Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays. Rudolf Stratz
Читать онлайн книгу.Habstein!« Mit jähem Rucke erfaßte Kerr Albin die Hand des anderen. »Woher kennt Ihr mich und meinen Namen?«
Und wieder fühlte er jenen rätselhaften Blick auf sich ruhen. »Ich kenne Euch wohl und nicht seit heute. Sehet, wo jetzt Euer Roß grast! Unweit davon saßet Ihr damals auf Eurem Hengst, es war ein mächtiges, lohfarbiges Tier – dicht an der Kirche und wieset Eure Knechte an, sie zu verbrennen. – Und schaut, nun will es die allmächtige Fügung, daß Ihr im selben Kirchlein, das Ihr zerstört, auf den Tod daniederliegt!«
Herr Albin schüttelte verstört das Haupt.
»Wie soll ich das ausdenken? Ihr hättet mich doch gleich erkennen müssen, wie Ihr zu mir herankamt!«
»Ich habe Euch erkannt!«
»Und habt mich gepflegt und verbunden – mich. Euren Todfeind –?«
Der andere nickte. »Ihr seht: der Mensch vermag es!«
Der von Habstein schwieg. Erst nach geraumer Zeit wagte er wieder aufzublicken und fragte: »Glaubt Ihr, daß ich am Leben bleiben werde?«
Der andere schüttelte den Kopf: »Ich meine, Ihr werdet sterben! Aber ich will Euch pflegen, so gut ich es vermag!«
Ruth war durch seine Worte erwacht. Ohne den Fremden noch zu bemerken, trat sie leise zu ihm heran. »Fehlt es Euch an etwas?« fragte sie besorgt.
Herr Albin sah zu ihr auf.
»Mir fehlt's an vielem!« sprach er, »und deiner bedarf ich vor allem, Ruth – denn du bist rein und ich bin sündig. Du bist makellos und ich bin verworfen und verdorben.«
»Ihr, Herr? Da sei Gott vor!«
»Doch bin ich's, und hätte der Arkebusier drüben mich etwas aparter aufs Korn genommen, so hätte ich es für diese Zeitlichkeit nie erfahren. So aber wird mir die Neuigkeit hienieden noch kund und ist mir zu Sinn wie einem Mann, der lange durch dicken Wald gezogen ist, und hält und sieht: Der Weg war irre! und mag von Stund' an nicht weiter. Das ist mir aufgegangen im Augenblick, wo ich Euch gestern über mir gesehen hab', und hat mich so wenig mehr verlassen wie mein Schwert neben mir und ist stärker als das Schwert und des Schwertes Widerpart.«
»Herr, das begreife ich nicht!«
»Hier links ist das Schwert und rechts bist du! Links ist der Haß und rechts, was nicht des Hasses ist. Da bist du und bist Gottes und mir von Gott gesandt ...«
»Herr ...«
»Eben war einer da und ging still wieder weg durch diese Pforte – der hat es mir gewiesen, daß man die Zeichen und Wunder nicht an der Himmelsfeste oben suchen soll, sondern auf Erden. Nicht bei den Menschen auf Erden, sondern in sich selber. Nicht den bösen Feind in sich, sondern den barmherzigen Gott. Gottes höchste Barmherzigkeit aber hat sich mir offenbart und heißet Liebe ...«
»Herr ..., denkt an Eure Wunde! Ihr sprecht zu viel ...«
»Ich bin jetzt still! Gib mir die Hand, Ruth, und steh' mir bei! Ich will wie ein rechter Kriegsmann kämpfen wider den Tod, damit du mir das Leben weisest!«
10.
Der Herbststurm fuhr über das verödete Land. Selten, daß die Windsbraut da und dort einen einsamen Wanderer, einen versprengten Reiter auf den regendurchweichten Pfaden und Feldern traf, dem sie den Mantel um die Ohren schlagen konnte, daß er einen grimmigen Blick zudem graubewölkten Himmel hinaufwarf.
Es war wenig Volks mehr in der Gegend um Augsburg. Längst waren die Schweden und Franzosen gegen Osten gezogen, um nach erfochtenem Siege in die österreichischen Erblande einzufallen, und allmählich nur wagten sich jetzt wieder, von Salzburg her, die Kriegsknechte des Kaisers und des Kurfürsten in die bayerischen und schwäbischen Gefilde zurück.
