheures Stimmengewirr zog brausend in der Nacht über die Felder und Hügel, und in langgezogenen Tönen riefen überall die Trompeten zum Sammeln.
Auf den Höhen ob der Schmutter, wo sich in tumultuarischem Biwak die geschlagenen Völker ordneten, um in der Nacht noch unter die Mauern von Augsburg zu rücken, hielten abgesessen die Reste der Habsteinischen Kürassiere. Da und dort kamen noch Nachzügler hinzu, pulvergeschwärzte, finsterblickende Kerle, die zu Tode ermatteten Rosse am Zügel.
Und wieder lange Trompetenstöße!
»Heran, was unter Habstein reitet!« schrien, im Sattel vorgebeugt, die Hauptleute aus heiseren Kehlen in die Nacht hinaus, und die Kornetts schwenkten bei Fackelschein die Standarten.
Manch einer kam noch. Nur einer nicht, den man vor allem suchte. Der Feldobrist von Habstein selbst blieb aus. Man hatte ihn zuletzt gesehen, wie er, schon in halber Nacht, allein dicht an das Ufer vorritt, in der Besorgnis, daß die schwedischen Reiter doch einen Uebergang versuchen könnten.
Seitdem war er ausgeblieben und alles Forschen vergebens. Denn noch war der Mond nicht aufgegangen, und in schwarzen Schleiern legte sich die Nacht über die letzte Feldschlacht des Dreißigjährigen Krieges.
In Augsburg herrschte ein wildes Getümmel. Die Kunde von der großen Niederlage der Kaiserlichen trieb alles schreckensbleich auf die Gassen.
Noch waren die geschlagenen Armeen selbst nicht angelangt, aber das zügellose Gesindel, das vor ihnen herströmte, zeugte deutlich genug von den Verheerungen des Tages: diese Troßknechte, von deren Pferden die abgeschnittenen Geschützstränge herabhingen, die entlaufenen Reiterjungen, mit Roß und Waffen ihrer gefallenen Herren ausgerüstet, die heulenden und jammernden Soldatenweiber, die ihre Ernährer verloren, das alles zog in Schwärmen durch die Gassen dahin, durch das Gewühl der geflüchteten Bauern, der gewaffneten Bürger, und ihr Geschrei mischte sich in das Glockenläuten von den Türmen.
Und schon kamen auch die Verwundeten – erst einzeln, dann immer mehr und mehr, in ganzen Haufen. Leicht Beschädigte, die fluchend zu Fuß dahinhumpelten, vornehme Herren zu Roß, auf ihre Diener gestützt,