Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays. Rudolf Stratz

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays - Rudolf Stratz


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von Kräften gefallen.«

      »Lasse Ihre Exzellenz mich mit meinen Kürassieren ausreiten« rief der Habsteiner, »ich schaffe Mehl, und sollt' ich's dem Teufel aus der Hölle holen!«

      »Für die Soldaten ließe sich Rat schaffen,« erwiderte der Generalissimus, »aber nicht mehr für den Troß! Der Troß verschlingt beides, das Land und die Armada. Ich habe zurzeit an vierzigtausend Soldaten. Im Trosse aber ziehen mehr als hunderttausend Menschen hinter mir her, Weiber und Buben und kleine Kinder, und was des kriegsuntüchtigen Gesindels noch mehr ist. Weiß Gott, wie die Erde das alles erzeugt. Aber es ist vorhanden, und wenn ich heute vierzigtausend Rationen Brot verteilen lasse, so bleiben hunderttausend Mäuler leer, und das Geschrei ist ärger als zuvor.«

      »Doch aber würd' ich mich hier maintenieren,« sprach der Habsteiner hartnäckig, »und in der Weisheit Ihrer Exzellenz befehlen, daß die bayerischen Völker und groben Stücke stracks kehrtmachen und eilends wieder hier ankommen.«

      »Und dann?«

      »Dann den Konfederierten die Zähne weisen! Ihr Fußvolk kann bis morgen nicht heran. Ihre Reiterregimenter aber, wenn sie sich zeigen, sollen übel zugerichtet werden und für die Keckheit büßen, daß sie sich heute mit ein paar Fähnlein bis unter die Augen Ihrer Exzellenz wagten!«

      Der greise Holtzapfel lachte auf. Es war ein böses, heiseres Lachen, aus dem etwas wie Verzweiflung klang. Er faßte den Obristen am Arm. »Komme der Herr mit mir!«

      Sie schritten den Hügel hinab, in eines der Regimenter hinein, die an seinem Fuße lagerten.

      Es war hier beinahe dunkel, die Wachtfeuer im Verglimmen, die Mannschaft in ihre Mäntel gewickelt, den Sattel unter dem Kopfe, schnarchend daneben. Dahinter standen, in langen Doppelreihen festgepflockt, die Rosse.

      Hier machte der Generalissimus Halt. »Fühle der Herr Bruder den Gaul da an!« sprach er und wies auf das nächste, im Dunkel kaum erkennbare Tier. Der Obrist tat es und erschrak. Seine Hand stieß sich beinahe an den Rippen, die aus dem Pferdeleib hervortraten.

      »Das nächste!« befahl sein Begleiter.

      Er tat's. Das Pferd war mager, wie Haut und Knochen. Ebenso das dritte, das vierte – jedes Roß, dem er von der Schulter zur Flanke fuhr.

      »Begreift der Herr nun?« klang neben ihm des Grafen Holtzapfel Stimme. »Die Pferde finden jetzt in der Maienzeit reichlich Gras, Aber um der Menschen willen, die mir verhungern, muß ich sie so travaillieren, auf- und niederhetzen und durchs Land streifen lassen, daß sie mir vom Fleisch gefallen sind und kaum mehr sich selbst zu tragen vermögen, geschweige denn einen Reiter in die Schlacht zu führen.«

      Herr Albin wendete sich verächtlich von den Rossen ab. »Es kommt auf den Obersten an. Wem gehört dieses Regiment zu?«

      »Es sind die Kürassiere von Habstein!« erwiderte der Generalissimus ruhig und wandte sich zum Gehen. »Doch der Herr wird fatiguieret sein. Es bleiben uns noch ein paar Stunden Ruhe.«

      Mit schweren Schritten, wie ein gebrochener Mann, stieg er den Hügel wieder hinauf und verschwand in dem Rauch des Lagerfeuers.

      Herr Albin ging schweigend durch das Lager seines Regiments, vorbei an den langen Reihen der Pferde und der wie Leichen den Boden deckenden Mannschaft, an den zerfetzten Standarten vorbei, die, in den Boden eingerammt, müde im Nachtwind sich blähten, vorbei an vereinzelten Zelten und Grashütten, in denen die niederen Offiziere kampfbereit in der Mitte ihrer Mannschaft ruhten.

      So kam er bis an die Front des Regiments. Dort, auf dem freien Platz, war es noch lebendig und schaukelten sich ein paar Fackeln in der Dunkelheit. Herr Paradeiser und seine Leute waren damit beschäftigt, ihm aus Laub und Stroh eine Unterkunft zu bereiten.

      Er wies sie fort. Die Nacht war ja trocken und lind. So warf er sich in das würzigschwellende Gras des Bodens nieder und starrte zu dem glitzernden Himmel über sich empor, während er Stunde um Stunde bis zum Morgengrauen düster und schlaflos dalag.

      7.

