Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays. Rudolf Stratz

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays - Rudolf Stratz


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und immer lauter und gellender schrien vor der Front die Drommeten zur Attacke. Und ebenso rasch flog es kampfgierig von der anderen Seite heran, eine lange, flimmernde Linie, zwei, drei andere Linien weiter abseits, gegen die die übrigen Regimenter der kaiserlichen Reiterei, um nicht hinter den Habsteinern zurückzubleiben, schreiend anritten.

      Wie zwei Wetterwolken schossen indes die Königsmarckschen Reiter und die Habstein-Kürassiere aufeinander. Kaum sechzig Schritte trennten sie noch, und aus dem Galopp der Pferde wurde unter den Sporenhieben ihrer Reiter atemlose Karriere, daß der Boden unter dem Donner der dahinbrausenden Eisenmasse dröhnte und wie ein heißer Wirbelsturm der glühende Atem von Mann und Roß die kampfgierig nickenden Banner umwehte.

      Nun waren die beiden Eisenmauern aneinander. Im Sattel vorgebogen, die Hengste durch letzte Sporenstöße zu wütendem Anprall spornend, die Pistole in erhobener Rechten, um auf das Weiße im Auge des heranfliegenden Feindes zu zielen, erhoben die Reiter den gellenden Schlachtruf. »Jesus Maria!« brüllte es heiser, in wutverzerrten Tönen, und in rauhem Grimm schlug von drüben das »Gott mit uns!« der deutschen Reiter und fremdenartigen Klanges das »Immanuel!« der Schweden und Finnen dagegen.

      Eine lange Feuerreihe flammte im Augenblicke des Zusammenpralls von beiden Seiten ineinander. In ihrem grellen Aufleuchten stürzten da und dort schwerfällig klirrende Gestalten rücklings aus den Sätteln und überschlugen sich in der Gewalt des Ansturms nach vorwärts die getroffenen Pferde, ihre Reiter unter sich erstickend. Ihr Gebrüll, das Krachen der losgelösten Pistolen, das letzte atemlose Gellen der Trompeten, das alles verklang in dem donnerartigen Getöse, mit dem die Eisenmassen der Regimenter blitzschnell zusammenschmetterten und sich knirschend und krachend ineinander vergruben. Ein Wald von zischenden, flimmernden Klingen spielte im Maienschein über den wirbelnden Massen, die da in erstickende Klumpen geballt, dort in Reihen von Einzelfechtern aufgelöst, in Fetzen zerrissen und sofort wieder unter wütendem Geschrei ineinander strudelnd, sich über die Ebene wälzten. Metallisch klang, hundertfach sich zusammenwirrend, das harte Kracken der Schwerter auf dumpf dröhnenden Kürassen und Helmen, dazwischen aus Pulverschleiern heraus der kurze Knall der Pistolen und das schwere Poltern der aus dem Sattel Niederschlagenden. Wie im Sturme schwankten die Standarten über dem Gewühl von Pferdeköpfen und Eisenhüten, die Rosse wieherten, von ihren Reitern hin und her geworfen, in Angst und Zorn, und immer verzweifelter klang aus den lärmenden, im Eisenklirren sich über die Erde hindrehenden Staub- und Pulverwolken das »Jesus Maria!« derer von Habstein.

      Auch die Schweden schrien zu ihrem Gott. Und ihre Stimmen klangen heller und lauter. Sie hatten die Uebermacht für sich, und mehr und mehr neigte sich im Handgemenge der Sieg auf ihre Seite.

      Schon stob da und dort ein kaiserlicher Kürassier, der sein Roß unter sich ermatten fühlte, mit verhängten Zügeln aus dem Getümmel. Andere folgten ihm, die Hand an den bluttriefenden Schädel gepreßt oder mit Sporenstichen das von Kugeln durchbohrte Pferd zur Flucht treibend. Schon waren es nicht einzelne mehr. Ganze Klumpen lösten sich aus dem Gewirr der Feldschlacht. Versprengte Offiziere ritten dazwischen, ihre Leute lenkten die Rosse hinterher, und plötzlich, wie einem geheimnisvollen, gleichzeitigen Befehle folgend, wandte alles, was unter Habstein ritt, die Gäule zur Flucht.

      Auch die anderen Regimenter flohen. Weit hin, bis zu den Mühlen an der Schmutter, galoppierten in Schwärmen die flüchtigen Völker. Nur in den letzten Reihen, wo die verfolgenden Schweden hinter und neben den Kaiserlichen herjagten, krachten noch Schüsse und kreuzten sich die Klingen, und zu Hunderten fielen die kaiserlichen Reiter auf ihren ermatteten Pferden in die Gefangenschaft des Feindes, der unter Jauchzen und Trompetenstößen über das Schlachtfeld hin, wo die Verwundeten sich stöhnend wälzten und verstümmelte Pferde herumhumpelten, seine Reihen ordnete.

      In der Ferne löste sich die letzte Gruppe des Reitergefechtes auf. Albinus Habstein mit einigen seiner Getreuen war es, der als der letzte den Kampfplatz verlassen. Weithin hatte ihn ein Trupp schwedischer Reiter verfolgt. Aber da er nun schon den dritten von ihnen aus dem Sattel gestreckt und ihre Pistolen verschossen waren, zügelten sie grimmig ihre Pferde, und unter Flüchen und Drohungen schieden die beiden pulvergeschwärzten Häuflein voneinander.