Kleine Reitertrupps schwärmten ihnen voraus. Die mochten noch am ersten in den verdorbenen Dörfern Notdurft für Mann und Roß gewinnen. Und die brauchten sie. Zum Lagern im Freien war die Zeit nicht mehr angetan. In Reifnächten und Regenschauern verkündete – zum einunddreißigsten Male seit Beginn des Krieges – der Winter sein Nahen, und der Pferdehuf verhallte dumpf in dem welken Herbstlaub, das in feuchten Klumpen den Boden bedeckte.
Das war den beiden Kürassieren lieb, die einsam ihres Weges trabten. So hörte niemand, den es nichts anging, von ihrem Ritt.
Paradeiser zu Villach, der dicke Quartiermeister, hatte eine Weile in tiefen Gedanken zwischen den Pferdeohren hindurch auf den unter ihm hingleitenden Waldboden gestarrt. Jetzt wandte er sich plötzlich zu dem schwarzen Nickel, der, das Faustrohr in der Hand, neben ihm ritt.
»Und er lebt doch!« sprach er gewichtig – »ich sage dir, er lebt!«
Der schwarze Nickel zuckte die Achseln.
»Ich lasse nicht ab, ihn zu suchen!« fuhr Herr Paradeiser fort. »Kein Mensch hat ihn auf dem Schlachtfeld gefunden! Wir haben beim Widerpart anfragen lassen, und was kam für Meldung? ›Es sei den Herren herzlich leid, aber der Herr Obriste sei noch nicht in ihrer Gewalt! – Kein Troßbub hat seinen Hengst gesehen – kurzum, er selbst und alles, was mit ihm war, ist wie vom Erdboden verschwunden.«
»Aber wo kann er denn geblieben sein?« knurrte der andere.
»Ich hab's schon zwei- oder dreimal erlebt,« sprach der Quartiermeister, »daß wir im einsamen Walde Menschen fanden, die da vor sich hin hausten und sich in Abscheu von uns wandten und in ihrem zerstörten Geiste nichts mehr mit der Christenheit gemein haben wollten. Das kann leichtlich einem widerfahren, der mit Wunden im Dickicht liegen gelassen ward und, wenn er wieder aufkommt, allein mit sich blieb und dem bösen Geiste – und davor will ich den Herrn Obristen bewahren!«
Der schwarze Rickel lachte. »Dem frommen Herrn kann der böse Geist nicht beikommen!«
Herr Paradeiser faltete verzweifelt die Hände.
»Hast du's denn nicht gesehen, du Tropf? Als wir am Tage vor der Zusmarshauser Schlacht den Herrn Obristen zum erstenmal suchten, siehe – da kam er angeritten auf einer schlechten Bauernstute, und das Unwesen saß hinter ihm im Sattel und verwirrte seine Vernunft, daß wir am nächsten Morgen keine Fortune wider die Königsmarckschen Reiter hatten und er selbst verloren ging – «
»Des ist das Fräulein doch nicht schuldig!«
Der Quartiermeister seufzte über so viel Verblendung. »Ein Fräulein?! Wisse – am selben Abend sah ich sie noch im Hof zur Trauben. Als ich in aller Gottesfrühe wiederkam, war sie verschwunden. Kein Mensch wußte, wie und wohin – und ward so wenig mehr gesehen wie er! Merkst du nun etwas?«
Der schwarze Nickel bekreuzigte sich. »So hat ihn der Böse geholt!«
»Das fürchte ich fast,« sprach Herr Paradeiser bekümmert. »Den wurmte das gottgefällige Treiben des Herrn Obristen, und er führte ihn listig in Versuchung –«
Der Quartiermeister brach jäh ab und es bäumten sich die beiden, mit angstvollem Zügelriß parierten Rosse, von deren Rücken ihre Reiter erbleichend und bebend auf den Waldpfad starrten.
»Gerade wie damals!« murmelte Herr Paradeiser und schlug blitzschnell ein Kreuz nach dem anderen, »das ist er selbst – nur abgemagert und mit großem Barte.«
»Der Herr Obrist selbst,« bestätigte flüsternd der Genosse, »wenn's nicht sein Geist ist!«
»Und das ist sein Pferd,« fuhr der Quartiermeister fort, »und da – siehst du: da sitzt es wieder hinter ihm im Sattel wie damals und schmeichelt ihm und weicht nicht von dem armen Herrn!«
»Das ist ein schlimmer Handel!« Der schwarze Nickel fürchtete sich und wäre am liebsten fortgeritten. Aber er bezwang sich und blieb, indes die beiden langsam auf ihrem starken Rosse den Waldpfad heraufkamen.
Herr Paradeiser räusperte sich und holte tief Atem. Auch ihm war nicht geheuer zu