       Inhaltsverzeichnis

      Seltsame Gedanken waren es, die in dieser Nacht durch Herrn Albins Seele gingen. Er dachte an seine Kindheit zurück, und wie ein Traumbild stieg das Schloß seiner Väter vor ihm auf, der alte Herrensitz im Odenwald, über dessen geschwärzte Trümmer jetzt wohl durch Nesseln und Buschwerk der Wolf auf Beute stieg.

      Und ein Gedanke erfaßte ihn: Wenn es Friede gäbe in deutschen Landen, so wäre es mit den Zeiten möglich, das Schloß wieder aufzurichten mit seinen Türmen und Zinnen, wie es einstmals stolz in das Tal hinabgeschaut, und den Wildwald auszuroden und dafür zu sorgen, daß neue Bauernhütten sich um das altersgraue Dorfkirchlein erhoben.

      Aber was ging ihn der Friede an? Er wollte ihn nicht und brauchte ihn nicht. Und wurde der Friede doch zu seinem Leidwesen geschlossen und stand man da, mit nichts als Narben, kein Feind im Feld, Schwert in der Scheide, Trompetenschall und Kriegsglück verweht – immer wieder wanderten seine Gedanken zu dem Herrensitze derer von Habstein, wie er sich hochragend aus rauschendem Bergwald erhob, und er sprach zu sich: Und wenn das feste Haus meiner Väter noch stände – was sollte ich dort, ein einsamer, abgedankter Kriegsmann?

      Da merkte er, daß er in seinen Gedanken nicht allein dort war! Ein Weib schritt ihm zur Seite durch das fröhliche Getümmel des Schloßhofes, sein schönes, junges Eheweib; aus dem Ziergarten draußen klang das Jauchzen spielender Kinder, und wie die Bäume, die vor dem Träumer im Maiwind rauschten, prangte der alte Stamm der Habstein in frischem Grün.

      Er fuhr entsetzt empor und stand auf.

      »Wenn das Hochwasser nur einen Ritz im Flutdamm findet,« dachte er ingrimmig und verstört, »so bricht es durch und reißt alles nieder und spottet der Menschenkraft. So gib der Sünde nur den kleinen Finger, und sie frißt dich mit Haut und Haar, und ist kein Entkommen mehr vor ihr. Nimm deinen Mut zusammen, Albinus Habstein, und streite wider den Versucher –«

      Schon dämmerte der Tag. Von fern her läutete, im Winde verzitternd, das Kapellenglöckchen von der Wallfahrt Unserer Lieben Frauen zu Laureta den schönen Maiensonntag ein.

      Während die weißen Morgennebel vor den Sonnenstrahlen schwanden, begann es sich tausendfach im ganzen Lager zu regen. So weit das Auge reichte, streckte sich das Gewimmel geschäftiger Krieger hin. Die Pferde wurden gesattelt, Feuergewehre und blanke Waffen noch einmal geprüft, dann ordneten sich die Musketiere zu Haufen; die Fähnlein, über denen im Winde die verblichenen Estandarten flatterten, lenkten ihre Pferde im Schritt aneinander, um zu Gliedern aufzureiten, und die Abhänge des Lagers hinunter kollerten und rumpelten die leichten dreipfündigen Stücke, die bei der Armada geblieben waren und nun im Trosse abrücken sollten. Um sie herum strömte das sonstige nicht streitbare Volk, Reiterjungen mit den überzähligen Pferden ihrer Herren, Schreiber, Profosse und Diener, verwundete Knechte, der Wagenburg zu, deren erste Kolonnen sich schon lange vor Tagesanbruch in Marsch gesetzt hatten. Endlos zog an den Ufern der Zusam die ungeheure Bagage dahin, eine Völkerwanderung, die sich schwerfällig und lärmend über die Straße wälzte, um endlich in den Sumpfwäldern zu verschwinden, die sich gegen die Schmutter hin erstreckten.

      So war es im Rücken der Kaiserlichen allmählich frei geworden. Schon begann auch die Armada selbst ihren Abmarsch, und mancher der Kriegsführer schien leichter zu atmen, als die Sonne höher und höher stieg, ohne den Angriff des Feindes auf die ausgehungerten Völker, auf die ermatteten Rosse des Kaisers zu bringen.

      Da plötzlich – jählings wandte sich alles im Sattel um – ein Kanonenschlag von dem Hügel, wo die letzten paar Feldstücke standen! Unmittelbar darauf ein zweiter Schuß, ein dritter – das altgewohnte Alarmsignal des katholischen Lagers. Der Feind war da!

      Aus der Ferne tönte schwacher Musketenknall, und kräuselten sich leichte Rauchwölkchen in der klaren Luft. Die Dragoner, die auf Vorposten gelegen, stoben einzeln und in Trupps im Galopp zurück, als einer der letzten ihr Obrist, zwei unablässig schmetternde Trompeter neben sich. Ab und zu machten


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