      Das Wasser des Schmutterbaches plätscherte in rötlich gefärbten Strudeln dahin, während in verworrenen Trupps die kaiserlichen Reiter bei der Mühlenfurt die Pferde hindurchtrieben. Mancher erschöpfte Gaul brach hier noch, von den Wirbeln überwältigt, mitten im Flüßlein zusammen und bereitete seinem unbehilflichen, eisengepanzerten Herrn einen unrühmlichen Tod in den vom Frühlingsregen geschwellten Fluten. Dann krochen und kletterten die zersprengten Fähnlein auf der anderen Seite empor und ordneten ihre gelichteten Reihen.

      Ihnen gegenüber sammelte sich in lauernder Kampfbegier der Feind, durch Hügel in seiner linken, durch Waldgebüsch in der rechten Flanke gedeckt.

      »Der Tag steht bös!«

      Der alte erfahrene Paradeiser zu Villach war es, der das vor sich hinmurmelte und dabei prüfend nach links hinüberschaute, wo unter heftig aufsteigenden Rauchwirbeln und Musketengeknatter die Schlacht zwischen den feindlichen Dragonern und dem kaiserlichen Fußvolk in vollem Gang war.

      Die Musketiere waren schon aus ihrer zweiten Position geworfen. Von dem Hochplateau, wo sie gestanden, strömte es regellos zu dem Walde an der Schmutter herab. Die lange Muskete in der Hand, die Musketengabel am Seile hinter sich herzerrend, rannten die Knechte dem schützenden Dickicht zu, zwischen ihnen mit geschwungener Pike die Offiziere.

      Ein eilfertiges Krachen von Axtschlägen und Kommandorufe gellten aus dem Waldrand, aus dessen grünen Wipfeln langsam und zäh der graue Pulverdampf herauskroch. Dort verknickte und verschanzte sich das kaiserliche Fußvolk unter Melanders eigener Leitung zum entscheidenden Verteidigungskampf.

      »Heut' geht viel Volks verloren!« brummte der alte Quartiermeister grimmig. »Wird den Knechten auch dieser Vorteil benommen, so wird der Feind ihrer Meister und aller Stücke und des ganzen Trosses!«

      Da fuhr Herr Albin jäh im Sattel auf, und seine Augen blitzten aus dem pulvergeschwärzten Gesicht.

      »Wann ist, die Holtzapfelsche Gräfin aufgebrochen?« fragte er rasch. »Reist sie mit der Bagage oder allein?«

      »Früher als der Troß, Euer Gnaden! Um zwei Uhr des Nachts, sagten mir die Diener, sollte der Reisewagen bereit stehen. Ist sie da abgefahren, so muß sie und das Fräulein jetzt schon halbwegs Augsburg sein.«

      Einen Augenblick überlegte der Obrist.

      »Wir haben jetzt hier Rast mit dem Bataillieren!« befahl er kurz und herrisch, wie um jeden Widerspruch von vornherein abzuschneiden, »reite Er den Weg gegen Augsburg, Paradeiser, und sehe, ob sich die Holtzapfelschen Wagen salviert haben.«

      Der Quartiermeister wagte nichts gegen den ungeheuerlichen Befehl zu erwidern, der ihn mitten im Kampf hinter die Front schickte, und trabte zurück.

      Die Kapelle von der Wallfahrt Unserer Lieben Frauen zu Laureta, die an der Wegbiegung stand, gab ihm die Richtung.

      Und dort fand er die Gesuchten. Einen Haufen Wagen und anderen Troß, der rechtzeitig über die Schmutter gegangen, ehe man die Brücke an den Mühlen abgeworfen.

      Um die Kapelle hatte sich alles im Halbkreis gedrängt, während von unten her dumpf und undeutlich das Brüllen des Kampfes scholl, aus dem Sumpfwald zur Linken, um dessen Besitz bereits Kaiserliche und Konfederierte in wütendem Handgemenge rangen.

      Der Ruf, der unten als Schlachtgeschrei zwischen Pulverqualm und Musketenkrachen heiser und hundertfach verhallte, der drang hin als Gebet, als verzweifelnde Bitte zu dem blauen Sonntagshimmel empor.

      »Jesus Maria!« klang es stammelnd von den Lippen der Edelfrauen, die für das Leben ihrer Gatten, der kaiserlichen Offiziere, zitternd vor dem Muttergottesbild an dem Kapelleneingang knieten, und »Jesus Maria!« kreischten und zeterten hinter ihnen die Soldatenweiber um das Leben ihrer Beschützer und Ernährer. Jetzt gab es keinen Rang und Stand. Die gemeinsame Not machte alles gleich. Selbst die Profosse und Gemeinwebel, die eigentlich nicht an Tod und Teufel glaubten, falteten unwillkürlich in Not und Sorge die Hände und hörten auf das laute Gebet der Feldpfaffen, die, alle Weiberstimmen übertönend, unermüdlich ihr


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